# taz.de -- Die Wahrheit: Hostien-Dealer in Parkanlagen | |
> In Irland gibt es wegen dieses C-Dings zur Zeit keine | |
> Präsenzgottesdienste. Aber unter Katholiken weiß man sich zu helfen. | |
Wegen der strengen Pandemierestriktionen in Irland kann man nur spazieren | |
gehen, ein Buch lesen oder fernsehen. Ein katholischer Pfaffe in der | |
Grafschaft Kerry im Südwesten der Insel hatte sich für die Flimmerkiste | |
entschieden. Was er sah, schockierte ihn. | |
Father Kevin McNamara hatte vorletzten Sonntag nämlich die Seifenoper „Fair | |
City“ eingeschaltet. Die Serie läuft seit 1989, sie spielt im fiktiven | |
Norddubliner Stadtteil Carrigstown. Hin und wieder werden soziale Themen | |
aufgegriffen. Homosexualität und Drogen, Mord und Entführung, | |
Vergewaltigung und Suizid – all das gab es bereits in der irischen | |
Lindenstraße, die dreimal in der Woche rund eine halbe Million Zuschauer | |
anlockt. | |
Pfarrer McNamara wünscht sich vermutlich, dass er nicht einer davon gewesen | |
wäre. Es ging um seinen fiktiven Amtskollegen Liam Plunkett, dem eine Frau | |
bei der Beichte eröffnete, dass ihre Tochter von ihm sei, gezeugt vor | |
vielen Jahren, als beide noch Teenager waren. McNamara monierte aber vor | |
allem, dass die Beichte vor dem Altar stattfand, dass Alkohol im Spiel war, | |
und dass der Pfarrer eine Stola trug. Und das ausgerechnet am | |
Barmherzigkeitssonntag! | |
Er hingegen hatte am Nachmittag drei Stunden lang die Beichte auf dem | |
Parkplatz vor seiner Kirche abgenommen, weil die Gotteshäuser wegen Corona | |
geschlossen sind. Er saß an einem Ende des Parkplatzes, der reuige Sünder | |
am anderen. So viel zum Beichtgeheimnis. | |
## Fair City | |
Katholiken sollten keine Fernsehgebühren mehr zahlen, forderte McNamara, | |
bestritt das aber später. Er habe doch lediglich gefragt: „Warum sollen | |
Katholiken Fernsehgebühren an einen Sender zahlen, der dem katholischen | |
Glauben ständig und absichtlich keinen Respekt erweist?“ Wenn Katholizismus | |
im Fernsehen gezeigt werde, habe das gefälligst auf realistische Art zu | |
geschehen. Das hat „[1][Fair City]“ aber schon vor vielen Jahren getan: In | |
einer Folge ging es um Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche. Das | |
war McNamara auch nicht recht. | |
Die Zeiten sind nicht einfach für Pfaffen. Messen können wegen Corona nicht | |
abgehalten werden, weshalb im ganzen Land die sonntägliche Kollekte | |
ausfällt. Da es in Irland keine Kirchensteuer gibt, muss sich der Klerus | |
anderweitig Geld beschaffen. So mancher Priester verdient sich ein Zubrot, | |
indem er heimlich Hostien verscherbelt. Die Hostien-Dealer lungern in | |
Parkanlagen herum und sprechen katholisch aussehende Menschen an. Sie | |
bieten ihnen Hostien inklusive ambulanter Kommunion, und wer obendrein | |
Sündenvergebung will, erhält ein Sonderangebot. | |
Andere Pfarrer halten trotz des Verbots einfach Messen ab und lassen die | |
Kirchentüren weit geöffnet, sodass sich Gläubige hineinschleichen können. | |
Beim Verlassen der Kirche kommen sie unweigerlich am Klingelbeutel vorbei. | |
Damit die Polizei nicht durch das Geklimper der Münzen misstrauisch wird, | |
bevorzugt man „stille Kollekten“: Geldscheine rascheln nur leise. | |
19 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rte.ie/tv/programmes/fair-city/ | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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