| # taz.de -- Staatsanwaltschaft muss doch ermitteln: Kein Freibrief für Volksve… | |
| > „Judenpresse“ riefen im November in Braunschweig Rechtsextreme | |
| > Journalist*innen zu. Die Generalstaatsanwaltschaft fordert nun | |
| > Ermittlungen. | |
| Bild: Wollen keine Nazis in der Stadt: Braunschweiger Gegendemonstrant:innen | |
| Hamburg taz | Die Aussage von Martin Kiese ist eindeutig. „Judenpresse (…) | |
| Feuer und Benzin für euch“, sagte der stellvertretende Kreisvorsitzende der | |
| neonazistischen Partei „Die Rechte“ Braunschweig / Hildesheim bei einem | |
| Aufmarsch in Braunschweig zu anwesenden Journalisten. Eine Drohung, die die | |
| Staatsanwaltschaft Braunschweig im Februar aber nicht als eine solche | |
| bewertete. | |
| Am Dienstag nun ordnete die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig weitere | |
| Ermittlungen gegen das Mitglied der rechtsextremen Kleinstpartei an. Die | |
| Staatsanwaltschaft muss nun „wegen Verdachts der Volksverhetzung und | |
| Beleidigung“ wieder ermitteln. Die Generalstaatsanwaltschaft hat damit die | |
| erste Entscheidung aufgehoben und „mehreren Beschwerden stattgegeben“, | |
| heißt es in einer Pressemitteilung. | |
| Am 15. November vergangenen Jahres hatte Kiese bei einer Veranstaltung von | |
| „Die Rechte“ zum Volkstrauertag die Drohung ausgesprochen und auch gleich | |
| noch von „Judenpack“ gesprochen. [1][Ein kurzes Video des Journalisten | |
| Moritz Siman] dokumentiert die Aktion. Keine 20 Sekunden lang ist der Clip | |
| mit dem 51-jährigen „Urgestein“ der regionalen Szene, der schon bei der | |
| verbotenen „Freiheitlichen Partei Deutschlands“ (FAP) aktiv war. Mit einem | |
| Stock in der Hand läuft er über eine Wiese, die Worte sind deutlich zu | |
| hören. Bei Twitter hatte Siman den Auftritt beim „Heldengedenken“ noch am | |
| selben Tag veröffentlicht. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. | |
| Knapp drei Monate später [2][fasst der Journalist David Janzen] aus | |
| Braunschweig bei der Staatsanwaltschaft nach und erfuhr, dass die | |
| Ermittlungen eingestellt wurden. „Die Worte ‚Jude‘ und ‚Judenpresse‘ … | |
| insoweit schon objektiv keine Beleidigungen – ebenso wenig wie ‚Christ‘ | |
| oder ‚Moslem‘„, erklärte ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft in ei… | |
| Stellungnahme. Die „Bezeichnung ‚Pack‘“ wäre durchaus eine Beleidigung, | |
| doch die Geschädigten hätten hierzu keinen Strafantrag gestellt, führte der | |
| Pressesprecher aus. | |
| ## Schwelle der Strafbarkeit | |
| Zudem habe sich die „Aussage 'Feuer und Benzin für euch“ nicht auf „einen | |
| abgrenzbaren Teil der Bevölkerung“ bezogen, „wie dies für eine | |
| Volksverhetzung erforderlich gewesen wäre. Pressevertreter, auf die diese | |
| Aussage möglicherweise bezogen gewesen sei, würden keinen solchen | |
| abgrenzbaren Bevölkerungsteil darstellen. Der Aussage fehle zudem der | |
| erforderliche Appellcharakter, sagt der Pressesprecher und fasst zusammen, | |
| dass „die Aussage ‚Feuer und Benzin für euch‘ (…) sicherlich grenzwert… | |
| sei, „die Schwelle zur Strafbarkeit“ sei „aber noch nicht überschritten�… | |
| Die Einstellung des Verfahrens blieb nicht ohne Folgen. In den vergangenen | |
| Monaten erfolgten immer wieder antisemitische [3][Äußerungen bei rechten | |
| Aktionen], sagt Janzen, der seit Jahren massiv aus der rechtsextremen Szene | |
| bedroht wird. Erst am 2. Mai riefen ihm bei einer | |
| „Querdenker“-Demonstration in Braunschweig Anhänger der „Rechten“, die… | |
| mit eingereiht hatten, die Worte „Juden-Janzen“ und „Geh nach Israel“ zu | |
| und verbreiten seine Wohnadresse. | |
| Auch „Die Rechte“ hatte am 16. Februar die Einstellung öffentlich gemacht. | |
| „Hier mal etwas positives (sic!) von der Staatsanwaltschaft“, schrieben sie | |
| bei Twitter, darunter die Hashtags „#Judenpresse“, „#FeuerundBenzin“ und | |
| „#Meinungsfreiheit“. Im März veröffentlichte die Partei zudem eine | |
| angeblich „ironische“ Umfrage zu einer ihrer Kundgebungen, in der sie | |
| fragte, ob man komme. Eine der möglichen Antwort zum Ankreuzen: „Ja, aber | |
| ich bin von der Presse aus Israel“. | |
| Auf das fatale Signal, das von der Einstellung des Verfahrens ausgegangen | |
| sei, wies auch die Antisemitismusbeauftragte des Landesverbandes der | |
| Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen, Rebecca Seidler, hin. Es | |
| sei nicht „hinnehmbar, dass Rechtsextreme antisemitische Äußerungen tätigen | |
| können ohne Konsequenz“, sagte sie. | |
| ## Staatsanwaltschaft stellte Freibrief aus | |
| Helge Regner von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus | |
| Niedersachsen (Rias) ist überzeugt, dass die Kontextualisierung der | |
| Aussagen die Botschaft deutlich macht. Es sei nicht überraschend, dass | |
| Mitglieder von „Die Rechte“ bei einem Aufmarsch | |
| Gegendemonstrant*innen Sätze wie diese zuriefen: „Das deutsche Volk | |
| will Euch in die Gaskammer packen.“ Regelmäßig werde „Nie wieder Israel“ | |
| skandiert. Kiese habe zudem gerufen: „Auf zur Synagoge“. | |
| „De facto stellte die Staatsanwaltschaft Martin Kiese mit ihrer Einstellung | |
| des Verfahrens einen Freibrief aus, weiterzuhetzen“, resümiert Rias. Auch | |
| der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von | |
| Niedersachsen, Michael Fürst, legte gegen die Entscheidung Einspruch ein. | |
| Dieser „Freibrief“ könnte nun entzogen werden. Die | |
| Generalstaatsanwaltschaft erklärte jetzt, dass die „mutmaßlichen Äußerung… | |
| des Beschuldigten“ einen Anfangsverdacht für den Tatbestand der | |
| Volksverhetzung und Beleidigung darstellten, so dass weitere Ermittlungen | |
| geboten seien. Ob aber auch eine Anklageerhebung folgte, könnten jedoch | |
| erst die Ermittlungen ergeben. | |
| 14 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://dokurechts.de/beschimpfung-von-journalisten-als-judenpresse-und-dro… | |
| [2] /Drohungen-gegen-Journalisten/!5685763 | |
| [3] /NPD-Kundgebung-in-Braunschweig/!5720966 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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