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# taz.de -- Palästinensische Gebiete: Abbas sagt Wahlen ab
> Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hat die ersten Wahlen seit 15 Jahren
> abgesagt. Verantwortlich macht er Israel, doch ihm nützt die
> Entscheidung.
Bild: Protest im Gaza-Streifen am Donnerstag gegen die sich abzeichnende Wahlab…
Tel Aviv taz | Der Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hat in der Nacht
auf Freitag die geplanten Parlaments- und Präsidentschaftschaftswahlen auf
unbestimmte Zeit verschoben. Verantwortlich für seinen Schritt machte er
Israel: „Wir haben beschlossen, die Wahl zu verschieben, bis die Teilnahme
unseres Volkes in Jerusalem garantiert ist“, sagte er im palästinensischen
Fernsehen.
Laut Abbas hätten die israelischen Behörden in einem Schreiben am
Donnerstag argumentiert, dass sie sich noch nicht auf die Möglichkeit einer
Wahl in Ostjerusalem festlegen könnten, weil auch Israel nach der letzten
Wahl noch keine neue Regierung habe.
Der Status der Stadt ist einer der zentralen Streitpunkte im
Nahostkonflikt. Israel beansprucht Jerusalem als „ewige und unteilbare
Hauptstadt“ für sich. Die Palästinenser halten ihrerseits an ihrem Anspruch
auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt fest.
Es wären die ersten Wahlen seit 15 Jahren gewesen. Zuletzt haben die
Palästinenser*innen 2006 ihr Parlament gewählt. Abbas hatte seitdem
oft Wahlen angekündigt und sie kurz danach wieder abgesagt.
## Bevölkerung hatte sehr großes Interesse an den Wahlen
Doch dieses Mal waren die Vorbereitungen für die für den 22. Mai
angesetzten Parlamentswahlen bereits im vollen Gange. 36 Listen hatten sich
innerhalb kürzester Zeit zusammengefunden und Kandidat*innen
aufgestellt.
Auch die Bevölkerung war nach der langen Zeit ohne Wahlen erstaunlich
aktiv: 93 Prozent der 4,5 Millionen Wahlberechtigten hatten sich laut der
zentralen Wahlkommission für den Urnengang registrieren lassen.
„Ich bezweifle, dass irgendjemand glaubt, dass Jerusalem der wirkliche
Grund für die Absage ist“, sagt Khalil Shikaki, Professor für
Politikwissenschaften und Direktor des Palästinensischen Zentrums für
Politik und Umfragenforschung (PSR) gegenüber der taz: „Alle halten dies
für einen Vorwand.“
Viele Palästinenser*innen werfen dem Palästinenserführer Korruption
und Vetternwirtschaft vor und machen das Ausscheren von zentralen Figuren
aus der Fatah für den Schritt verantwortlich. Ein Sieg von Abbas'
Fatah-Liste schien mit der Konkurrenz immer unwahrscheinlicher.
## In Umfragen lag Abbas deutlich zurück
Der ehemalige Fatah-Sicherheitschef und erbitterte Abbas-Rivale Mohammad
Dahlan schickte aus dem Exil in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine
Gruppe von Kandidat*innen ins Rennen. Und der im israelischen Gefängnis
sitzende Marwan Barghouti tat sich mit Nasser al-Kidwa, dem Neffen Yassir
Arafats, zusammen.
Barghouti, so munkelte man, wollte dann zur Präsidentschaftswahl antreten,
die für den 31. Juli geplant war. Dort wäre er dem 85-jährigen Abbas mehr
als gefährlich geworden. Denn laut einer PSR-Umfrage von Mitte März
wünschten sich 48 Prozent der Befragten Barghouti als Präsidenten, Abbas
aber nur 29 Prozent. Doch mit den Wahlen für das Parlament sagte Abbas nun
auch die für das Präsidentenamt ab.
Die den Gazastreifen kontrollierende extremistische
Palästinenser*innenorganisation Hamas lehnt die Entscheidung ab
und spricht von einem „Putsch“. Die letzten Wahlen 2006 hatten zu einem
Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah geführt. Die Spaltung hatte seitdem
gemeinsame Wahlen unmöglich gemacht. Doch im Februar hatten sich die
verfeindeten Parteien überraschend auf gemeinsame Bedingungen zur Abhaltung
einer gemeinsamen Wahl geeinigt.
„Die Hamas ist wahrscheinlich die Partei, die am meisten an den Wahlen
interessiert ist“, erklärt Shikaki. Sie habe nicht auf einen Sieg
abgezielt, sondern eher darauf, die Regierungsfunktion im Gazastreifen, die
für ein Absinken ihrer Popularität gesorgt hat, abzugeben und gleichzeitig
im Westjordanland politische Legitimität zu erhalten. Derzeit sind ihr
politische Aktivitäten im Westjordanland untersagt.
## Israel, USA und EU: Sorge vor Hamas-Sieg
Die EU und die USA hatten zwar die Ankündigung von Wahlen unterstützt,
sorgten sich jedoch wie Israel um einen möglichen Wahlsieg der Hamas, die
internationale Forderungen wie Gewaltverzicht und die Anerkennung des
Existenzrechts Israels nicht akzeptiert.
Die meisten Expert*innen gehen davon aus, dass Abbas mit seiner
[1][Ankündigung von Wahlen] zumindest den Anschein von Einheit erwecken
wollte und mit einer durch Wahlen legitimierten Führung die Beziehungen in
das mittlerweile von [2][Joe Biden] bewohnte Weiße Haus in neue Fahrwasser
zu lenken. Nach den für die Palästinenser*innen katastrophalen Jahren
unter dem vormaligen US-Präsidenten Donald Trump wäre dies, darin sind sich
wohl fast alle Palästinenser*innen einig, bitter nötig.
30 Apr 2021
## LINKS
[1] /Spaltung-zwischen-Fatah-und-Hamas/!5744565
[2] /Bidens-Einfluss-auf-den-Nahostkonflikt/!5742125
## AUTOREN
Judith Poppe
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