# taz.de -- Kinotipp der Woche: Melancholisch und heiter | |
> Das Kino Arsenal rückt mit dem Georgischen Filmemacher Otar Iosseliani im | |
> April einen der großen europäischen Regisseure ins Zentrum. | |
Bild: Autobiografisch angefärbt: „Chantrapas“ von 2010 | |
Schon zu Beginn hat der georgische Regisseur [1][Otar Iosseliani] den Ton | |
für seinen Film „Die Weinernte“ gesetzt. Blasmusik schmettert, eine Posse | |
scheint sich anzukündigen. Als schließlich Bilder sichtbar werden, zeigen | |
sie Weinbau auf dem Land in Georgien – die Ernte, das Zertreten der Trauben | |
in einem Trog, das Gären in Tanks, schließlich ein Fest zur Feier des neuen | |
Weins. | |
All das ist Prolog zur eigentlichen Handlung des Films. Zwei junge Männer | |
fangen in einer Weinkooperative an. Um den Plan zu erfüllen, werden bei der | |
Qualität des Weins alle Standards ignoriert. In leichter Tonlage zeigt | |
Iosseliani das fröhliche Pfuschen beim Wein, das in Ernst umschlägt, als | |
Niko, einer der beiden jungen Männer, das nicht mittragen will. | |
Iosselianis sowjetisch-georgischer Film, produziert 1966, ist der älteste | |
in einer kleinen [2][Werkschau des Regisseurs], die das Kino Arsenal im | |
April in seinem Streamingangebot [3][Arsenal 3] präsentiert. | |
Iosseliani wurde 1934 in Tiflis geboren, versuchte sich zunächst in Musik, | |
studierte am Konservatorium, verwarf den Plan, Musiker zu werden, begann zu | |
zeichnen, studierte Mathematik und begann Mitte der 1950er Jahre in Moskau | |
beim sowjetisch-ukrainischen Regisseur Alexander Dowshenko Film zu | |
studieren. | |
Gleich sein Abschlussfilm wurde verboten, kam erst sieben Jahre später | |
stark gekürzt in den Verleih. Danach entstanden drei Langfilme in der | |
Sowjetunion: „Die Weinernte“, „Es war einmal eine Singdrossel“ 1970 und | |
1975 „Pastorale“. Danach erhält Iosseliani keine weitere Möglichkeit mehr, | |
Filme zu drehen, verlässt die Sowjetunion und geht 1982 nach Frankreich. | |
Schon früh ist Iosseliani auf den Festivals Westeuropas präsent. „Die | |
Weinernte“ läuft 1968 im Rahmen der Semaine de la critique in Cannes, ab | |
den 1980er Jahren ist Iosseliani wiederholt im Forum der Berlinale | |
vertreten, 1986 ist er Jurymitglied auf der Berlinale. Das Arsenal konnte | |
für die Werkschau aus dem Vollen schöpfen – es verleiht in normalen Zeiten | |
das Gesamtwerk Iosselianis in Deutschland an Kinos. | |
Von heute, vom Berliner Monitor daheim vor dem Screeningangebot, | |
betrachtet, ruft das Kino Iosselianis in Erinnerung, dass transnationale | |
Werkbiografien im globalen Kino eher der Regel- als der Ausnahmefall sind. | |
Und, dass sich in den Werkbiografien von Filmemacher_innen, deren Arbeit | |
sich über Jahrzehnte spannt, oft gleich mehrere Filmemacher zu finden sind. | |
Wer Iosseliani mit seinen sowjetisch-georgischen Arbeiten kennen gelernt | |
hat, begegnete einem anderen Filmemacher, als ab den 1980er Jahren mit den | |
Filmen, die in Frankreich entstanden. Die Werkschau des Arsenals umspannt | |
all diese Facetten seines Werk. | |
Auf die drei sowjetisch-georgischen Filme folgt „Die Günstlinge des | |
Mondes“, die erste Arbeit, die in Frankreich entstand. Den Bogen | |
beschließen der autobiografisch gefärbte Spielfilm „Chantrapas“ von 2010 | |
und Iosselianis bislang letzter Film „Winter Song“ von 2015. | |
Mit Iosseliani rückt das Arsenal einen der großen europäischen Regisseure | |
ins Zentrum. Am 13. April findet auf dessen [4][Youtube-Kanal] eine | |
Onlinediskussion mit dem Arsenal-Mitgründer Ulrich Gregor und der | |
filmaffinen Slawistin Barbara Wurm statt. Es ist davon auszugehen, dass in | |
dem Gespräch auch die enge Beziehung zwischen dem Kino und Iosseliani als | |
Filmemacher eingegangen wird, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat. | |
10 Apr 2021 | |
## LINKS | |
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[2] https://www.arsenal-berlin.de/de/kino-arsenal/programm/einzelansicht/articl… | |
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## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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