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# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Lübcke-Mord: „Zu befürchten war es al…
> Im hessischen Landtag tagt der U-Ausschuss zum Mord an CDU-Politiker
> Walter Lübcke erstmals öffentlich. Ein Zeuge schildert Beunruhigendes.
Bild: Wäre sein Tod zu verhindern gewesen? Portraitfoto Walter Lübckes
Wiesbaden taz | Holger Bellino, der Obmann der CDU, stellt die Frage, die
nach wie vor viele umtreibt: „Hätte man den [1][Mord an Walter Lübcke]
vorhersehen können?“. Der Rechtsextremismusexpert Joachim Tornau antwortet:
„Zu befürchten war es allemal. Die Tat kam nicht aus dem Off.“ Der
Politikwissenschafter und Journalist, der seit zwanzig Jahren die
gewaltbereite rechte Szene in Nordhessen erforscht, ist der erste
sachverständige Zeuge des Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag,
der am Mittwoch zum elften Mal tagte. Der Experte soll dabei helfen, die
Vorgeschichte des rassistisch motivierten Mords an dem CDU-Politiker
aufzuklären.
Es ist die erste öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses mit
Zeugen. Wegen der Pandemie sind nur zwei Dutzend ZuhörerInnen zugelassen.
Der Ausschuss ist in den Plenarsaal des Landtags umgezogen. Auf der
Besuchertribüne verlieren sich JournalistInnen und Interessierte, die sich
anmelden und einem aktuellen Schnelltest unterziehen mussten.
Rechtsextremismusexperte Tornau begründet seine Feststellung, dass der Mord
zu befürchten gewesen sei, mit der Hasskampagne gegen den damaligen
Regierungspräsidenten, nachdem der 2015 auf einer Bürgerversammlung im
nordhessischen Lohfelden für die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin
Merkel eingetreten war: „Man hätte auf die Idee kommen können, dass auf
Worte auch die Taten folgen“, sagt Tornau
Die Sicherheitsbehörden hätten den Regierungspräsidenten zeitweise unter
Polizeischutz gestellt, Hinweise auf eine Bedrohung habe es also gegeben.
Dass der Verfassungsschutz den späteren Mörder Stephan Ernst, einen
mehrfach vorbestraften und bekennenden Neonazi vor der Tat vom Schirm
verloren hätten, weil der sich zeitweise aus der Szenen zurückgezogen
hatte, nennt Tornau „leichtsinnig“.
## Demonstratives Bemühen um Aufklärung
Die Abgeordneten haben sich vorgenommen, bei der Untersuchung des Mords an
ihrem früheren Landtagskollegen die üblichen Rangeleien über das Verfahren
und die Zeugenliste zu vermeiden. In überparteilichen Verhandlungen haben
sie im Vorfeld sogar eine neue gesetzliche Grundlage für die
Ausschussarbeit geschaffen. Mit Hermann Schaus haben sie erstmals einen
Linken-Politiker zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
Es entspricht dem demonstrativem Bemühen um eine ernsthafte Aufklärung,
dass für den ersten öffentlichen Verhandlungstag ExpertInnen geladen sind.
Warum war [2][der spätere Mörder Stephan Ernst] vom Behördenleiter des
Verfassungsschutzes zunächst zwar als „brandgefährlich“ und gleichwohl vor
der Tat als „abgekühlt“ eingestuft worden? Warum konnten er und sein
Waffenkumpan Markus H. ungestört mit Waffen üben und den späteren Tatort
auskundschaften?
Die Antworten des ersten Zeugen auf diese Fragen sind eher beunruhigend.
Auch nachdem 2011 der Mord an Halit Yozgat in Kassel dem
rechtsterroristischen NSU zugeordnet werden konnte, sei das „Erschrecken,
dass Rechte morden“, ausgeblieben, so Tornau. Er listet zahlreiche
gewaltsame Neonazi-Übergriffe aus den 20 Jahren vor dem Mord auf, liefert
ein Dutzend Namen von Aktivisten und zeichnet vielfältige Verbindungen zum
späteren Mörder Ernst nach. Es sei typisch, dass sich gewaltbereite
Neonazis zurückziehen, sich auf Beruf oder Familie konzentrieren, ohne sich
ideologisch abzunabeln.
31 Mar 2021
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Mordfall-Walter-Luebcke/!t5600830
[2] /Urteil-im-Luebcke-Prozess/!5743619
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
Rechtsextremismus
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Hessen
Lesestück Recherche und Reportage
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