# taz.de -- Freie Evangelikale in der Türkei: Hans will bleiben | |
> Deutsche Evangelikale wie Hans-Jürgen Louven werden aus der Türkei | |
> ausgewiesen. Die Bundesregierung schweigt wohl aus diplomatischen | |
> Gründen. | |
Bild: Hans-Jürgen Louven in seiner türkischen Ecke in Bludenz, Österreich | |
FELDKIRCH Der Weg zum Abendmahl windet sich von der österreichischen Stadt | |
Feldkirch zwischen Nadelwäldern und Kalkmassiven einen Hang hinauf. Die | |
harte Erde ist von Wurzeln durchzogen und von Steinen durchsetzt. | |
Rund 30 Mitglieder der Freien Evangelikalen Gemeinde Feldkirch stapfen den | |
Pfad empor. Sie lesen sich dabei aus der Bibel vor. „Das Reich, dessen | |
König ich bin, ist nicht von dieser Welt …“ Am Ende des Weges ist zwischen | |
den Tannen eine mittelalterliche Burg zu erkennen, darüber schwarze Wolken. | |
Jeden Moment könnte es regnen. | |
Es ist Anfang April, Karfreitag, Hans-Jürgen Louven, die Arme hinterm | |
Rücken gekreuzt, den Kopf beim Laufen weit nach vorn geneigt, sticht mit | |
seinen 1,89 Meter aus der Gruppe hervor. „Wenn nicht alles so schief | |
gelaufen wäre, wäre ich dieses Ostern vielleicht ans Meer gefahren“, sagt | |
er. „An einen der schönsten Strände der Türkei.“ Louven sehnt sich nicht | |
nach Urlaub, er sehnt sich nach einem Lebensgefühl. | |
Louven wurde 2019 aus der Türkei ausgewiesen – seiner Wahlheimat, seinem | |
Sehnsuchtsort. Er wurde von seiner türkischen Gemeinde getrennt, von seinen | |
türkischen Freunden und Nachbarn. | |
Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit ist in der Türkei eine Abschiebewelle | |
im Gange, die religiös motiviert zu sein scheint. Nach Angaben der | |
Vereinigung Protestantischer Kirchen wurden in den vergangenen zwei Jahren | |
65 Christen aus verschiedensten Ländern aus der Türkei ausgewiesen. | |
Der Wind bläst feuchtkalt über die Hänge. Louven und seine neue Gemeinde | |
finden hinter den Mauern der Burg Schutz. Plastikbecher gehen herum, | |
Traubensaft und Brotecken. Louven senkt den Kopf, schließt die Augen und | |
hört den Versen zu. „Dieser Becher ist der neue Bund, besiegelt mit meinem | |
Blut, das für euch vergossen wird …“ | |
Nach dem Abendmahl kommt Louven erbittert auf seine erzwungene Ausreise | |
zurück: „Dass wir von der türkischen Regierung auf diese krasse Weise | |
behandelt wurden, ist ’ne harte Nummer“, sagt er. „Die Bundesregierung | |
müsste das laut und deutlich zur Sprache bringen.“ Das tut sie aber nicht. | |
Louven ist deutscher Staatsbürger, trotzdem weigert sich das Auswärtige | |
Amt, sich zu äußern. | |
Die deutsch-türkischen Beziehungen sind aufgeladen: das ewige Ringen um den | |
EU-Beitritt, umstrittene Wahlkampfauftritte, das Flüchtlingsabkommen. | |
Kräftig auf den Tisch zu hauen, war in all diesen Fragen [1][nie der Kurs | |
der Bundesregierung]. In der Diplomatie heißt es oft, dass Gespräche im | |
stillen Vertrauen zielführender sind. Aber nach zwei Jahren noch immer | |
Schweigen? Louven glaubt, dass Berlin mit der Religionsfreiheit nicht noch | |
ein diplomatisches Minenfeld betreten will. „Wir sind da vielleicht nicht | |
wichtig genug“, sagt er. | |
Verglichen mit Zehntausenden Türken, die vom Regime Recep Tayyip Erdoğans | |
[2][als Putschisten festgenommen wurden] oder mit den [3][Abgeordneten der | |
linken Oppositionspartei HDP], die in die Illegalität getrieben werden, mag | |
das Schicksal von ein paar Dutzend Christen tatsächlich nicht so bedeutsam | |
wirken. Doch für die betroffenen Menschen geht es um viel. | |
Nicht weit von der Burg entfernt, sitzt Louven in seiner neuen Wohnung. Er | |
ist jetzt das, was man in der Türkei „Hanım Köylü“ nennt: Ein Mann, der… | |
Dorf seiner Frau wohnt. Die ist Österreicherin. Zwischen Küche und | |
Esszimmer hat Louven in dem modernen Neubau eine türkische Ecke | |
eingerichtet. Dicke Kissen liegen auf feingemusterten Teppichen. Daneben | |
stehen ein glänzendes Teeservice und Mokka-Pötte. Louven packt ein | |
Fotoalbum aus. Mehr als 20 Jahre Leben in der Türkei – zusammengepresst auf | |
ein Stoß Papier. „Ich habe das Land und die Leute geliebt“, sagt Louven. Er | |
zeigt auf ein Bild der denkmalgeschützten Altstadt von Muğla. „Die Straßen | |
sind da so schmal, dass keine Autos fahren“, sagt er. Louven spricht von | |
„Herrn Hassan“, der beim Restaurieren seines Grundstücks geholfen hat, er | |
erinnert sich an den Walnussbaum in seinem Innenhof. „Ein einzigartiger | |
Ort.“ Louven hat sich in der Türkei eine Existenz aufgebaut. Er hat sich | |
eine kleine Welt geschaffen, die im Einklang mit seinem Glauben steht. | |
Louven kam 1961 in Uerdingen am Niederrhein zur Welt. Abitur, | |
Sportwissenschaft an der Uni Köln, Biologie auf Lehramt. Er traf auf eine | |
Gruppe von Studenten, die einmal die Woche über „Lebensfragen“ sprachen. | |
Louven entdeckte, was er heute eine „lebendige Beziehung zu einem | |
lebendigen Gott“ nennt. Er entschied sich, sein Leben Jesus zu widmen. Dann | |
spürte er schnell, dass er dieses „Geschenk“ weitergeben möchte. Louven | |
begann eine theologische Ausbildung. Zum Abschluss reiste er erstmals in | |
die Türkei. Organisiert wurde der Trip von einer christlichen | |
Missionsgesellschaft. | |
Angekommen in der Provinz Muğla war Louven überwältigt. Ein großer Teil der | |
neutestamentlichen Geschichte spielt in der Türkei. Louven erkundete die | |
Ruinen von Ephesos, Hierapolis und Laodizea, und er dachte an die Bibel: | |
„Sie haben alle Versammlungsstätten Gottes im Land verbrannt … Kein Prophet | |
ist mehr da, und keiner bei uns ist da, der weiß, bis wann.“ Noch als | |
junger Mann kam Louven immer wieder in die Türkei. Bald stand für ihn fest, | |
dass er nicht nur seinen Glauben, sondern auch seine Art, das Land zu | |
erkunden, teilen wollte. Louven entschied, selbst Reisen für Christen in | |
die Türkei zu organisieren. Mitte der 1990er Jahre zog er mit seiner Frau | |
nach Muğla. | |
Vielleicht ist auch das ein Grund, warum die Bundesregierung sich nicht | |
öffentlichkeitswirksam für die Verstoßenen einsetzt. Viele der | |
Ausgewiesenen sind Missionare. Wenn im Kalkül diplomatischer Wagnisse das | |
Solidarisierungspotenzial der Gesellschaft mit den Betroffenen eine Rolle | |
spielt, ist es in diesem Fall womöglich kein Argument. Anders als bei | |
provokanten Journalisten oder mutigen Menschenrechtsaktivisten. Beim | |
Stichwort „[4][evangelikal]“ ist die Skepsis wohl besonders groß. Louven | |
klagt über „Gender-Mainstreaming“, er vergleicht die Zahl täglicher | |
Coronatoter mit der Zahl [5][abgetriebener Kinder], und er weiß, dass er | |
damit in Deutschland aneckt. | |
Louven hat viel in die Türkei investiert. Er kaufte einen alten Ford | |
Transit, um seine Besucher zu den heiligen Stätten zu bringen. Er baute | |
zwei Gästehäuser auf. Er renovierte eine 3.000 Quadratmeter große Farm mit | |
Volleyballfeld und Grillplatz. Alles im Rahmen der türkischen Gesetze. | |
Jetzt kämpft er um sein Recht – mit einem Staat, der kein Rechtsstaat mehr | |
ist. | |
In der Türkei sind fast alle Bürger Muslime, doch das Land ist eigentlich | |
eine laizistische Nation. Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk sah die | |
Zukunft im Westen, deshalb ließ er die Trennung von Staat und Religion in | |
der Verfassung verankern. Seit 1991 sind ausdrücklich auch religiöse | |
Missionstätigkeiten erlaubt. | |
Louven zückt ein Schreiben des Bürgermeisteramts von Muğla aus dem Jahr | |
2000. „Wie es ja auch in der türkischen Verfassung durch die Trennung von | |
Staat und Religion gewährleistet ist, versichern wir Ihnen, dass sowohl die | |
Beschäftigten Ihrer Gesellschaft als auch Ihre Gäste sich gemäß ihres | |
Glaubens frei verhalten und bewegen können“, steht darin. „Ich bin | |
überzeugt, wenn sich Menschen unterschiedlicher Kultur- und | |
Glaubensüberzeugungen gut verstehen, leistet das einen wichtigen Beitrag | |
zum Weltfrieden und zur Völkerverständigung.“ Ein ähnliches Schreiben hat | |
Louven von der Provinzregierung bekommen. Louven, der fließend Türkisch | |
spricht, glaubt, dass auch die Bürger ihn herzlich aufgenommen hätten. „Wir | |
haben Touristen in die Türkei gebracht, die sich wirklich für Land und | |
Leute interessieren“, sagt er. Seine Gäste seien positiv aufgefallen, weil | |
sie nicht schon mittags alkoholisiert am Strand gelegen hätten oder in den | |
Augen der Einheimischen halbnackt herumgerannt seien. | |
Als Louven im Sommer 2019 das Migrationsamt in Muğla aufsuchte, um | |
routinemäßig seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, ahnte er nicht, dass | |
seine Tage gezählt waren. Eine Mitarbeiterin sagte ihm, dass eine Anordnung | |
aus Ankara eingegangen sei: Er müsse die Türkei binnen zehn Tagen | |
verlassen. „Ich habe meinen Freundeskreis kontaktiert“, sagt Louven, „auch | |
für Gebete.“ | |
Viele der anderen Evangelikalen bekamen nicht mal ein Ultimatum. Einige | |
berichten, auf dem Weg in den Urlaub am Flughafen informiert worden zu | |
sein, dass sie nicht wieder einreisen dürfen. Andere wurden ohne Vorwarnung | |
nach einem Auslandsaufenthalt nicht mehr ins Land gelassen. Sie hatten | |
keine Chance, Vorkehrungen zu treffen – für ihre Autos, Immobilien, Freunde | |
und Familien. Die Behörden griffen auch die ausländischen Lebensgefährten | |
von türkischen Evangelikalen an. Für sie waren die Ereignisse besonders | |
tragisch. Plötzlich mussten sich türkische Staatsbürger entscheiden, ob sie | |
ihre Heimat aufgeben oder ihre Ehe. Erklärungen lieferten die türkischen | |
Behörden den Betroffenen nie: In den Dokumenten waren für die Ausweisung | |
„andere Gründe“ angekreuzt. | |
Louven blickt von seinem Balkon auf die schneebedeckten Alpen. Auch zwei | |
Jahre nach seiner Ausweisung weiß er nicht genau, warum er gehen musste. | |
„Die Beamten am Flughafen haben mir einen Code auf mein Ticket | |
geschrieben“, erinnert er sich. „N82.“ Hinter dem Code verbirgt sich | |
mehrerer Betroffener zufolge eine Einstufung als „nationales | |
Sicherheitsrisiko“. Louven ist überzeugt, dass die türkischen Behörden | |
nicht offen über ihre Gründe sprechen könnten, weil sie im Widerspruch zur | |
laizistischen Verfassung der Türkei stünden. Er glaubt, dass er als | |
„Risiko“ eingestuft wurde, weil er ein evangelikaler Christ ist. Die | |
türkische Botschaft in Wien reagierte nicht auf eine Interviewanfrage, um | |
zu diesen Vermutungen Stellung zu nehmen. | |
Seit das Bürgermeisteramt Muğlu den Missionar Louven ermutigt hat, in den | |
Glaubenstourismus in der Türkei zu investieren, ist viel passiert: 2002 | |
übernahm die religiös-konservative Partei Erdoğans die Regierung. Kämpfe um | |
Kopftücher an Universitäten entbrannten, Steuern auf Alkohol stiegen, der | |
sunnitische Islam erlebte eine Renaissance im öffentlichen Leben. Doch der | |
Schluss, dass Erdoğan im Namen des Islam gegen religiöse Minderheiten in | |
der Türkei vorgeht, wird der Komplexität der Lage nicht gerecht. | |
Trotz des verfassungsrechtlich verbrieften Laizismus hatten es religiöse | |
Minderheiten lange vor der Renaissance des Islam im öffentlichen Leben | |
schwer in der Türkei. Missionare hatten in nationalistischen Kreisen der | |
Bevölkerung einen besonders schlechten Ruf. Das hat auch historische | |
Gründe. Im Osmanischen Reich wurden Missionare oft als destabilisierende | |
Kräfte wahrgenommen: Sie verbreiteten Schriften, die im Widerspruch zum | |
geltenden Recht standen. Zugleich waren ihre religiösen Ambitionen und die | |
politischen Interessen ihrer Herkunftsländer oft nicht klar voneinander zu | |
trennen. Als das Reich während des Ersten Weltkriegs zerfiel, verfestigte | |
sich der Eindruck, dass die wachsende Zahl christlicher Missionare einen | |
Angriff auf die Einheit der Nation darstellte. In der frühen Republik unter | |
Atatürk, der für seinen laizistischen Reformen bekannt ist, nahm sich der | |
türkische Staat das alleinige Recht, das religiöse Leben im Land zu | |
kontrollieren. | |
Als der EU-Beitrittsprozess noch Aussicht auf Erfolg hatte, war es Erdoğan, | |
der sein Land in Fragen der Religionsfreiheit auf Kurs brachte. Kirchen | |
wurden wiedereröffnet, Juden und orthodoxe Christen konnten sich vom | |
Islamunterricht befreien lassen. Immer wieder demonstrierte Erdoğans | |
Regierung durch symbolträchtige Auftritte mit Vertretern anderer | |
Religionsgemeinschaften, dass sie dazugehören. Die Lage religiöser | |
Minderheiten war weiterhin prekär, aber es ging voran. | |
Spätestens nach den Gezi-Protesten 2013 und dem Putschversuch 2016 rückte | |
sein innenpolitischer Machterhalt allerdings mehr denn je in den | |
Vordergrund. Erdoğan nutzte jede Gelegenheit, sich zu profilieren. Mit | |
Andrew Brunson bot sich ihm eine besondere. Die türkischen | |
Ermittlungsbehörden warfen dem evangelikalen Pastor und amerikanischen | |
Staatsbürger vor, mit dem Gülen-Netzwerk und militanten Kurden paktiert zu | |
haben. Erdoğan bot dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump ein | |
Tauschgeschäft an: Brunsons Freiheit für die Auslieferung Fethullah Gülens, | |
den in Amerika lebenden angeblichen Drahtzieher des Putschversuchs. Doch | |
Trump antwortete mit Sanktionen. Die schwache Lira brach weiter ein. | |
Erdoğan musste Brunson entlassen. Eine Schmach. Und vielleicht auch ein | |
Grund für Rache. | |
Louven glaubt, dass es einen Zusammenhang gibt. „Brunson ist ein | |
Evangelikaler. Die, die danach ausgewiesen worden sind, sind auch | |
Evangelikale“, sagt er. „2019 gab es eine Konferenz von verschiedenen | |
christlichen Gemeinden. Da muss jemand vom Staat gekommen sein, um sich | |
unsere Namen geben zu lassen.“ | |
Im Bericht des Religionsfreiheitsbeauftragten der Bundesregierung, Markus | |
Grübel, kommt der Fall Brunson vor. Im gleichen Absatz ist von „abstrusen | |
Verschwörungstheorien“ gegen Protestanten und von entzogenen | |
Aufenthaltstiteln die Rede. Wie das Auswärtige Amt will aber auch der | |
CDU-Politiker kein Interview dazu geben. | |
Kurz nachdem Louven von seinem Ultimatum erfuhr, starteten türkische | |
Freunde die Onlinepetition „Hans Kalsın“: Hans soll bleiben. Fast 1.500 | |
Personen beteiligten sich. Doch in Ankara wurde die Petition ignoriert. Die | |
Behörden in Muğla und viele Bürger stünden doch für eine völlig andere | |
Türkei, sagt Louven. Sie litten auch unter dieser Politik. | |
Louven nahm sich zum ersten Mal in seinem Leben einen Anwalt. Doch auch der | |
scheiterte bei dem Versuch, Louvens Zukunft in der Türkei zu sichern. Nach | |
Niederlagen auf allen Instanzen liegt sein Fall nun beim | |
Verfassungsgericht. Grund zur Hoffnung gibt es wenig. Anfang des Jahres | |
wurde dort bereits über einen der betroffenen Christen entschieden. Seine | |
Klage wurde abgelehnt. | |
Beobachter des Verfahrens sagen, dass der Staat mit geheim eingestuften | |
Dokumenten argumentiere. Da die Anwälte der Betroffenen in diese Papiere | |
keine Einsicht bekämen, sei es unmöglich, sich erfolgreich gegen die | |
Vorwürfe zu verteidigen. Mehrere Betroffene erwägen nun eine Klage vor dem | |
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dessen Urteile | |
ignorierte die Türkei zuletzt allerdings – selbst in aufsehenerregenden | |
Fällen wie der Inhaftierung des Unternehmers und Millionärs Osman Kavala. | |
In Louvens neuem Wohnort Österreich gibt es Politiker, die sich auch | |
öffentlichkeitswirksam für ihn einsetzen. „Österreich tut sich manchmal | |
leichter als Deutschland, die Dinge klar anzusprechen“, sagt Gudrun Kugler, | |
Menschenrechtssprecherin der ÖVP-Fraktion. Wien steht an der Spitze einer | |
Bewegung in der EU, die eine formelle Einstellung der | |
EU-Beitrittsverhandlungen fordert. „Wir müssen mit einem großen Land wie | |
der Türkei, das vor den Grenzen Europas liegt, zusammenarbeiten“, sagt sie. | |
„Das heißt aber nicht, dass wir stillschweigen dürfen über Dinge, die nicht | |
in Ordnung sind.“ Ihr sei wichtig, dass Österreich sich nicht von der | |
Türkei erpressen lässt – zum Beispiel durch das Flüchtlingsabkommen. Kugler | |
hat der türkischen Botschaft in Wien einen Brief geschrieben, in dem sie | |
„die völlig unerwartete sowie unbegründete Ausweisung von Herrn Louven“ | |
anprangert. Auf ihren Protestbrief hat Kugler aber keine Antwort bekommen. | |
Fehlt es Österreich am Ende an geopolitischem Gewicht? | |
Louven sitzt mit seiner Frau im Mahir Gözleme, einem türkischen Bistro in | |
Österreich. Deutschland hätte das Gewicht, davon ist er überzeugt. „Aber | |
ich kann nicht erkennen, dass da jemand für uns einsteht.“ Louven bestellt | |
eine doppelte Portion Çiğ Köfte, scharfe Frikadellen aus Rindfleisch. „Die | |
sind exzellent“, sagt er. „Aber hier ist es trotzdem einfach nicht dasselbe | |
wie in der Türkei.“ | |
Louven wollte in Muğla in Rente gehen. Er hatte bereits ein Altenheim | |
entdeckt. Sogar einen Grabstein hat er sich meißeln lassen. „Wer mein Wort | |
hört, und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben …“, | |
steht darauf. Der Stein liegt auf Louvens Farm. „Der bleibt schön da“, sagt | |
er. „Der kann auch ein Stein des Anstoßes sein.“ Doch über Louvens Farm in | |
Muğla werden wohl weder Vertreter der türkischen noch der deutschen | |
Regierung spazieren. | |
10 May 2021 | |
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Issio Ehrich | |
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