# taz.de -- Interviews mit Annalena Baerbock: Nicht zu fragen ist sexistisch | |
> Ist es sexistisch, junge Politikerinnen kritisch nach ihrer Kompetenz zu | |
> befragen? Keineswegs. Umgekehrt wird ein Schuh draus. | |
Bild: Natürlich dürfen Journalist:innen das: Annalena Baerbock braucht keinen… | |
Dürfen Journalist:innen [1][die grüne Kanzler:innenkandidatin | |
Annalena Baerbock] nach ihren Kindern, ihrer Regierungsunerfahrenheit und | |
ihrer Durchsetzungskraft fragen? Oder sollten sie es lassen, weil solche | |
Fragen sexistisch sind? Letzteres suggerieren zahlreiche Kommentare in | |
Medien, sozialen Netzwerken und [2][nach Sendungen wie „Anne Will“.] | |
Die Antwort ist glasklar: Natürlich dürfen Journalist:innen das. Und | |
sie sollten das unbedingt tun. Aufgabe von Medienschaffenden ist es, | |
kritische Fragen zu stellen – unabhängig vom Geschlecht der befragten | |
Person. Warum sollte bei Annalena Baerbock eine Ausnahme gemacht werden? | |
Weil sie sich als erste grüne Frau für dieses hohe Amt bewirbt und so | |
wahnsinnig sympathisch ist? | |
Mit Verlaub, das ist frauenfeindlich und sexistisch. Es unterstellt, dass | |
mit Frauen vorsichtiger umgegangen werden sollte und – das ist noch fataler | |
– dass sich die Grünen-Chefin, die Kanzlerin werden will, nicht selbst zu | |
wehren weiß. | |
Doch „Welpenschutz“ ist unangebracht. Ungeachtet der Tatsache, dass | |
Baerbock auf alles eine Antwort haben muss, werden Fragen beispielsweise | |
nach ihrem Geschlecht und ihrer Familie noch die harmlosesten sein, die sie | |
als Kanzlerin oder Vizekanzlerin zu beantworten hat. | |
Bei Klimagesprächen etwa, bei Verhandlungen mit Lobbygruppen oder mit | |
chinesischen Investor:innen spielt das Geschlecht auch keine | |
entscheidende Rolle. In solchen Verhandlungen zählen Härte, Können, | |
diplomatisches Geschick und Kommunikationsfähigkeit. | |
## Bild von Spitzenpolitiker:innen hat sich längst gewandelt | |
Wären Vereinbarkeitsfragen auch [3][einem grünen | |
Kanzler:innenkandidaten Robert Habeck] gestellt worden? Von manchen | |
Medien ganz sicher, von anderen vermutlich nicht. Das Bild von | |
Spitzenpolitiker:innen hat sich längst vom rein männlichen | |
Verantwortungsträger zu mehr Geschlechtervielfalt gewandelt. | |
Dass Frauen es können, beweisen sie überall auf der Welt, ob als | |
Regierungs- oder als Konzernchefinnen. Die dabei immer mitschwingende | |
Frage, wie sie ihren zeitraubenden Job mit der Familie vereinbaren, zu | |
unterschlagen, ist indes verlogen und rückwärtsgewandt. Das drängt Frauen | |
in eine Rolle, die sie (und moderne Männer) nicht mehr einnehmen wollen: | |
die der fernen Eltern. | |
Im Gegensatz zu früheren Spitzenpolitikern, deren Kinder vaterlos groß | |
geworden sind, versuchen Politikerinnen wie Baerbock oder Manuela Schwesig, | |
Ministerpräsidentin im Norden, es anders zu machen. Das geht bei solchen | |
Jobs natürlich nicht ohne emotionale Verluste. Das thematisieren zu können, | |
ohne öffentlich Schaden zu nehmen, gehört zu einer offenen und ehrlichen | |
Genderdebatte. | |
26 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Baerbock-wird-Kanzlerkandidatin/!5762149 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/medien/anne-will-tv-kritik-baerbock-1.5275989 | |
[3] /Niederlage-des-gruenen-Co-Chefs/!5762502 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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