| # taz.de -- Anklage im dritten Anlauf: „Judenpack“ vielleicht doch Hetze | |
| > Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft klagt nun doch den Rechtsextremen | |
| > Martin Kiese an. Der habe Pressevertreter antisemitisch beleidigt. | |
| Bild: Beim Hetzen erwischt: Martin Kiese mit Kranz beim Volkstrauertag 2020 | |
| Hamburg taz | Im dritten Anlauf kommt es zur Anklage: Die | |
| Staatsanwaltschaft Braunschweig will nun doch Martin Kiese wegen | |
| Volksverhetzung belangen. Auf einer rechtsextremen Veranstaltung am | |
| Volkstrauertag 2020 in Braunschweig hatte das Bundesvorstandsmitglied der | |
| Kleinstpartei „Die Rechte“ Journalisten zugerufen: „Judenpresse!“, | |
| „Verdammte, Feuer und Benzin für euch!“ und „Judenpack“. Ein kurzes Vi… | |
| des Journalisten Moritz Siman dokumentierte die antisemitische Bedrohung. | |
| Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte jedoch 2021 [1][und 2022 das | |
| Verfahren ein]. Am Mittwoch teile der Pressesprecher der | |
| Staatsanwaltschaft, Hans-Christian Wolters, nun aber mit, gegen „einen | |
| 53-jährigen Braunschweiger“ werde Anklage wegen Volksverhetzung und | |
| Beleidigung erhoben. Die Staatsanwaltschaft hält ihm nun vor, bei einer | |
| „Versammlung von etwa 50 Rechtsextremisten auf dem Löwenwall“ in Richtung | |
| „mehrerer Pressevertreter“ die inkriminierten Worte geäußert zu haben. | |
| Nach der ersten Einstellung waren bereits verschiedene Beschwerden erhoben | |
| worden. Eine dieser Beschwerden hatte das Ehepaar Bernadette und Joachim | |
| Gottschalk gestellt, da sie in dem Ausruf eine „öffentliche, | |
| antisemitische, hetzerische Vernichtungsproklamation gegen das Judentum, | |
| gegen jede einzelne jüdische Person unserer Gesellschaft“ sahen. | |
| Die Antisemitismusbeauftragte des Landesverbandes der israelitischen | |
| Kultusgemeinden von Niedersachsen, Rebecca Seidler, sagte damals: Es sei | |
| „nicht hinnehmbar, dass Rechtsextreme antisemitische Äußerungen tätigen | |
| können, ohne Konsequenzen“. Der Volkstrauertag sei ein Gedenktag in | |
| Deutschland. Er erinnere an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft | |
| aller Nationen. | |
| ## Neue Bewertung durch NS-Geschichte | |
| Die Generalstaatsanwaltschaft [2][hob die Entscheidung auf]. Die | |
| Staatsanwaltschaft ermittelte erneut und sah den Tatbestand der | |
| Volksverhetzung erneut nicht gegeben. | |
| In der Mitteilung erklärt Wolters, den Einstellungen hätten „formale | |
| Erwägungen zu Grunde“ gelegen. So habe es zum Zeitpunkt der ersten | |
| Verfahrenseinstellung insbesondere an wirksamen Strafanträgen zur | |
| Verfolgung der Beleidigung gefehlt. Beide Einstellungen beruhten zudem auf | |
| der Einschätzung, dass es sich bei den Äußerungen des Beschuldigten (noch) | |
| nicht um eine strafbare Volksverhetzung handele. | |
| Die neue Bewertung des Tatbestandes ergab sich für die Staatsanwaltschaft | |
| aber jetzt „durch die Auswertung historischer Quellen aus der Zeit des | |
| Nationalsozialismus“. Ein Leitartikel aus Der Freiheitskampf sei mit | |
| entscheidend gewesen, sagte Wolters zur taz. In der Tageszeitung der NSDAP | |
| für Sachsen war am 7. März 1931 auf der Titelseite ein Leitartikel mit der | |
| programmatischen Überschrift „Nieder mit der Judenpresse“ erschienen. | |
| Der Text lege nahe, meint Wolters, dass die gesamte nicht rechte Presse | |
| damals gemeint gewesen sei. Eine Zeichnung verstärkt die Textbotschaft: | |
| Einem vermeintlich jüdisch aussehenden Journalisten schlägt eine übergroße | |
| Faust ins Gesicht. | |
| Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, „dass es dem Beschuldigten zum einen | |
| darauf ankam, die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Juden zu | |
| verunglimpfen. Zum anderen wollte der Beschuldigte durch seine | |
| diffamierenden Äußerungen zu Gewalt- und Willkürakten gegen die | |
| vermeintliche ‚Judenpresse‘, unter der nach Auffassung des Beschuldigten | |
| offenbar alle nicht nationalsozialistischen und nicht rechtsextremistischen | |
| Medien verstanden werden sollen, aufstacheln“. Da im Video noch zwei | |
| weitere Rechtsextreme zu sehen seien, könnte auch der Tatbestand der | |
| Aufstachelung gegeben sein. | |
| Die vorherigen Verfahrenseinstellungen hatten Kiese, der schon in der | |
| verbotenen „Freiheitlichen Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv war, | |
| offenbar ermuntert: Er ist seitdem bei weiteren Aktionen in Braunschweig | |
| aufmarschiert. Gleichgesinnte riefen dort „Nie wieder Israel“ und „Das | |
| deutsche Volk will dich/ euch in die Gaskammer packen“. „Auf zur Synagoge�… | |
| soll Kiese ergänzt haben. | |
| 28 Jun 2023 | |
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| Andreas Speit | |
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