# taz.de -- Grüne Spitzenkandidatin Rheinland-Pfalz: „Keine Zeit für Farben… | |
> Trotz mauer Umfragewerte gehen die Grünen in Rheinland-Pfalz optimistisch | |
> in die Landtagswahl, sagt die Spitzenkandidatin Anne Spiegel. | |
Bild: Anne Spiegel will starke Stimme für Klimaschutz und soziale Gerechtigkei… | |
taz: Frau Spiegel, für die Grünen begann der Landtagswahlkampf in | |
Rheinland-Pfalz mit einem Fehlstart. Die grüne Umweltministerin [1][Ulrike | |
Höfken] musste ihr Amt zum Jahresende aufgeben. Sie übernahm Verantwortung | |
für eine rechtswidrige Beförderungspolitik in ihrem Ministerium. „Grüner | |
Filz“ ätzt seitdem die CDU, und die bundesweit anerkannte Fachfrau fällt im | |
Wahlkampf aus. Jetzt müssen Sie es alleine richten. Klappt das? | |
Anne Spiegel: Ich glaube, es läuft gut – trotz der merkwürdigen Bedingungen | |
der Coronapandemie. Klar, können wir gerade nicht so viel unterwegs sein | |
und mit Menschen in Kontakt treten, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber | |
wir Grünen machen einen selbstbewussten, eigenständigen Wahlkampf. Die | |
Stimmung ist gut. Wir hatten noch nie so viele Mitglieder wie jetzt. Es | |
sind vor allem junge Menschen, die für den Klimaschutz brennen. Die stehen | |
jeden Tag irgendwo mit Flyern und machen Wahlkampf. Das zu spüren, tut gut. | |
In den aktuellen Umfragen liegen die rheinland-pfälzischen Grünen 8 | |
Prozentpunkte hinter dem Bundestrend. Was läuft falsch? | |
[2][In Rheinland-Pfalz] waren wir schon immer auf einem anderen | |
Umfrageniveau als im Bund. Aber es ist nicht so, dass wir im Sinkflug | |
wären. Unsere Zahlen sind stabil. Aber uns war natürlich klar, dass es am | |
Ende eine Zuspitzung geben wird zwischen SPD und CDU. Da halten wir | |
dagegen. | |
Sie haben selbst vier Kinder im Grundschul- und Kitaalter – und gesagt, | |
dass die Familien wegen Corona seit Monaten an der Belastungsgrenze sind. | |
Haben Sie, hat die Landesregierung auch Fehler gemacht? | |
Die Pandemie hat uns alle überrollt. Sie war ein echter Stresstest. | |
Rückblickend hätte man etwa die Spielplätze nicht schließen müssen, weil | |
wir ja wissen, dass draußen das Infektionsgeschehen anders ist. Sie sehen, | |
mein Blick ist sehr auf die Familien und Kinder gerichtet. Wir muten denen | |
gerade wahnsinnig viel zu. Mein Sohn ist jetzt sechs geworden und ich habe | |
ihn gefragt, ob er sich noch an die Zeit erinnern kann, als die Menschen | |
keine Masken tragen mussten, und er hat gesagt, er weiß es nicht mehr. | |
Wie würden Sie die fünf Regierungsjahre in der Ampelkoalition bilanzieren? | |
Was haben Sie an der Seite der FDP erreichen können? | |
Es ist uns gelungen, grüne Projekte im Koalitionsvertrag zu verankern. Wir | |
haben den Ökolandbau gestärkt, auch den Ökoweinbau. Wir haben den | |
Artenschutz, den Natur- und Landschaftsschutz verbessert – und wir haben | |
den Ausbau von Solar- und Windenergie vorangetrieben. Allerdings auf einem | |
geringeren Niveau, als wir Grüne uns das gewünscht hätten. | |
Sie sind stolz darauf, dass in Rheinland-Pfalz jede zweite Kilowattstunde | |
Strom aus erneuerbaren Energien kommt. Auf den Hochflächen des Hunsrücks | |
steht eine Windkraftanlage neben der anderen. Sind als Nächstes der | |
Bergrücken am Rand des Rheintals und der Pfälzer Wald an der Reihe? | |
Es gibt Ausschlussgebiete, und die soll es auch weiterhin geben. Aber wir | |
werden mehr Energie brauchen, die aus Wind erzeugt wird. Dabei werden wir | |
ein gutes Stück weiterkommen, indem wir alte Anlagen durch stärkere, neue | |
ersetzen. | |
Windräder auch in Wäldern? | |
Wir haben ja leider massive Waldschäden zu beklagen, wegen des Klimawandels | |
und der Borkenkäferplage. Ich möchte die Stellen, wo der Wald schon | |
abgestorben ist, anschauen lassen, ob sie als Standorte geeignet sind. | |
Sie haben in dieser Legislaturperiode einige Kröten schlucken müssen. So | |
wurde die Hochmoselbrücke fertiggestellt, ein milliardenschweres | |
Bauprojekt, das die Grünen als unsinnig kritisiert hatten. Bei Sankt Goar, | |
mitten im Unesco-Weltkulturerbe, wird eine neue Rheinbrücke gebaut. Ist das | |
die Verkehrswende? | |
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass es eine | |
Welterbe-verträgliche kommunale Brücke über den Rhein geben soll. Da liegt | |
der Ball jetzt beim Landrat, aber in der Verkehrspolitik haben wir | |
tatsächlich einiges zu tun. Bei den großen Projekten ist der | |
Bundesverkehrswegeplan maßgebend. Da haben wir als Land keinen Einfluss. | |
Der Bund hat ein Hoheitsrecht und als Land müssen wir das umsetzen, ob wir | |
wollen oder nicht. | |
Da wäre der erste Hebel, den Bundesverkehrswegeplan in einen | |
„Mobilitätsplan“ umzuwandeln, um von dem einseitigen Blick auf Straßen | |
wegzukommen und auch den Schienenausbau und -verkehr einzubeziehen. Aber | |
wir müssen auch im Land viel tun. Wir wollen den massiven Ausbau des Bus- | |
und Bahnverkehrs. Wir wollen die Verdopplung des Ausbaus des Radwegenetzes. | |
Wir wollen ein E-Car-Sharing-Angebot in jeder Verbandsgemeinde. Und wir | |
wollen ein 365-Euro-Jahresticket für junge Leute, weil der ÖPNV bezahlbar | |
sein muss. | |
Sind die Grünen nicht oft zu defensiv? Ich denke an die Diskussion um | |
Einfamilienhäuser. Anton Hofreiter hat lediglich auf deren schlechte | |
Klimaschutzbilanz hingewiesen und dass sie nicht die Antwort auf den | |
Wohnungsmangel in Ballungszentren sein können. Trotzdem entsteht jetzt der | |
Eindruck, die Grünen rudern zurück? | |
Ich bin da offensiv unterwegs, räume dieses Missverständnis aber gerne aus | |
der Welt. Natürlich wollen wir kein Verbot von Einfamilienhäusern, schon | |
gar nicht in Rheinland-Pfalz. Wir sind ein ländlich geprägtes Land. Da gibt | |
es Einfamilienhäuser und da wird es immer Einfamilienhäuser geben. Da haben | |
uns einige bewusst missverstanden, um uns einen Strick draus zu drehen. Die | |
eigentliche Diskussion ist ja eine andere. Boden ist endlich. Und dieser | |
zunehmende Flächenfraß beschleunigt den Klimawandel. | |
Freie Flächen sind wichtig für die Entstehung von Kaltluft. Wir setzen auf | |
die Wiederbelebung von Ortskernen. Wir brauchen ein Leerstandskataster, | |
damit wir einen Überblick bekommen, wo Häuser leerstehen. Wir müssen die | |
Dorfkerne wiederbeleben, auch mit Fördergeldern, bevor wir Neubaugebiete | |
ausweisen auf der grünen Wiese. Wir fordern Flächenneutralität. Überall | |
dort wo eine neue Fläche versiegelt wird, müssen an anderer Stelle Flächen | |
entsiegelt werden. Und wir brauchen natürlich in den Städten mehr | |
bezahlbaren Wohnraum. | |
Sie sagen immer wieder, die Schnittmengen sind mit der SPD größer als mit | |
der CDU. Ist Schwarz-Grün keine Option für Rheinland-Pfalz? | |
Wir gehen bewusst ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Wir setzen auf | |
unser eigenständiges grünes Programm. Wir wollen die starke Stimme sein, | |
für Klimaschutz, für eine echte Mobilitätswende und für soziale | |
Gerechtigkeit, vor allem in der Bildungspolitik. Es ist natürlich kein | |
Geheimnis, dass wir die größten Schnittmengen mit der SPD haben. Aber | |
starke Grüne in der Regierung garantieren, dass Rheinland-Pfalz beim | |
Klimaschutz weiter vorangeht, die erneuerbaren Energien weiter ausbaut und | |
die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhält. | |
Sie haben fünf Jahre auch mit der FDP regiert [3][und schließen eine | |
Fortsetzung der Ampel nicht aus]. Ist die FDP im Land anders als im Bund? | |
Es gibt nicht die FDP, sondern es geht immer auch um die handelnden | |
Personen, und da nehme ich die im Bund so wahr, dass sie sich anders | |
positionieren als die hier im Land. | |
In Berlin ist der Eindruck entstanden, dass die Grünen eine | |
Regierungskoalition mit der CDU anstreben. Sollten die nicht auch über eine | |
Ampel nachdenken? | |
Ich sehe das anders. Der Fahrplan ist auch im Bund klar. Wir werden | |
zunächst das grüne Programm für die Bundestagswahl beschließen, dann klären | |
wir die Frage, mit welcher Person an der Spitze wir antreten. Alles andere | |
entscheiden wir nach den Inhalten. Es ist jetzt nicht die Zeit für | |
Farbenspielchen. | |
4 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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