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# taz.de -- Prozess um Betriebsrats-Kündigungen: Detektiv-Einsatz angekündigt
> Im Prozess um die angestrebte Kündigung mehrerer Betriebsrätinnen beim
> Pflegeheimbetreiber Residenz-Gruppe wird mit immer härteren Bandagen
> gekämpft.
Bild: Ver.di protestierte vor dem Arbeitsgericht gegen die Schikane des Arbeitg…
Bremen taz | Die Weyher Residenz-Gruppe führt ihre Zermürbungsstrategie
gegen ihren Betriebsrat weiter. Der zum französischen Konzern Orpea
gehörende Pflegeheimbetreiber versucht seit Dezember, seinen Betriebsrat in
Bremen und den Gesamtbetriebsrat für Bremen-Niedersachsen loszuwerden. In
der Hauptverhandlung vor dem Arbeitsgericht fiel am Dienstag die
Entscheidung zugunsten der Arbeitnehmervertretung. Die Arbeitgeberseite
drohte allerdings schon vor Ende der Verhandlung damit, Rechtsmittel
einzulegen – und mehr noch: mit der lückenlosen Überwachung der betroffenen
Betriebsrätinnen.
Am Dienstagmorgen herrscht angespannte Stille im Sitzungssaal 7 des Bremer
Arbeitsgerichts. Der Beginn der Verhandlung hat sich verzögert und so
schweigen sich Arbeitgeberseite und Betriebsrätinnen fast 40 Minuten an,
bevor Richterin Sarah Bogner den Saal betritt. Pandemiebedingt gibt es nur
fünf Plätze für die Öffentlichkeit. Besetzt sind sie mit Kolleg*innen
und Gewerkschaftler*innen von Ver.di, die ihre Ablehnung gegenüber den
Ausführungen von Arbeitgeber-Vertreter Franz Michael Koch immer wieder mit
Kopfschütteln und Stöhnen zum Ausdruck bringen.
Im Dezember hatte die Residenz-Gruppe, zu der um die 40 Alten- und
Pflegeheime in ganz Deutschland gehören, der Bremer
Betriebsratsvorsitzenden [1][die fristlose Kündigung ausgesprochen], einen
Tag vor Weihnachten. Später ergingen noch Kündigungen an drei weitere
Mitglieder des Gesamtbetriebsrates Bremen-Niedersachsen. Zwischenzeitlich
hatte die Geschäftsführung den Mitarbeiterinnen ein Hausverbot erteilt und
Meyer zwei Drittel ihres Monatslohns nicht gezahlt. Beides konnte aber
durch einstweilige Verfügungen abgewendet werden.
Am Dienstag standen nun drei Anträge des Arbeitgebers im Raum: Die
Zustimmung des Gerichts zur fristlosen Kündigung der
Betriebsratsvorsitzenden und ihrer Stellvertreterin, der Ausschluss der
beiden aus dem Betriebsrat und die Auflösung des gesamten Betriebsrats.
Die Vorwürfe: Die Vorsitzende soll Mitglieder des Betriebsrats als
„unentschuldigt fehlend“ eingetragen haben, obwohl sie gewusst habe, dass
diese im Urlaub waren. Für Richterin Bogner fehlen dabei aber Indizien, die
ein bewusstes Fehlverhalten der Arbeitnehmervertreterin belegen würden.
Zudem soll der Betriebsrat unzulässigerweise in der Betriebsrats-App für
eine Gewerkschaft geworben haben. Hier sieht die Richterin zwar einen
Fehler, jedoch keinen groben Verstoß, der die Auflösung eines Betriebsrates
legitimieren würde.
Außerdem wirft die Residenz-Gruppe den Betriebsrätinnen vor,
Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Als Beweis legt sie die Login-Daten
der Betroffenen auf ihrem Dienst-Laptop sowie Anwesenheitslisten aus den
einzelnen Einrichtungen vor. Beides, argumentiert der Anwalt der
Geschäftsführung, habe nicht mit den abgegebenen Stundenzetteln
übereingestimmt.
Doch auch in diesem Fall macht Richterin Bogner deutlich, dass die Indizien
nicht ausreichen: Die Betriebsrätin hatte erklärt, dass sie die Stunden im
Homeoffice gearbeitet hatte, ohne ihren Computer zu benutzen –
beispielsweise auch, um juristische Schriftsätze rund um die
Betriebsratsarbeit zu lesen. Gleichzeitig habe die Arbeitgeberseite in
ihrer Aufstellung Arbeitszeiten unterschlagen, in denen die Betriebsrätin
nachweislich Mails verschickt und somit gearbeitet hatte.
Für den Betriebsratsanwalt Michael Nacken ist klar: „Ich habe ganz ehrlich
den Eindruck, dass man gesucht hat und gesucht hat, um irgendwas zu
finden.“ Die Arbeitgeberseite fragt er direkt, warum sie die Kündigung
nicht zurückziehe, nun, da von den Vorwürfen nichts übrig bleibe. „Das wird
dann in der nächsten Instanz überprüft“, antwortet deren Anwalt Koch und
ergänzt: „Auch wenn man dann noch eine Detektei einschalten muss, um sie
lückenlos zu überwachen.“ Gemeint sind die Betriebsrätinnen.
## Unzulässige Überwachung
Für den Juristen Nacken ist klar, dass eine solch angedrohte Überwachung
nicht zulässig ist. Wenn es einen auf Tatsachen gestützten Verdacht gebe,
dass ein*e Arbeitnehmer*in beispielsweise während einer längeren Phase
der Krankschreibung in einem anderen Betrieb arbeite, dann könne es
zulässig sein, eine Detektei einzuschalten. „Wenn ich aber generell der
Meinung bin, das meine Mitarbeiterin im Homeoffice nicht arbeitet, dann
reicht das nicht aus“, so Nacken.
„Das sich das ein Arbeitgeber traut zu sagen – in einem Gerichtssaal – das
hat mich total erschreckt“ sagt Kerstin Bringmann von Ver.di. Ihr Kollege
Jörn Bracker ergänzte auf der Pressekonferenz nach dem Prozess: „Ich habe
den Eindruck, es geht dem Arbeitgeber gar nicht darum zu gewinnen, sondern
den Betriebsrätinnen das Leben möglichst schwer zu machen.“
Es sei problematisch, dass Großkonzerne das Geld hätten, solche endlosen
Prozesse zu führen und die Anwält*innen der Arbeitnehmerseite mit
Unterlagen zu überhäufen – immer in der Hoffnung, dass diese doch mal zwei
Seiten übersehen.
29 Apr 2021
## LINKS
[1] /Betriebsratskuendigung-im-Pflegeheim/!5746922
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Prozess
Bremen
Arbeitsrecht
Kündigung
Detektiv
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Bremen
Gewerkschaft
Verdi
Bremen
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werden.
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