| # taz.de -- Koalition kritisiert Corona-Lockerungen: Ruf nach der Notbremse | |
| > Aus der rot-rot-grünen Koalition wird Kritik an den Senatsbeschlüssen | |
| > laut. Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch will längere Schulferien prüfen | |
| > lassen. | |
| Bild: Klamotten shoppen trotz steigender Inzidenzen? | |
| Berlin dpa/taz | Der Kurs des rot-rot-grünen Senats in der Corona- Pandemie | |
| stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Die Beschlüsse vom Wochenende | |
| seien zwar „kluge Maßnahmen“, genügten aber nicht, um die dritte Welle zu | |
| brechen, erklärte die Spitzenkandidatin der Grünen für die | |
| Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, am Montag. Nötig seien ergänzende | |
| Maßnahmen. | |
| „Die möglichen Schritte liegen auf dem Tisch: die erneute Schließung | |
| einzelner Bereiche im Geschäftsleben, schärfere Kontaktbeschränkungen und | |
| die Möglichkeit einer Verlängerung der Schulferien“, so Jarasch. In der | |
| Debatte über das weitere Vorgehen dürfe nichts tabu sein. | |
| Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Isenberg, | |
| forderte den Senat auf, die von Bund und Ländern für den Fall hoher | |
| Infektionszahlen vereinbarte „Notbremse“ umzusetzen. „Es ist Zeit, dass d… | |
| Senat endlich die Notbremse zieht, besser vorgestern als heute“, erklärte | |
| er. „Nun brauchen wir eine Vollbremsung erst recht – deshalb leider auch | |
| eine Ausgangssperre.“ Wenn die Ministerpräsidenten der Länder hier nicht | |
| handelten, müsse der Bund einschreiten. | |
| In seltener Einmütigkeit hieß es auch aus der Opposition: „Müller fordert | |
| im Bund die Notbremse, zählt Brandenburg für eine zu lasche Haltung an und | |
| setzt Zuhause in Berlin die eigene Forderung Nullkommanull um“, sagte | |
| CDU-Landeschef Kai Wegner am Montag. So gefährde der Regierende „die | |
| Akzeptanz der Coronapolitik und riskiert einen dritten, vierten oder | |
| fünften Lockdown.“ | |
| ## Berlin über 100er-Inzidenz | |
| Die sogenannte Notbremse hatten Bund und Länder Anfang März beschlossen und | |
| erst am vergangenen Dienstag ausdrücklich bekräftigt. Danach müssten | |
| Lockerungen der letzten Wochen zurückgenommen werden, wenn die Inzidenz | |
| stabil mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von | |
| sieben Tagen ausweist. In Berlin liegt der Wert mittlerweile weit über | |
| dieser Schwelle. | |
| Laut Corona-Lagebericht der Gesundheitsverwaltung erreichte die Inzidenz am | |
| Sonntag einen Wert von 143,4. Am Wochenende liegen die Zahlen zudem | |
| niedriger, weil nicht alle Gesundheitsämter Daten melden. Der | |
| Reproduktionswert lag mit 1,32 deutlich über 1, die Infektionszahlen | |
| wachsen also exponentiell. Die Auslastung der Intensivbetten mit | |
| Covid-PatientInnen liegt bei 18,4 Prozent, ab 25 Prozent schaltet die | |
| Corona-Warnampel des Senats auf „rot“. | |
| Dennoch setzt der Senat nicht auf die „Notbremse“, sondern auf einen | |
| Berliner Weg mit Doppelstrategie: Vorsichtige Lockerungen etwa in Handel | |
| und Kultur bleiben. Sie werden aber durch verschärfte Regeln vor allem beim | |
| Testen und der Maskenpflicht ergänzt. | |
| Berlinerinnen und Berliner müssen demnach einen negativen Corona-Test zum | |
| Einkaufen in Geschäften, für Besuche im Friseur- oder Kosmetiksalon, in | |
| Museen und Galerien vorweisen. Davon ausgenommen sind Supermärkte, | |
| Apotheken oder Drogerien, die auch im Lockdown offen waren. Die bisherige | |
| Pflicht, vor dem Shoppen in Modeboutique, Baumarkt oder Elektronikmarkt | |
| einen Termin zu vereinbaren, entfällt. | |
| Für Unternehmen kommt eine Verpflichtung, ihren nicht zu Hause tätigen | |
| Beschäftigten zweimal die Woche kostenlose Tests anzubieten. Angekündigt | |
| ist zudem eine Landesregelung, um Betriebe zu mehr Homeoffice-Angeboten zu | |
| zwingen. Die Maskenpflicht gilt praktisch in allen Innenräumen jenseits der | |
| eigene vier Wände. Erlaubt sind – etwa im ÖPNV, im Handel, beim Arzt oder | |
| im Krankenhaus – nur noch FFP2- Masken mit hohem Schutzfaktor und nicht | |
| mehr einfachere OP-Masken. | |
| Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) hält das nicht für | |
| ausreichend und fordert eine nächtliche Ausgangssperre. „So viele Menschen | |
| stehen oder sitzen in großen Gruppen zusammen, mit Alkohol statt Maske. | |
| Genau die Altersgruppen, bei denen die Inzidenzzahlen explodieren“, | |
| schilderte er seine Eindrücke am Sonntagabend bei Twitter. „Brauchen wie | |
| viele andere Länder auch eine abendliche Ausgangssperre. Breaking the | |
| waves!“ | |
| Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte [1][Lockerungen in den Ländern], | |
| unter anderem auch die Beschlüsse des Berliner Senats, am Sonntagabend in | |
| der [2][ARD-Talkshow „Anne Will“] hart kritisiert. Merkel sagte, sie werde | |
| „nicht zuschauen“, bis man bei 100.000 Infizierten sei. Vorher wolle sie | |
| als „Notstandsmaßnahme“ vom Kanzleramt angeordnete Lockdownmaßnahmen | |
| ergreifen. | |
| 29 Mar 2021 | |
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