# taz.de -- Künstlerin über unsichtbare Kräfte: „Einflüsse, die man nicht… | |
> Die Hamburger Künstlerin Sabine Mohr hat ein Schattentheater gebaut, das | |
> an Platons „Urkörper“ erinnert. Es spielt mit Illusionen in All und | |
> Alltag. | |
Bild: Spiel mit dem Unverstandenen: Sabine Mohrs Schattenspiel | |
taz: Frau Mohr, warum haben Sie Ihre neue Arbeit „Der unsichtbare Begleiter | |
oder die Unbekannte“ genannt? | |
Sabine Mohr: „Unsichtbare Begleiter“ sind Kräfte oder Körper, die andere … | |
sei es im Universum, sei es in unserem Alltag – so beeinflussen, dass wir | |
deren Bewegung nicht mehr nachvollziehen können. Im All könnten das | |
[1][Schwarze Löcher] sein, deren hoch verdichtete Masse andere Gestirne qua | |
Gravitation anzieht und aus ihrer Bahn wirft. Es geht um Einflüsse, die man | |
nicht sieht und nicht vorausberechnen kann. | |
Worauf bezieht sich Ihre Installation konkret? | |
Dazu muss ich den zweiten Bezugspunkt erklären, das „Höhlengleichnis“des | |
antiken griechischen Philosophen Platon, in dem es um Erkenntnis geht. | |
Darin sitzen Menschen in einer Höhle – mit dem Rücken zur Außenwelt, die | |
sie hören, von der sie aber nur Schatten an der Höhlenwand sehen – sowie | |
die Gegenstände, die die Menschen dort tragen. Was ich daran merkwürdig | |
fand: Platon hat an anderer Stelle die fünf Prototypen symmetrischer Körper | |
– Pyramide, Würfel, Oktaeder etc. – benannt und als „wahre Wirklichkeit�… | |
bezeichnet. Wenn die seine Höhlenbewohner die Schatten dieser platonischen | |
Körper gesehen hätten: Hätten sie dann die Möglichkeit gehabt, zur | |
Erkenntnis zu kommen? | |
Wie manifestieren sich diese Überlegungen in Ihrer Arbeit? | |
Ich habe die platonischen Körper nachgebaut und mit kleinen Stäben auf | |
rotierende Scheiben gespießt. Die durchsichtigen Körper, von denen also man | |
nur die Kanten sieht, drehen sich langsam auf den Scheiben. Ihre Schatten | |
überschneiden sich, scheinen sich mal zu bedrängen, zu beschleunigen, mal | |
zu Fall zu bringen, zeigen sich aus immer neuen Winkeln. Wenn man nur die | |
Bewegung der Schatten sieht, versteht man diese Wechsel von Tempo und | |
Perspektive nicht. Das begreift man nur, wenn man auf die Ursachen schaut: | |
die Körper und die Rotationskräfte, die auf sie einwirken. | |
Hat Ihre Arbeit auch einen aktuelle Dimension? | |
Ja. Auch Corona ist derzeit unser „unsichtbarer Begleiter“, der unseren | |
Lebensrhythmus aus der Bahn geworfen hat. Und noch etwas ist bemerkenswert: | |
Wir bekommen in den Nachrichten ja oft das Corona-Modell gezeigt, eine Art | |
stacheliger Kugel. Diese Form sieht den platonischen Urkörpern recht | |
ähnlich. Der US-amerikanische Physik-Nobelpreistträger und Autor Frank | |
Wilczek schreibt, Viren hätten eine gewisse Ähnlichkeit mit Grund- und | |
Urformen. Vielleicht war Platon mit seinen Elementarbausteinen der Natur | |
gar nicht so weit davon entfernt. | |
3 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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