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# taz.de -- Freigabe der Corona-Impfpatente: Kalt erwischt
> Die EU hat der Vorstoß aus den USA überrumpelt. Die Kommission will dem
> US-Präsidenten nicht offen widersprechen – auch Deutschland bremst.
Bild: Ursula von der Leyen und Biontech-Gründerin Özlem Türeci (r) beim Besu…
Brüssel taz | Frankreich drängt, Deutschland bremst, die EU-Kommission will
sich nicht festlegen: Mit ihrem Vorstoß zur Freigabe der Patente auf
Corona-Impfstoffe haben die USA die Europäer in Verlegenheit gebracht. Kurz
vor dem EU-Indien-Gipfel am Samstag in Porto zeichnete sich keine klare
Linie ab. Das Thema werde bei dem Gipfel zur Sprache kommen, hieß es am
Donnerstag in Brüssel.
Mit Entscheidungen wurde nicht gerechnet. Denn Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) will nicht nach Portugal reisen – und ohne Deutschland kommt in der
EU kein Beschluss zustande. Bisher gilt die von Merkel und
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verabredete Linie:
Massenproduktion in Deutschland und Europa sowie Export in alle Welt –
[1][doch die Patente sind tabu.]
Diese Linie hat die EU-Kommission bekräftigt. „Wir haben schon 200
Millionen Impfdosen exportiert“, sagte eine Sprecherin. „Damit haben wir
genauso viel in die Welt geliefert wie an unsere eigenen Bürger.“ Das
zeige, dass die EU offen und fair mit Impfstoffen umgehe. „Die EU ist
bereit, jeden Vorschlag zu diskutieren, der diese Krise wirksam und
pragmatisch angeht“, so Kommissionschefin von der Leyen.
Brüssel legt sich nicht fest – schließlich will man US-Präsident Joe Biden
nicht offen widersprechen. Von der Leyen möchte sich auch nicht mit Indiens
Regierungschef Narendra Modi anlegen, der seit Langem die Freigabe der
Patente fordert. Indien gilt in Brüssel neuerdings als Vorzugspartner,
[2][beim Gipfeltreffen am Samstag will die EU dem Land erneut Hilfe gegen
das Corona-Elend anbieten.]
Die EU-Kommission steht außerdem kurz vor Abschluss eines neuen Megadeals
mit dem deutschen Impfstoffhersteller Biontech. Der Vertrag über 1,8
Milliarden Dosen sieht auch die Möglichkeit vor, Vakzine in Drittländer zu
exportieren, zur Not sogar als Spende. Diesen deutsch-europäischen Deal
möchte von der Leyen nicht platzen lassen.
[3][Bisher haben die USA und Großbritannien ihre Impfstoffproduktion
weitgehend im eigenen Lande behalten.] Dies sieht Brüssel als wichtigen
Grund für die akute Impfstoffknappheit in den ärmeren Ländern. „Macht es
wie wir: produziert und exportiert“, so die inoffizielle EU-Devise. Sie
wird von Deutschland geteilt, das mit Biontech und Curevac auch die größten
Produzenten beheimatet.
„Entscheidend ist vor allem der weitere Ausbau von Produktionsstätten“,
erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn in Berlin. Der CDU-Politiker
appellierte an die USA, ihre Politik zu ändern: Staaten, in denen Impfstoff
produziert werde, müssten bereit sein, diesen auch zu exportieren. Einer
Freigabe der Patente hingegen steht Spahn skeptisch gegenüber.
Spahns Haltung wird von Biontech-Chef Uğur Şahin geteilt. Der Verzicht auf
geistige Eigentumsrechte sei nicht der richtige Weg, um die Produktion von
Covid-19-Impfstoffen zu erhöhen, sagte er. Biontech setze auf Kooperationen
mit ausgewählten Partnern, da der Impfstoff schwierig herzustellen sei.
## Die Ablehungs-Front bröckelt
Wesentlich wendiger als Deutschland zeigt sich Frankreich. Bisher hatte
Paris die Öffnung der Rechte abgelehnt. Nun erklärte Staatspräsident
Emmanuel Macron, er sei „absolut dafür, dass das geistige Eigentum
aufgehoben wird“. Impfstoffe müssten zum „weltweiten öffentlichen Gut“
werden. Erste Priorität sei es aber, Entwicklungsländern „Dosen zu spenden�…
und Impfstoffe „in Partnerschaft mit den ärmeren Ländern zu entwickeln“.
Damit bröckelt die Ablehnungs-Front in der EU. Zuvor hatte sich Polen für
eine Freigabe der Patente ausgesprochen. Auch im Europaparlament deutet
sich ein Meinungsumschwung an. Linke und Grüne werben zwar bereits seit
Wochen für eine Öffnung. Doch erst jetzt finden sie Gehör. „Die EU ist der
letzte Ort auf der Welt, wo noch die Profite von Big Pharma über die
Gesundheit gestellt werden“, klagt die französische Linken-Abgeordnete
Manon Aubry. Die EU müsse nun den transatlantischen Schulterschluss üben
und den USA folgen. Es ist ein Seitenhieb auf von der Leyen – denn die
präsentiert sich gern als größte Freundin Amerikas.
6 May 2021
## LINKS
[1] /Rechte-an-Corona-Impfstoffen/!5759005
[2] /Zugespitzte-Coronalage-in-Indien/!5768539
[3] /Ausfuhrkontrollen-fuer-Impfstoffe/!5743264
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Patente
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Schlagloch
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