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# taz.de -- Die Wahrheit: Abweichende Nüchternheit
> Gendern ist auch im englischsprachigen Raum nicht einfach und das
> korrekte Bestellen traditioneller Gerichte wie „Bacon and Eggs“ erst
> recht nicht.
Bild: Bunte Hände beim Auftakt des CSD 2021 in Frankfurt
Wer in einem englischsprachigen Land lebt, hat es gut. Dort ist es
leichter, gegendert zu sprechen. Ein Schauspieler zum Beispiel ist ein
„actor“, und eine Schauspielerin ist es auch. Das Wort „actress“ ist
abgeschafft worden, und zwar auf Wunsch der Schauspielerinnen.
Bei vielen Filmpreisen gibt es nur noch eine Kategorie für beide
Geschlechter. So hätte man 1992 den Spoiler bei Neil Jordans Film „The
Crying Game“ vermeiden können. Bei den Oscars wurde Jaye Davidson nämlich
in der Kategorie „bester Nebendarsteller“ nominiert, wodurch die
entscheidende Wendung des Films verraten wurde, dass die Frau, in die sich
die männliche Hauptfigur verliebt, einen Penis hat.
Im Deutschen hingegen muss man mit Fußballspie-ler:innenberater:innen und
Minister:innenpräsident:in-nen leben. Die Partizipkonstruktion ist kaum
besser: Beratende von Fußballspielenden?
Bei der politisch korrekten Sprache gibt es viele Fallstricke. Neulich
wurde die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch abgewatscht, weil sie erzählt
hatte, dass sie als Kind „Indianerhäuptling“ werden wollte. Da haben ihre
Eltern bei der Erziehung offenbar kläglich versagt. Nach ihrer
Selbstkasteiung – Jarasch sprach von „unreflektierten
Kindheitserinnerungen“ – schnitten die Grünen das böse Wort aus dem
Parteitagsvideo.
## Überlegen bevor man den Mund aufmacht
Wehe dem, der in der Kindheit „Cowboys und Indianer“ gespielt hat. Was ist
mit den männlichen Rindern und den Mädchen? Korrekt müsste das Spiel
„Bovine Menschen und Mitglieder der indigenen Bevölkerung“ heißen.
Bei genauerer Betrachtung ist es vielleicht doch nicht so vorteilhaft, in
einem englischsprachigen Land zu leben. Denn auch hier muss man genau
überlegen, bevor man den Mund aufmacht, und das hat nichts mit Grammatik zu
tun. Grammatik sei ohnehin nur eine „ethnozentrische weiße patriarchale
Umstrukturierung der Sprache“, erklärt die kanadische feministische
Schriftstellerin Betsy Warland.
Ich habe mir vorsichtshalber „The Official Politically Correct Dictionary &
Handbook“ von Henry Beard und Christopher Cerf besorgt. Deshalb weiß ich,
dass ein Alkoholiker eine „Person mit abweichender Nüchternheit“ ist. Ein
Glatzkopf wie ich ist „follikular herausgefordert“, ein:e
Autowäscher:in ist ein:e „Spezialist:in für das äußerliche
Erscheinungsbild von Fahrzeugen“, und ungeschickte Menschen sind
„einzigartig koordiniert“. Obdachlose sind „unfreiwillig nicht wohnhafte
Personen“, und ein:e Milchmann/frau ist ein Lieferant gestohlener
Tierprodukte.
Wer zum Frühstück im Londoner Animal Rights Café das traditionelle „Bacon
and Eggs“ bestellen will, sollte das keinesfalls leichtfertig tun. Korrekt
müsste es heißen: „Einmal Fleischfetzen vom geschlachteten Kadaver eines
grausam ausgebeuteten Nichtmenschen der Schweinefamilie mit zwei
Tierprodukten, die dem Geflügel gestohlen wurden, bitte.“ Guten Appetit.
10 May 2021
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Gendern
Sprache
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Gender
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