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# taz.de -- Die Grünen und die Autos: Hassen Sie Autos, Herr Minister?
> Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann wurde gern
> als Autogegner dargestellt. Doch nun der Schock: Er ist gar keiner.
Bild: Schon immer Autofahrer: Verkehrsminister Hermann in einem Mercedes bei ei…
Wer Kulturkämpfe führen will, hat keine oder schlechte Argumente in der
Sache, das gilt für alle Ideologien und politischen Parteien. Im speziellen
Fall der [1][CDU Baden-Württemberg] war es so, dass sie sich den
Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann zum Staatsfeind Nr. 1 auserkoren
hatte. Vorwurf: Fährt Fahrrad. Hasst Autos. Richtig ist, dass er Fahrrad
fährt. Beruflich saniert er dagegen jede Mengen Straßen für den
Autoverkehr, weil aus den alten Zeiten der CDU-Regierung sehr, sehr viel
liegen geblieben ist.
Aber etwas bleibt immer hängen, und so werden einige Leute bass erstaunt
sein über das Geheimnis, dass Hermann, 68, nun in seiner
autobiografisch-politischen Mobilitätsgeschichte „Und alles bleibt anders“
(molino-Verlag) enthüllt: Er sei nicht nur „kein Feind des Autos und der
Autoindustrie“, er wuchs in Rottenburg am Neckar als Autonarr auf. War
komplett fixiert auf ein eigenes Auto und fuhr eines mit dem 18. Geburtstag
– einen Ford Taunus 12 M, den er seinen Eltern abgeschwatzt hatte.
Hermann, langjähriger Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, war
2011 [2][in die erste Kretschmann-Regierung gewechselt] und bearbeitet dort
seither mit dem Klima- und Umweltminister Franz Untersteller den grünen
Transformationskern.
Landespolitische Fortschritte sind meist nur mit sehr genauem Blick zu
bemessen, aber bei Hermann ist das anders: Er saniert nicht nur Straßen, er
hat von der Ladeinfrastruktur für Elektroautos über den öffentlichen
Nahverkehr bis zu einer bundesweit führenden Fahrradstrategie Sichtbares
und Spürbares aufzuweisen. Er hole vielleicht nicht die Stimmen, sagt ein
landespolitischer Insider, sei aber „klar der Aktivposten der grünen
Regierung“. Und massiert mit seiner Arbeit die grüne Parteiseele.
„In der Sache habe ich eine lange Bilanz dessen, was wir hingekriegt
haben“, sagt er am Telefon, „aber wenn ich die Klimabilanz sehe, bin ich
frustriert.“ Fahrradförderung, Radwege, Stadtbahn, Kombiticket, das alles
verändert menschliche Lebensräume zum Besseren. Aber, sagt Hermann,
„solange fossile Autos und Lkws massenhaft da sind und auf nationaler und
europäischer Ebene die Rahmenbedingungen das begünstigen, werden wir im
Klimaschutz nicht erfolgreich sein.“
So skizziert er in seinem Buch etwa die Elektrifizierung der Autobahn für
den Gütertransport oder erklärt, dass er für die Maut ist, um den
Klimaschaden zu bepreisen.
Während er in den ersten Jahren, auch wegen Stuttgart 21, tatsächlich das
Lieblingsschreckgespenst der damals oppositionellen CDU abgab, hat sich das
längst geändert. Schon vor der letzten Wahl sprachen die Leute in Umfragen
den regierenden Grünen die höchste Problemlösungskompetenz im Bereich
Verkehr zu.
Was zum einen bedeuten kann, dass der anfangs etwas arglose Hermann
cleverer geworden ist. Zum Zweiten, dass er mit seiner modernisierten
Mobilitätspolitik schlicht die Mehrheitsgesellschaft vertritt. Und zum
Dritten, dass die Zeit der inszenierten Blockade durch
Autobahnfreiheitsgewinsel zu Ende geht.
Im Gegensatz zu [3][Umweltminister Untersteller] stellt sich Winfried
Hermann erneut zur Wahl. Er habe, sagt er, zu denen gehört, die
Ministerpräsident Kretschmann ausdrücklichst gebeten hatten,
weiterzumachen. „Damit war für mich klar, dass ich auch weitermache.“ Wenn
er seinen Stuttgarter Wahlkreis erneut und diesmal gegen die
CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann gewinnt, kann derweil deren
Karriere an diesem Sonntag zu Ende sein.
13 Mar 2021
## LINKS
[1] /CDU-Baden-Wuerttemberg/!t5261430
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[3] /Gruene-in-Baden-Wuerttemberg/!5751306
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Kolumne Die eine Frage
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg
Auto
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grüne Mobilität
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg
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