# taz.de -- Coronahilfen bringen kaum weniger CO2: Viel Geld, wenig Klimaschutz | |
> Wie grün sind die Corona-Hilfsprogramme? Darum wird erbittert gestritten. | |
> Das Umweltministerium zieht intern eine ernüchternde Bilanz. | |
Bild: Wie grün ist der? Produktion des VW ID.3 in Zwickau | |
BERLIN taz | Für die Ministerin war das Konjunkturpaket, das die | |
Bundesregierung im vergangenen Sommer beschlossen hatte, „zukunftsweisend“. | |
Es sei gelungen, [1][„ein großes Programm für den Umwelt- und Klimaschutz | |
aufzulegen“, erklärte eine zufriedene Bundesumweltministerin Svenja Schulze | |
(SPD) im Juni 2020.] Doch neun Monate später ist von dem Optimismus nicht | |
mehr viel zu spüren. Von Umweltverbänden kommt Kritik, die Regierung hat | |
Mühe, die EU-Vorgaben einzuhalten. Und Schulzes eigenes Ministerium geht | |
davon aus, dass das mit etwa 140 Milliarden Euro größte Konjunkturpaket, | |
das jemals in Deutschland geschnürt wurde, die Treibhausgasemissionen kaum | |
zusätzlich senken kann. | |
So zumindest steht es in einer Untersuchung, die unter anderem die | |
Thinktanks Öko-Institut, Fraunhofer ISI und prognos für das Ministerium | |
erstellt haben. Diese „Abschätzung der Treibhausgas-Minderungswirkungen des | |
Konjunkturpakets“ liegt der taz vor. Das Ergebnis ist ernüchternd, heißt es | |
in einer internen Bewertung des Ministeriums: Die 40 Milliarden Euro, die | |
von den 140 Milliarden des Gesamtpakets ausdrücklich für Umwelt- und | |
Klimaschutz vorgesehen sind, trügen zwar dazu bei, dass „trotz der Pandemie | |
der klimapolitische Kurs der Bundesregierung bestätigt wird.“ | |
Es gebe „geringfügige, zusätzliche Minderungswirkungen in den Sektoren | |
Gebäude, Verkehr und Industrie“, heißt es. Aber insgesamt „ist nicht von | |
einer großen, zusätzlichen Minderung der THG-(Treibhausgas, d. | |
Red.)Emissionen gegenüber dem Klimaschutzprogramm 2030 durch das | |
Konjunkturprogramm auszugehen.“ | |
Vor und hinter den Kulissen wird derzeit kräftig um die mehr oder weniger | |
grünen Details der Hilfspakete auf europäischer und nationaler Ebene | |
gerungen. Am Montag debattiert der Haushaltsausschuss des Bundestags das | |
Thema, am vergangenen Donnerstag verhandelten die EU-Umweltminister dazu. | |
Schulze erklärte danach, „engagierter Klimaschutz ist jetzt ein | |
Kerngeschäft europäischer Politik. Das zeigt sich auch bei den | |
Wiederaufbauplänen der Mitgliedsstaaten.“ | |
## Klima-Berechnungen umstritten | |
Mindestens 37 Prozent müssen daher auch im „Deutschen Aufbau- und | |
Resilienzplan“ (DARP) für den Klimaschutz drin sein, damit Deutschland an | |
EU-Gelder in Höhe von knapp 30 Milliarden kommen kann. Die Quote liege „bei | |
ca. 40 Prozent und erfüllt damit eine der zentralen Forderungen“, erklärte | |
ein Sprecher Schulzes. Die Umweltseite sei „unter anderem mit zwei | |
zentralen Vorhaben zur Dekarbonisierung der Industrie in einer | |
Größenordnung von insgesamt einer Milliarde Euro vertreten“, hieß es. | |
Allerdings rechnet der „Green Recovery Tracker“ anders. [2][Dieses Analyse- | |
Instrument vom Wuppertal-Institut und der Umweltgruppe E3G ging vergangene | |
Woche online.] Es kommt bei den deutschen Programmen für EU-Hilfen nur auf | |
einen Klima-Anteil von 34 Prozent. Umweltgruppen wie der Deutsche | |
Naturschutzring [3][bemängeln, dass Subventionen auch für klimaschädliche | |
Diesel-Lkw und Hybridautos fließen sollen, dass Hilfen für Biodiversität | |
fehlen und Öko-Verbände nicht wie vorgeschrieben konsultiert wurden.] | |
Allerdings wird um die Details noch gefeilscht – Die EU-Länder müssen ihre | |
endgültigen Pläne Ende April abgeben. | |
Erst vor einer Woche hatte die deutsche Politik für ihre Pläne zur „Green | |
Recovery“ international Lob geerntet. Im [4][„Economy Recovery Project“, | |
einer Untersuchung der Universität Cambridge und des UN-Umweltprogramms | |
Unep war Deutschland] zusammen mit Dänemark und Norwegen weltweit unter den | |
Vorreitern bei grünen Investments gegen die Covid-Krise: Immerhin 47 | |
Prozent der dort nur etwa 98 angerechneten Milliarden fließen demnach in | |
„grüne“ Bereiche. | |
## „Nicht automatisch alle Maßnahmen akzeptiert“ | |
Aber auch hier ist der „Green Recovery Tracker“ kritischer: Bei ihm kommt | |
Deutschland nur auf einen Anteil von 22 Prozent klimafreundliche | |
Wirtschaftshilfen bei dem 140-Milliarden-Paket – allerdings bei ähnlichen | |
Gesamtsummen. Ein Grund für die unterschiedliche Bewertung nennt Felix | |
Heilmann von E3G: „Wir haben nicht automatisch alle grünen Maßnahmen | |
akzeptiert, sondern sie wie auch die EU genau angesehen: Wenn bei | |
Elektromobilität auch Hybridautos gefördert werden, haben wir das | |
rausgerechnet.“ | |
Wie sehr der Teufel im Detail steckt, zeigt die interne Bewertung des | |
Umweltministeriums zur „Abschätzung der Treibhausgas-Minderung“ durch das | |
Konjunkturpaket vom Sommer: So würden die frischen Hilfsgelder zum Beispiel | |
zu 1 bis 2 Millionen Tonnen weniger CO2 in 2030 führen, weil mehr grüner | |
Wasserstoff eingesetzt werde. Auch würden bei Verkehrsunternehmen wie der | |
Bahn „Einbußen der Krise abgefedert“ und damit etwa Streckenschließungen | |
verhindert. Geringe CO2-Einsparungen gebe es auch etwa bei Holzwirtschaft, | |
Gebäudedämmung und beim Flug- und Schiffsverkehr. | |
Doch für viele Bereiche lassen sich keine Einsparungen belegen oder keine | |
Aussagen machen, wie sehr die 40 Milliarden „zusätzliche Wirkungen“ | |
jenseits des schon beschlossenen Klimaschutzprogramms 2030 bringen sollen. | |
Vor allem bei den dicken Brocken steht eine Null oder ein „n.a“ für „nic… | |
abschätzbar“: Etwa bei der Steuerfinanzierung der EEG-Umlage (11 | |
Milliarden), mehr Regionalmitteln für den ÖPNV (2,5 Milliarden), neuen | |
E-Ladesäulen (2,5 Milliarden) oder der Kapitalerhöhung bei der Bahn (5 | |
Milliarden). Bei der Kfz-Steuer führen die Corona-Hilfen demnach sogar zu | |
50 Millionen Tonnen mehr Emissionen als im Klimaschutzprogramm 2030 | |
geplant, weil die Steuererhöhung nun geringer ausfällt. | |
Die Studie, die nur als „Entwurf“ existiert, wurde nicht veröffentlicht. | |
Offiziell hieß es von den Instituten und vom Ministerium, die Daten gäben | |
belastbare Aussagen nicht her. Das Material werde überarbeitet und im Zuge | |
eines späteren Monitoring-Berichts veröffentlicht. | |
23 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmu.de/interview/statement-von-svenja-schulze-zum-konjunkturpak… | |
[2] https://www.greenrecoverytracker.org/ | |
[3] https://www.dnr.de/positionen/2021/verbaendekritik-am-deutschen-aufbau-und-… | |
[4] /Wirtschaftshilfen-in-der-Coronakrise/!5757505 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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