# taz.de -- Siebter globaler Klimastreik: Von Asien bis zur Arktis | |
> Beim siebten globalen Klimastreik protestieren wieder viele Menschen für | |
> mehr Klimaschutz – trotz Pandemie. Ein Überblick. | |
Bild: Klimastreik mit Abstand: Demonstration mit Kanus auf der Spree in Berlin | |
BERLIN/KIEW taz/Agenturen | Abwechselnd prasseln Regen, Hagel und Schnee | |
auf die Aktivist:innen [1][der „Fridays for Future“-Bewegung] herab. | |
Von ihrem Ziel lassen sie sich aber nicht abbringen. Rund 200 Leute sind am | |
Freitag auf der Berliner Oberbaumbrücke zusammengekommen, um die Brücke | |
unter dem Motto „#NoMoreEmptyPromises“ zu bemalen. Weil größere | |
Versammlungen wegen der Corona-Pandemie nicht möglich sind, soll die | |
pandemiekonforme Kunstaktion die Ziele von FFF wieder mehr in den | |
öffentlichen Fokus rücken. | |
[2][Übertragen wird die Aktion über einen Livestream], gezeigt werden | |
Musikperformances und später dann Drohnenaufnahmen der fertigen | |
Kunstaktion. | |
Die Aktion auf der Berliner Oberbaumbrücke ist Teil des siebten globalen | |
Klimastreiks, dem ersten globalen Klimastreiktag seit langem. Von der | |
Oberbaumbrücke bis zur Ostukraine, von Asien bis in die Arktis sind | |
tausende Demonstranten der „Fridays for Future“-Bewegung weltweit wieder | |
auf die Straßen gegangen. Mit dabei waren auch Aktivisten in Staaten, in | |
denen die Folgen der Klimakrise bereits heute stark zu spüren sind – etwa | |
asiatische Länder wie Bangladesch, Sri Lanka und die Philippinen oder das | |
afrikanische Kenia. [3][Einem Tweet von Wissenschaftlern des | |
Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven zufolge] unterstützten auch | |
wieder Forscher in der Arktis und Antarktis die Proteste. | |
Und auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg war dabei. In | |
Thunbergs Heimatstadt Stockholm legten Demonstranten auf dem zentralen | |
Platz Sergels torg Protestschilder aus, auf denen unter anderem „Science | |
not Silence“ (Wissenschaft statt Schweigen) und „Time is running out“ (Die | |
Zeit läuft ab) zu lesen war. Thunberg selbst schrieb auf Twitter: [4][“Wir | |
streiken in Schichten, um große Menschenmengen zu vermeiden und unsere | |
Zahlen so niedrig wie möglich zu halten.“] | |
## Seit sechs Uhr morgens | |
An der Berliner Oberbaumbrücke hatten die Vorbereitungen schon um sechs Uhr | |
morgens begonnen: Mit Kreide wurden die Umrisse für eine riesige | |
Straßenbemalung auf den Asphalt gezeichnet, die von kleineren Gruppen mit | |
Farbe befüllt wurden. In der Mitte der Brücke war der Slogan „Another World | |
Is Possible“ zu lesen, daneben befanden sich acht verschiedene Symbole mit | |
FFF-Kernforderungen: Nötig sei ein Umdenken unter anderem in den Bereichen | |
Mobilität, Energie, Ernährung und Gesundheit. | |
Der durchnässte Asphalt erschwerte das Ausfüllen der Logos mit Farbe. | |
Bewusst wurden biologische Farben auf Naturbasis wie Kurkuma und rote Beete | |
gewählt, um die Spree nicht zu verschmutzen. | |
Auf Schildern appellierten die Teilnehmenden an ein vorsichtiges Verhalten. | |
„Kein Zutritt ohne Masken“ hieß es auf einem, „Achtung Viren!“ auf ein… | |
anderen. Ein Teil der Aktivist:innen hatte vor der Aktion einen | |
Schnelltest gemacht. Wegen der dritten Pandemiewelle ist ein vorsichtiger | |
Umgang mit Hygieneregeln deutlich zu erkennen. | |
## „Zeit für leere Versprechen vorbei“ | |
Dass die Pandemie größere Straßenproteste verhindert und der Bewegung | |
Aufmerksamkeit gekostet hat, sieht auch FFF-Sprecher Quang Paasch so: „An | |
Momentum verloren haben wir ohne Frage. Der Diskurs hat sich auf die | |
Pandemie verschoben. Der Kampf für das 1,5-Grad-Ziel ist aber nicht weniger | |
relevant geworden.“ | |
Mit Blick auf das anstehende Wahljahr erklärte Mitorganisatorin Carla | |
Reemtsma: „Die kommende Legislaturperiode sehen wir als entscheidend. Wenn | |
wir so weitermachen, ist unser CO2-Budget in sieben Jahren aufgebraucht.“ | |
Angedacht seien daher auch weitere Aktionen, um eine konsequente Umsetzung | |
des 1,5-Grad-Ziels einzufordern. Die Zeit für leere Versprechen sei vorbei. | |
## Protest in der Ukraine | |
Das sehen auch viele in der Ukraine so. Dort haben sich in insgesamt 15 | |
Städten Menschen an dem weltweiten Streik beteiligt. Dies berichtete ein | |
Sprecher der Kiewer Gruppe von „Fridays for Future“ gegenüber der taz. Mit | |
Plakaten und Transparenten hatten sich am Freitagvormittag 25 Personen vor | |
dem Sitz der ukrainischen Regierung in Kiew versammelt und ein „Ende der | |
leeren Versprechungen im Klimaschutz“ gefordert. | |
Auf Plakaten forderten sie „ändert das System, nicht das Klima“, „be part | |
of the solution, not the pollution“, „100% Erneuerbare bis 2050“. | |
„Entschuldigung Mama, ich kann dich nicht zur Oma machen auf diesem | |
Planeten“, hatte eine Frau auf ein Plakat geschrieben. | |
Nach einer Stunde zogen die Protestierenden zum wenige Meter entfernten | |
Parlament. In einer Erklärung forderten die Umweltschützer:innen bis | |
2030 eine Reduktion der ukrainischen klimaschädlichen Emissionen auf ein | |
Niveau von 72 % gegenüber dem Jahr 1990. Zudem müsse bis 2050 ein | |
klimaneutrales Wirtschaften erreicht werden. Außerdem solle die ukrainische | |
Regierung endlich den Klimanotstand ausrufen, so die Aktivist:innen. | |
## Besonderheit Marhanez | |
Das Ziel eines Umstieges auf ein klimaneutrales Wirtschaften bis 2050 ist | |
durchaus realistisch. 2017 beschrieben ukrainische Wissenschaftler in einem | |
gemeinsamen Bericht der Heinrich-Böll-Stiftung und des Instituts für | |
Wirtschaft und Prognostizierung der Nationalen Akademie der Wissenschaften | |
der Ukraine, wie die Ukraine bis 2050 zu 90 Prozent auf erneuerbare | |
Energien umsteigen kann. | |
Noch hat die ukrainische Klima-Bewegung unter Schüler:innen wenig | |
Rückhalt. Eine Ausnahme ist die 48 Tausend-Einwohner Stadt Marhanez in der | |
Ostukraine. Hier waren so viele Menschen auf die Straße gegangen wie in | |
Kiew. „Und die meisten von uns waren Schüler:innen um die 16 Jahre“, | |
berichtet die Sprecherin Julia Bond der taz am Telefon. Man freue sich, | |
dass man auch in einer Kleinstadt Teil der ukrainischen und der weltweiten | |
Klimabewegung sein könne. | |
## Quecksilberhaltige Produkte in den Hausmüll | |
Man habe gemeinsam einen Brief an die Regierung geschrieben und diese | |
aufgefordert, bis 2050 die ukrainische Wirtschaft mit 100 Prozent | |
erneuerbarer Energie zu versorgen. Aber man habe auch Forderungen an die | |
lokale Verwaltung und den Bürgermeister gerichtet. In der Stadt gebe es | |
weder Mülltrennung noch eine Einrichtung für Sondermüll. Quecksilberhaltige | |
Produkte, Batterien, Computer etc. würden im ganz normalen Hausmüll | |
entsorgt. | |
Deswegen habe die Fridays for Future-Gruppe in Marhanez auch die | |
Einrichtung einer Sammelstelle für Sondermüll und Mülltrennung gefordert, | |
so Julia Bond. Die Klimakatastrophe ist auch in der Ukraine angekommen. | |
Unterdessen veröffentlichte [5][das renommierte Portal lb.ua] einen Artikel | |
über mögliche Folgen des Klimawandels in der Ukraine. Darin kommen | |
ukrainische Wissenschaftler und Experten zu dem Schluss, dass insbesondere | |
dem Gebiet um Odessa bis 2040 Überschwemmungen, Dürreperioden und ein | |
Anstieg des Meeresspiegels bevorstehe. Infolge des Wassermangels drohe der | |
Landbevölkerung um Odessa wegen Ausfällen in der Landwirtschaft eine | |
soziale Katastrophe. | |
## Auch Kirchen mit dabei | |
[6][Fridays for Future hatte für diesen Freitag zum ersten globalen | |
Klimagroßprotest des Jahres aufgerufen.] Unter dem Motto | |
#NoMoreEmptyPromises – keine leeren Versprechungen mehr – wollten die | |
Organisatoren in mehr als 50 Ländern gegen die Förderung fossiler | |
Brennstoffe und eine aus ihrer Sicht verfehlte und mangelhafte Klimapolitik | |
protestieren. In Deutschland sind nach Angaben der Veranstalter unter | |
Einhaltung von Corona-Hygieneregeln Präsenz-Aktionen in mehr als 210 | |
Städten geplant. Größere Kundgebungen sollten etwa in Berlin, Köln und | |
Hamburg stattfinden. | |
Auch die Kirchen hatten zu dem Klimastreik aufgerufen. „Wir wissen seit | |
Langem, dass wir etwas gegen den Klimawandel und für die Bewahrung der | |
Schöpfung tun müssen“, betonte der Bischof der Evangelischen Kirche | |
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein: „Er | |
betrifft uns alle, aber ganz besonders den Globalen Süden.“ | |
Die Bewegung „Fridays for Future“ habe viele wachgerüttelt, betonte | |
Stäblein: „Sie erinnern uns mit ihrer inzwischen weltweiten sozialen | |
Bewegung für das Klima und ihrem Aufruf zum globalen Klimastreik | |
nachdrücklich daran: Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“ Auch die | |
Kirche sei in der Pflicht, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen. | |
Das Motto „#AlleFür1Komma5“ mahnt die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens | |
von 2015 an. Der Vertrag setzt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich | |
unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zum | |
vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. | |
19 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://fridaysforfuture.de/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=JDgV5A__QvM | |
[3] https://twitter.com/AWI_de/status/1372828674936950784 | |
[4] https://twitter.com/GretaThunberg/status/1372858457100070914 | |
[5] https://lb.ua/ | |
[6] https://fridaysforfuture.de/allefuer1komma5/ | |
## AUTOREN | |
Oscar Fuchs | |
Bernhard Clasen | |
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