# taz.de -- Polizei-Seminar an der Uni Hannover: Racial Profiling ausgespart | |
> An der Leibniz Uni hält ein Soziologe und Polizist ein Seminar über | |
> Polizei. Asta und Fachrat kritisieren mangelnde wissenschaftliche | |
> Distanz. | |
Bild: Racial Profiling oder nicht? Drogen-Kontrolle im Frankfurter Hauptbahnhof… | |
HANNOVER taz | Die Leibniz Universität Hannover hat den aktiven | |
Polizeibeamten Frank-Holger Acker beauftragt, ein | |
kriminologisch-soziologisches Einführungsseminar in „Polizei und | |
Kriminalität“ zu halten – ohne zusätzliches Entgelt. Promoviert hat der | |
Polizist und Soziologe Acker zu Alterskriminalität. Die Literaturliste | |
seines Seminars enthält durchaus renommierte kritische Texte zur | |
Institution Polizei, unter anderem von Rafael Behr. Laut Seminarplan sollte | |
es auch um Racial Profiling gehen. | |
„Zu unkritisch“ finden der Asta der Leibniz Universität Hannover (LUH) und | |
der studentische Fachrat Sozialwissenschaften (SoWi) den neuen Dozenten | |
dennoch. Die Polizei gerate fast täglich durch strukturellen | |
Machtmissbrauch, Rassismus und Rechtsextremismus in den Blick der | |
Öffentlichkeit. Regelmäßig komme es zu Todesfällen von durch Rassismus | |
betroffenen Menschen in Gewahrsam oder bei Abschiebungen. Trotz | |
entsprechender akademischer Qualifikation stehe eine aktive Tätigkeit für | |
die Behörde einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Institution | |
im Wege. | |
Besonders eine von Ackers jüngeren Publikationen kritisieren Asta und | |
Fachrat. „Die deutsche Racial-Profiling-Debatte: Stigmatisierung der | |
uniformierten Polizei?“, erschienen in Ausgabe 4/2020 der „unabhängigen | |
interdisziplinären Zeitschrift“ [1][Polizei & Wissenschaft]. Das Magazin | |
versteht sich als Angelpunkt zwischen Theorie und Praxis der Polizeiarbeit. | |
Aufbauend auf Begriffsdefinitionen geht es in dem Text um die Frage, ob die | |
Polizei in Deutschland rassistisch geprägtes Racial Profiling betreibe und | |
welche Konsequenzen die öffentlich geführte Debatte haben könne. | |
Vor allem das Fazit des Textes, dass polizeiliche Arbeit nicht rassistisch | |
geprägt sei, ist den Studierenden ein Dorn im Auge. Das sei „eine gewagte | |
These für jemanden, der selbst Begriffe wie ‚Subsahara-Afrikaner‘ nutzt und | |
'vermeintliches Racial Profiling’ mit 'vermeintlicher uniform | |
stigmatization’ auf eine Stufe stellt“, heißt es in einer | |
[2][Pressemitteilung von Asta und Fachrat SoWi.] | |
Der Ring Christlich-Demokratischer Studierender (RCDS) wittert in den | |
kritischen Äußerungen eine Diffamierung und springt Acker zur Seite. Der | |
Präsident der LUH, Volker Epping, sieht in einem Interview mit der | |
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung „Cancel Culture“ auf dem Vormarsch. | |
Auch der Institutsleiter Matthias Bös bekräftigt gegenüber der taz seine | |
Unterstützung für den Dozenten und verweist darauf, dass Asta und Fachrat | |
nicht alle Studierenden repräsentierten. Laut seiner Einschätzung als | |
Soziologe, schreibt Bös, lägen hier Anzeichen von Diskriminierung vor. | |
Gemeint sei die Unterstellung, dass eine Person, die in einer Organisation | |
arbeite, dieser gegenüber niemals eine kritische Haltung einnehmen könne. | |
„Tatsächlich bin ich der Meinung, dass dies möglich ist, und nach Sichtung | |
der Unterlagen von Herrn Acker auch bei diesem eine kritische Haltung | |
vorliegt.“ Der Seminarplan und die Publikationen Ackers seien | |
selbstverständlich geprüft worden. Aus denen gehe hervor, so Bös, dass in | |
diesem Seminar auch der Aspekt des institutionellen Rassismus bei der | |
Polizei vorkommen werde. | |
Ein*e Seminarteilnehmer*in, die*der aus Angst vor Konsequenzen lieber | |
anonym bleiben will, berichtet der taz, in der Einführungsvorlesung hätten | |
sich Vorbehalte nun eher bestätigt. So soll Acker auf die Frage, warum | |
Racial Profiling nun doch nicht mehr im Ablaufplan des Seminars auftauche, | |
geantwortet haben, es gebe ein ganzes Seminar, in dem die Begriffe 'Rasse, | |
Ethnie und Klasse’ aufbereitet würden. Aufgrund der Stoffmenge müsse dies | |
in seinem Seminar ausfallen. | |
Das Thema Racial Profiling werde aber bei der Konstruktion einer | |
Kontrollsituation angeschnitten. Auch soll der Dozent Redebereitschaft | |
signalisiert haben, über die kritisierte Publikation – abseits des Seminars | |
– zu diskutieren und räumte angeblich ein: „das war pro Polizei“. Kritis… | |
empfinde Acker auch, dass das Thema Racial Profiling so emotionalisiert | |
diskutiert werde, berichtet der*die Seminarteilnehmer*in. Auf eine | |
Mail-Anfrage der taz antwortete Acker bis Redaktionsschluss nicht. | |
Der Fachrat will den Verlauf des Seminars kritisch im Blick behalten. Die | |
Studierenden organisieren nun eine Vortragsreihe unter dem Titel: „Who | |
protects us from you? Kritik an der Polizei und warum das nicht reicht“. | |
Die Frage laute nicht: „Ist die Polizei rassistisch?“, sondern: „Wie kön… | |
wir besser dagegen vorgehen?“, sagt Tim-Jonas Beisel, Kassenreferent des | |
Asta. „Auf jeden Fall nicht, indem wir zulassen, dass sie es sich selbst in | |
der Opferrolle und in unserer Universität bequem macht.“ | |
20 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.polizeiundwissenschaft-online.de/archiv/#archiv | |
[2] https://www.asta-hannover.de/2021/04/14/pm-polizei-an-der-uni-nein-danke/ | |
## AUTOREN | |
Michael Trammer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Leibniz Universität Hannover | |
Polizei | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Hannover | |
Asta | |
Racial Profiling | |
Leibniz Universität Hannover | |
Hochschule | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg | |
Polizei Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zerstochene Autoreifen nach Streit: Polizei-Dozent bricht Seminar ab | |
An der Uni Hannover beendet der umstrittene Polizei-Dozent Frank-Holger | |
Acker sein Seminar. Unbekannte haben die Reifen seines Autos zerstochen. | |
Streit um Vorlesung in Osnabrück: Canceln ist Kampfsport | |
Neurechter Althistoriker? Ein Vortrag Egon Flaigs an der Uni Osnabrück | |
sorgt für Streit. | |
Tod im Polizeigewahrsam in Delmenhorst: Qosay K. bekam keine Luft | |
Die Eltern von Qosay Khalaf fordern öffentlich Aufklärung. Für ihre | |
Anwältin ist klar, dass er an Sauerstoffmangel starb. | |
Neue Hinweisstelle für Rassismus: Ein Ohr für die Opfer | |
Die Hinweisstelle Memo erfasst rassistische Gewalt in Hamburg. Anders als | |
die Beschwerdestelle der Polizei ist sie nicht staatlich eingebunden. | |
Rechtsextremismus Polizei Berlin: „Es geht um Selbstreflexion“ | |
Svea Knöpnadel ist Extremismusbeauftragte der Polizei Berlin. Ein Gespräch | |
über Korpsgeist, Racial-Profiling-Studien und Prävention. |