# taz.de -- Debatte um Winterspiele 2022: Olympia steht vor Finale | |
> Die US-Regierung diskutiert offen einen Boykott der Winterspiele 2022 in | |
> Peking. Grund ist die Situation der Uiguren. Das IOC steckt in einem | |
> Dilemma. | |
Bild: Die olympischen Ringe auf der Spitze des Olympiaturms in Peking | |
BERLIN taz | Es läuft gerade nicht gut für Thomas Bach. Dem Präsidenten des | |
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gelingt es nämlich schon seit | |
Monaten nicht, Forderungen nach Olympiaboykotten abzubiegen. Nicht was | |
[1][Tokio 2021] (Corona) betrifft, nicht was Peking 2022 (Menschenrechte) | |
betrifft. | |
Und nun hat am Dienstag ein Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, | |
so etwas gesagt: Ein Boykott der für Februar 2022 in der chinesischen | |
Hauptstadt angesetzten Olympischen Winterspiele „ist etwas, das wir | |
sicherlich diskutieren wollen“. Das ist eine nicht überhörbare Drohung: Die | |
USA überlegen, ob sie nicht mit ihren westlichen Verbündeten gemeinsam | |
Olympia boykottieren. Als Grund wird die [2][Unterdrückung der Uiguren] in | |
der Volksrepublik genannt. Menschenrechtsgruppen sprechen von einem | |
Genozid, der an der muslimischen Minderheit verübt wird. | |
Kurze Zeit später ruderte Ned Price scheinbar zurück: „Es gibt von uns | |
keine Ankündigung bezüglich der Olympischen Spiele in Peking.“ Aber die | |
schon lange währende Diskussion, wie man sich sportpolitisch zu China | |
verhält, ist nun auf höchster Regierungsebene angekommen. In einem offenen | |
Brief von etwa 180 Menschenrechtsorganisationen wird seit Februar | |
gefordert, Peking zu boykottieren. | |
„Alles andere wird als Unterstützung der autoritären Herrschaft und der | |
unverhohlenen Missachtung von Bürger- und Menschenrechten durch die | |
Kommunistische Partei Chinas angesehen.“ Auch in der US-Politik gibt es | |
diese Diskussion. Der republikanische Senator Rick Scott brachte eine | |
Resolution ein, in der das IOC aufgefordert wird, Peking die Spiele wieder | |
abzunehmen. | |
Damit hat der internationale Sport zur gleichen Zeit gleich drei große | |
Boykottdiskussionen an der Backe: Neben Tokio 2021 und Peking 2022 nimmt | |
derzeit auch die Debatte um die Fußball-WM 2022 in Katar an Schärfe zu. Vom | |
organisierten Sport kommen die immer selben Antworten: Man sei „in allen | |
globalen politischen Fragen neutral“, teilte das IOC vor wenigen Tagen mit. | |
Wörtlich verschickte es diesen Satz aber auch, als im März [3][Thomas Bach] | |
mit Ursula von der Leyen, der Präsidentin der Europäischen Kommission, | |
zusammentraf, wo das Thema „Olympia in Peking“ explizit nicht behandelt | |
wurde. Zu den Sätzen, die das IOC gerne verschickt, gehört auch dieser: | |
„Die Vergabe der Olympischen Spiele an ein Nationales Olympisches Komitee | |
bedeutet nicht, dass das IOC der politischen Struktur, den sozialen | |
Umständen oder den Menschenrechtsstandards in seinem Land zustimmt.“ | |
Etwa so ähnlich tönt es aus dem chinesischen Außenministerium. Ein Sprecher | |
kommentierte die Neuigkeiten aus Washington so: „Die Politisierung des | |
Sports läuft der olympischen Charta zuwider, schadet den Interessen aller | |
Sportler und der internationalen olympischen Bewegung.“ | |
Das IOC und Thomas Bach stecken in einem Dilemma: Eine Zurückweisung von | |
„Politik“ bedeutet zugleich einen Schulterschluss mit dem chinesischen | |
Staat. Das IOC muss nämlich entweder die Behauptung der dortigen Regierung, | |
die Vorwürfe seien alles „bösartige Lügen“, zu seiner eigenen machen. Od… | |
aber es muss den Vorwurf, es gebe einen Genozid gegen die Uiguren, als | |
bloße Frage des politischen Meinungsstreits abtun. | |
## „Es besser, Jesse Owens zu sein als die Sowjets 1984“ | |
Dieses Dilemma erwischt das IOC in einer Phase, in der die olympische | |
Bewegung durch die Coronadebatten um die auf 2021 verschobenen Sommerspiele | |
in Tokio ohnehin geschwächt ist. Zudem war die Entscheidung, Peking, wo | |
noch 2008 die Sommerspiele stattfanden und das nicht gerade als Skigebiet | |
gilt, die Winterspiele zu geben, äußerst umstritten. Letztlich war mit dem | |
kasachischen Almaty nur ein zweiter Bewerber übrig geblieben. | |
Andere Städte, unter anderem München, hatten wegen zu starker Proteste | |
gegen ein solches Megaevent zurückgezogen. Nun will das IOC seine selbst | |
sportpolitisch schlechte Entscheidung für Peking gegen immer heftigeren | |
internationalen Protest verteidigen. Die Diskussion rankt sich schon längst | |
um die Frage, wie China am besten begegnet werden könnte. „Es ist besser, | |
dort hin zugehen und dort alles zu dominieren“, zitiert der | |
US-Fernsehsender CNBC einen früher sehr hohen Regierungsbeanten, der anonym | |
bleiben möchte. „Es besser, Jesse Owens zu sein als die Sowjets 1984.“ | |
1936, bei den Spielen in Berlin und Garmisch-Partenkirchen, hatte es im | |
Vorfeld gerade in den USA eine intensive Diskussion über einen Boykott | |
gegeben. Der schwarze Leichtathlet Jesse Owens gewann vier Goldmedaillen | |
und widerlegte symbolisch den Rassenwahn der Nazis. Andere berühmte Spiele, | |
die von Boykotten und Boykottdebatten begleitet wurden, waren 1980 in | |
Moskau und 1984 in Los Angeles, als einmal der Westen, ein anderes Mal der | |
Osten fernblieb. Beide gelten mittlerweile als Beispiele, wie der | |
gewünschte Erfolg eines Boykotts verfehlt wurde. | |
Es scheint, als können Thomas Bach und sein IOC nicht verhindern, dass | |
mittlerweile über Peking 2022 gesprochen wird wie über Berlin 1936. | |
7 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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