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# taz.de -- Neues Album von Alice Phoebe Lou: Ein Ventil, um Dampf abzulassen
> Kopfhörer auf und wegbeamen: Die südafrikanische Songwriterin Alice
> Phoebe Lou veröffentlicht mit „Glow“ ein neues Album.
Bild: Die südafrikanische Singer-Songwriterin Alice Phoebe Lou
Monatelang war Lockdown „light“ im kalten Winter und jetzt geht es rein in
die dritte Welle. Düstere Aussichten, aber anscheinend der beste Zeitpunkt
für die südafrikanische Künstlerin Alice Phoebe Lou, um ihr Album „Glow“…
veröffentlichen. Wenn sowieso nichts geht, einfach hinlegen, Kopfhörer auf
und Wegbeamen: hin zu den Traumstränden dieser Welt. Wo man dann, wenn die
Pandemie dereinst überstanden ist, am Tresen einer scheddrigen Strandbar
sitzt. Sie wäre das perfekte Setting für diese Musik.
Denn „Glow“ klingt entspannt, träge, warm und organisch. Es vermittelt das
Gefühl von Hochsommer, wenn die flirrende Hitze jede Bewegung erschwert.
Ihre Songs mäandern vor sich hin, als würden sie sagen: Nur die Ruhe, wir
haben es nicht eilig. Doch der unbeschwerte Eindruck täuscht, unter der
Oberfläche brodelt es: Die 28-Jährige singt traurige Geschichten über
gescheiterte Liebe und Verlust. Wie bei „Lovesick“: „I’m sick with love…
It’s got me where it hurts“. Lou sagt, ihre Musik sei ein Ventil, um Dampf
abzulassen. Um die bitteren Erfahrungen zu verarbeiten, die auch sie im
Coronajahr 2020 gemacht hat.
Für Alice Phoebe Lou war es eine Vollbremsung. Geboren in Kapstadt als Kind
von zwei Filmschaffenden, war sie von Kindesbeinen mit künstlerischer
Arbeit vertraut. Die Jugend verbrachte sie als Straßenmusikerin in Paris,
Amsterdam und Berlin, wo sie schließlich wohnen blieb. Aufmerksamkeit bekam
Alice Phoebe Lou schon für ihr Debütalbum „Orbit“ (2016), damals war sie
noch mit dem Image der talentierten Straßenmusikerin behaftet. Beim zweiten
Album, „Paper Castles“ (2019), nahm ihre Karriere an Fahrt auf. Während der
anschließenden Tournee reiste sie um die ganze Welt und gab mehr als 100
Konzerte.
Die Aufnahmen für ein neues Album in einem kanadischen Studio waren bereits
in Planung. Dann brach Corona aus. Alice Phoebe Lou bleibt zurückgezogen in
Berlin, verbringt so viel Zeit an einem Ort wie nie zuvor. Kämpft mit
persönlichen Krisen. Das alles fließt ein in „Glow“. Ersatzweise
organisiert sie ein Studio in Dresden. Dort entsteht die Musik. Die
Einsamkeit in der Coronazeit zwingt sie, sich komplett auf sich selbst und
ihre Gefühle zu konzentrieren. Dazu will sie auch ihre Hörer:Innen mit
dem Album ermutigen: „Beim Komponieren habe ich mich meinen Abgründen
gestellt. Ich zeige anderen damit, dass dies hilfreich sein kann.“ Im
Auftakt „Only When I“ singt Lou: „You didn’t heal me but I healed / From
the things that you do“.
Glück im Unglück
Alice Phoebe Lou hält sich dennoch für privilegiert: Eine Aufnahme war
ohnehin geplant, Tourneen absagen musste sie nicht. Die Zwangspause habe
sie gebraucht, sagt sie.
Das Studio in Dresden erweist sich als Glücksort. Vintage-Equipment hilft
ihr dabei, einen besonders organischen Sound zu kreieren. Das ist auch der
wesentliche Unterschied zum Vorgänger. Beim Auftaktsong „Only When I“ füh…
es sich an, als ob Lou direkt im Raum stehen und ihre Worte ihren
Hörer:Innen sachte ins Ohr singen würde. Atmen und Knistern vermitteln
Nähe. Sparsame Instrumentierung lässt wunderschöne Melodien entfalten. Die
Songs „Only When I“ und „Heavy // Light as Air“ bauen sich allmählich …
und entfalten dann unglaublichen Sog: Singer-Songwriter-Dream-Pop mit
dezentem R&B-Einfluss.
Manchmal überfrachtet Alice Phoebe Lou ihre Musik noch zu viel. Im
Titeltrack „Glow“ etwa konkurrieren Instrumentierung und Stimme unnötig um
Aufmerksamkeit. Sein Sound wirkt rauer, aber auch zielloser. „Dirty Mouth“
nimmt dann plötzlich Geschwindigkeit auf und klingt nach leichtfüßigem Pop.
Doch so einfach lässt Lou die Hörer:Innen nicht davonkommen. Danach
macht sie wieder einen Bruch. Die restlichen elf Songs sind dann
gemächlich, was zum entspannten Charakter des Albums beiträgt. Damit sind
die einzelnen Songs auch schwerer zu identifizieren.
Als Alice Phoebe Lou sie 2020 aufnahm, hoffte sie noch, dass bis zur
Veröffentlichung heute alles wieder normal sein würde. Jetzt musste auch
sie ihre anstehende Tournee verschieben. Trotzdem hielt sie am
Veröffentlichungstermin fest. „Die Musik ist noch frisch, deshalb wollte
ich sie möglichst schnell rausbringen.“ Vielleicht können ihre Songs
helfen, durch die dritte Welle zu kommen.
19 Mar 2021
## AUTOREN
Niklas Münch
## TAGS
Musik
Popmusik
Neues Album
Musik
Punk
Techno
Straßenmusik
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