Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Politische Justiz in der Türkei: Verfahren gegen Erdoğans Rivalen
> Istanbuls beliebter Bürgermeister Ekrem İmamoğlu gilt als Erzrivale des
> türkischen Präsidenten. Nun wird gegen ihn ermittelt.
Bild: Ekrem Imamoglu mit Gemälde von Sultan Mehmet Fatih in Istanbul
Istanbul taz | Je weiter die Umfragewerte des türkischen Präsidenten
[1][Recep Tayyip Erdoğan und seiner AKP in den Keller gehen], umso mehr
schlägt die Regierung um sich. Mittlerweile ist ihr kein Grund mehr absurd
genug, um die Justiz gegen die Opposition in Stellung zu bringen. Am
Dienstagnachmittag kündigte das Innenministerium an, dass gegen den
populären Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Der Vorwurf: mangelnder Respekt vor
den heldenhaften Vorvätern.
Beim Besuch des Mausoleums von Sultan Mehmet Fatih, Eroberer von
Konstantinopel 1453, soll İmamoğlu sich respektlos verhalten haben: Am 29.
Mai letzten Jahres, dem Jahrestag der Eroberung, hielt er seine Hände im
Angesicht des Eroberers hinter dem Rücken.
Als sich die Meldung über das Ermittlungsverfahren verbreitete,
verlautbarte das Satiremagazin Zaytung: „Diese Meldung ist nicht von uns.“
Der Sprecher von İmamoğlu, Murat Ongün, meinte nur, dieses Verfahren sei
offensichtlich „unsinnig“.
Doch was ist schon unsinnig, wenn es darum geht, seine ärgsten Konkurrenten
fertig zu machen. Bei den [2][Kommunalwahlen im Frühjahr 2019], gelang es
dem Oppositionspolitiker İmamoğlu durch einen furiosen Wahlkampf die
regierende AKP in Istanbul zu schlagen, und der Partei Erdoğans das Amt des
Bürgermeisters zu entreißen, das dieser 1994 für die Islamisten eroberte
und das seitdem von den Religiösen gehalten wurde. Istanbul war die
wichtigste Bastion Erdoğans.
## Religiös und kompromissbereit
Seitdem tut der Präsident alles, [3][um İmamoğlu das Leben schwer zu
machen]. Er kürzte die Mittel für die Stadt, verbot der Stadtverwaltung,
bei den staatlichen Banken Kredite für den U-Bahn-Bau aufzunehmen und
entzog Befugnisse der Stadtplanung. Dennoch ist Imamoglus Popularität
ungebrochen. In Umfragen landet er regelmäßig vor Erdoğan.
Selbst bei der religiösen Wählerschaft ist İmamoğlu beliebt, weil er sich
als gläubig zu erkennen gibt und immer wieder auf die Konservativen zugeht.
So ließ er im letzten Jahr für viel Geld ein historisches Porträt von
Sultan Mehmet Fatih bei Sothebys in London ersteigern.
Gerade deshalb versucht die Erdoğan-Regierung verzweifelt, İmamoğlu
wenigstens bei der potentiell eigenen Wählerschaft anzuschwärzen. Doch
Erdoğans Propaganda verfängt immer weniger. Seine ständigen Warnungen vor
einem neuen Putsch, hält selbst der größte Teil der AKP-Wähler für
unglaubwürdig. Stattdessen klagen auch viele Regierungsanhänger über die
Inflation, hohe Lebensmittelpreise und Arbeitslosigkeit.
5 May 2021
## LINKS
[1] /Kommentar-Zukunft-der-Tuerkei/!5603383
[2] /Nach-der-Kommunalwahl/!5608241
[3] /Erdoans-Prestigeprojekt-fuer-Istanbul/!5652717
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Ekrem İmamoğlu
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Istanbul
Schwerpunkt AKP
Präsidentschaftswahl in der Türkei
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Coronavirus
Türkei
Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Oppositionsbündnis in Türkei: Gemeinsam gegen Erdoğan
Die türkischen Oppositionsparteien verbünden sich. Ihr Ziel: in den
kommenden Wahlen mit einem gemeinsamen Kandidaten Erdogan schlagen.
Freie Evangelikale in der Türkei: Hans will bleiben
Deutsche Evangelikale wie Hans-Jürgen Louven werden aus der Türkei
ausgewiesen. Die Bundesregierung schweigt wohl aus diplomatischen Gründen.
Alkoholverbot in der Türkei: Corona oder Scharia?
In der Türkei ist es ab Donnerstag komplett verboten, Alkohol zu verkaufen.
Als Grund nennt die Regierung die Coronapandemie.
Austritt aus der Istanbul-Konvention: Des Herrschers Angst vor Frauen
Erdoğans Dekret zum Austritt aus der Istanbul-Konvention zog massive
Proteste von Frauen nach sich. Wovor fürchtet sich der türkische Präsident?
Von der Leyen in der Türkei: Die EU kapituliert vor Erdoğan
Die EU-Kommissionspräsidentin hat mit ihrem Besuch in der Türkei ein Signal
gesetzt: Die EU interessiert sich für Macht, nicht für Menschenrechte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.