# taz.de -- Justin Trudeau will mehr Klimaschutz: Kanada setzt auf Klimasteuer | |
> Nach einem Urteil kann Premierminister Justin Trudeau einen Mindestpreis | |
> auf CO2 einführen – gegen den Widerstand erdölproduzierender Regionen. | |
Bild: Will mehr in Sachen Klima bewegen: Trudeau mit Aktivistin Thunberg 2019 | |
Vancouver taz | Mit einem wegweisenden Urteil zum Klimaschutz hat der | |
Oberste Gerichtshof in Kanada die umstrittene Kohlendioxid-Besteuerung des | |
Landes für rechtens erklärt und damit den Klimaplänen von Premierminister | |
Justin Trudeau einen wichtigen Schub verschafft. Auch international hat das | |
Urteil Signalwirkung, denn [1][das nordamerikanische Land hinkt beim | |
Klimaschutz notorisch hinterher]. | |
Kanada ist einer der wichtigsten Produzenten von fossilen Energieträgern | |
weltweit und gehört zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen. | |
[2][Zugleich verfehlt das Land regelmäßig seine nationalen wie auch | |
international vereinbarten Klimaschutzziele], was unter anderem an der | |
energieintensiven Förderung der umstrittenen Ölsande im Norden und Westen | |
des Landes liegt. | |
Mit einem Mindestpreis auf Kohlendioxid versucht Trudeau seit zwei Jahren | |
gegenzusteuern, trifft aber auf erbitterten Widerstand der | |
erdölproduzierenden Regionen in den Provinzen Alberta und Saskatchewan. In | |
Kanada sind die Provinzen und nicht die Bundesregierung in Ottawa für die | |
Energiepolitik und damit auch einen Großteil der Klimaschutzmaßnahmen | |
zuständig. | |
Vor dem Obersten Gerichtshof hatten mehrere Provinzen zuletzt versucht, die | |
Kohlendioxid-Bepreisung zu stoppen. In einer Mehrheitsentscheidung wiesen | |
die Richter dieses Ansinnen am Donnerstag (Ortszeit) entschieden zurück. | |
Beim Klimawandel handle es sich um eine „Bedrohung höchsten Grades für das | |
Land und tatsächlich der ganzen Welt“, heißt es in der Urteilsbegründung. | |
## Ausnahmeklausel in der Verfassung | |
Die Richter verwiesen dabei auf eine Ausnahmeklausel in der Verfassung, die | |
es der Zentralregierung in seltenen Fällen erlaubt, die Provinzen bei | |
Fragen von nationaler Tragweite zu überstimmen. „Eine Untätigkeit der | |
Provinzen gefährdet Kanada als Ganzes“, schrieben sie und fügten hinzu: Die | |
Bepreisung von Kohlendioxid sei ein international bewährtes Mittel im Kampf | |
gegen die Erderhitzung. | |
Damit darf Trudeau die Öl-Provinzen zur mehr Klimaschutz zwingen, falls | |
diese sich weigern, eigene Pläne aufzustellen. Sein Klimaschutzplan | |
verpflichtet die Provinzen, einen Preis auf Kohlendioxid festzulegen, | |
entweder durch eine Klimasteuer oder durch den Handel mit | |
Emissionszertifikaten. Der gesetzliche Mindestpreis beträgt derzeit 40 | |
Dollar je Tonne und soll bis 2030 auf 170 Dollar steigen. | |
Das Regelwerk betrifft die Industrie wie auch Privathaushalte und verteuert | |
fossile Energieträger wie Benzin, Diesel oder Erdgas. Beim Benzin | |
beispielsweise müssen Verbraucher bis 2030 mit einem Zuschlag von 38 Cent | |
pro Liter rechnen. Einen großen Teil der Mehrbelastungen will die Regierung | |
über anderweitige Steuererleichterungen und ökologisch motivierte | |
Steuerfreibeträge kompensieren. | |
## Beitrag zu Paris | |
Mit der Kohlendioxid-Bepreisung will Kanada seinen Beitrag zum | |
Klimaschutzabkommen von Paris leisten. Darin hatte sich die Regierung in | |
Ottawa verpflichtet, die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 | |
zu reduzieren. Bis 2050 will Kanada wie auch die USA zum Null-Emitter | |
werden, also alle bestehenden Emissionen durch Gegenmaßnahmen in der | |
Klimapolitik kompensieren. | |
Allerdings hakt es bislang an der Umsetzung: Zwischen der Unterzeichnung | |
des Paris-Vertrags 2015 und dem Beginn der Pandemie 2020 waren die | |
Emissionen in Kanada sogar gestiegen. Das Klimaziel aus dem Vertrag von | |
Kopenhagen von 2009 wird das Land verfehlen. Statt 17 Prozent Minderung | |
zwischen 2005 und 2020 wie versprochen wird mit einem Anstieg von | |
mindestens 15 Prozent gerechnet. | |
Regierung und Ölprovinzen reagierten erwartungsgemäß unterschiedlich auf | |
das Urteil: Die Regierung Trudeau sprach von einem Meilenstein für mehr | |
Klimaschutz, der Regierungschef von Alberta, Jason Kenney, wetterte gegen | |
eine unzulässige Einmischung der aus Ottawa. Die konservative Opposition | |
kündigte an, die Besteuerung im Falle eines Regierungswechsels rückgängig | |
zu machen. | |
26 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jörg Michel | |
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