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# taz.de -- Kinotipp der Woche für Berlin: Stimme der Arbeit
> Ausgewählte Werke der Dokumentarfilmerin Atteyat Al Abnoudy kommen aus
> dem alternativen Filmzentrum Cimatheque in Kairo ins Arsenal.
Bild: Szene aus Atteyat Al Abnoudys „Buyers and Sellers“
Mit den Gondeln eines Mini-Riesenrads wird die Kamera wieder und wieder auf
eine Gruppe Kinder zu geschleudert, die darauf warten, sich ihrerseits von
dem Fuhrwerk in die Höhe reißen zu lassen. „Sad Song of Touha“ der
ägyptischen Dokumentarfilmerin Atteyat Al Abnoudy widmet sich den
Schausteller_innen auf den Straßen Kairos, zeigt ihre Proben, das harte
Training, die Auftritte in den Straßen.
Die Armut ist den Auftretenden ebenso in Körper und Gesichter geschrieben
wie ihrem Publikum. Die ärmlichen Verhältnisse des Gezeigten und die
spärlichen filmischen Mittel lassen die Bilder wirken als stünde in ihnen
die Zeit still. Unmöglich zu sagen, in welchem Jahrzehnt des 20.
Jahrhunderts wir uns befinden. „Sad Song of Touha“ entstand als
Abschlussfilm zu Al Abnoudys Filmstudium in Kairo.
Al Abnoudy war die erste, die ihr Studium am Higher Institute of Cinema mit
einem Dokumentarfilm abschloss. Er ist einer der ältesten in der
Retrospektive, die das Arsenal Al Abnoudy nun im Streamingangebot Arsenal 3
widmet. Die [1][Onlineretrospektive] im Rahmen des Projektes [2][„Archive
außer sich“] ist die Wiederaufnahme einer Retrospektive, die die
Cimatheque, ein alternatives Filmzentrum in Kairo der Regisseurin 2018
anlässlich ihres Todes widmete und die damals auch im Arsenal zu sehen war.
Atteyat Al Abnoudy, geboren 1939, war eine Pionierin des Dokumentarfilms in
Ägypten. Nach dem Sturz Mubaraks wurde sie zu so etwas wie einer Patronin
der Cimatheque als sie dem Filmzentrum einen Großteil ihrer Filme
anvertraute, um diese zu erhalten und vor allem sichtbar zu halten.
## Weg in die Ziegelei
Lehmziegel ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk von Al Abnoudy.
Auch „Horse of Mud“ entstand noch während Al Abnoudys Filmstudium. Entgegen
des Titels stehen im Zentrum des Films junge Frauen, die in einer Ziegelei
arbeiten. Die Pferde kommen später dazu, der „Schlamm“ ist der Lehm den sie
mischen, indem sie von einer Peitsche im Kreis laufen.
Das Besondere an Al Abnoudys Film ist jedoch nicht, dass sie die
routinierte Produktion von Lehmziegeln zeigt, sondern dass sie den
Arbeiterinnen der Ziegelei eine Stimme gibt. Zu den Bildern der Arbeit
erzählt eine Frau von ihrem Weg in die Ziegelei und ihrem Einkommen, das
ihr nicht nur erlaubt, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken, sondern ab
und an sogar ins Kino zu gehen. Stolz schwingt in dieser Erzählung mit. Die
Bilder der Arbeit in „Horse of Mud“ zeugen von der Faszination für die
eingespielten Abläufe und Handgriffe der Arbeiterinnen, romantisieren die
Arbeit jedoch nicht. Der Film gewann zahlreiche Preise auf internationalen
Festivals.
Ende der 1980er Jahre tauchen die Lehmziegel ein weiteres Mal auf: in dem
einstündigen Dokumentarfilm „Rhythm of Life“. Der Film beginnt mit Arbeit
und Alltag von Bäuer_innen in Oberägypten: ein Händler reitet auf einem
Esel ins Dorf, eine Bäuerin erzählt aus ihrem Leben, ein Mann berichtet von
der Tradition der Ölmühlen, die über Generationen weiter gegeben wurde. In
der Vielzahl der Tätigkeiten, den Erzählungen der Bäuer_innen formt der
Film ein Panorama bäuerlichen Lebens in Ägypten.
Zehn Filme Atteyat Al Abnoudys aus einem Zeitraum von etwa 20 Jahren bietet
das Arsenal zum Streamen an. So unterschiedlich die Filme sind, gemeinsam
ist ihnen, dass sie sich jenseits allen Glamours bewegen, die Armut der
ägyptischen Landbevölkerung zeigen, jedoch ohne jede Herablassung.
Die Trennung von Bild und Tonebene war schon zu Zeiten von Al Abnoudys
Filmstudium keine technische Notwendigkeit mehr. Doch die Ausstattung des
Higher Institute of Cinema zwang sie dazu, diese Praxis aus früheren Jahren
fortzuführen. Al Abnoudy hat sich diese Arbeitsweise anverwandelt und sie
dazu genutzt, Menschen eine Stimme zu geben, die im auch im ägyptischen
Kino nur selten Gehör fanden.
8 May 2021
## LINKS
[1] https://www.arsenal-berlin.de/en/arsenal-cinema/current-program/single/arti…
[2] https://www.arsenal-berlin.de/living-archive/projekte/archive-ausser-sich-2…
## AUTOREN
Fabian Tietke
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