# taz.de -- In Bayern kehrt der Dorfladen zurück: Tante Emma ist unsterblich | |
> Hartmut Gieringer ist Rentner und Chef in einem Dorfladen im Allgäu. | |
> Immer mehr Bürger ergreifen die Initiative für ihre Krämerläden. | |
Waal, eine kleine Marktgemeinde im Allgäu, knapp 2.500 Einwohner. | |
Gegenüber, auf der anderen Seite des Marktplatzes, steht das Schloss. | |
Früher war das kleine Waal mal Gerichtssitz, erzählt Hartmut Gieringer. | |
„Hier wurden die letzten Hexen im Allgäu verbrannt.“ | |
Gieringer sitzt an einem Tisch mitten im Dorfladen, zwischen Kaffeeregal | |
und Ostersortiment. Vor ihm das Schild „Samstags Stammtisch“. Zum | |
Stammtisch kommt hier natürlich keiner. Wegen Corona, nicht weil es | |
Vorbehalte gegen einen Stammtisch zwischen Einkaufsregalen gäbe. Wie es | |
hier überhaupt wenig Vorbehalte gegen den Dorfladen gibt, eine der | |
Errungenschaften aus der jüngeren Historie des Orts. | |
Es ist ein schlicht, aber modern eingerichteter Laden – mit der einen oder | |
anderen Retro-Anleihe. Das Sofa am Stammtisch macht ein bisschen auf | |
Biedermeier, der Schrank, in dem die Eier stehen, auf Bauernschrank. 186 | |
Quadratmeter Verkaufsfläche, im Vorraum stehen die Geldautomaten der | |
Sparkasse, an der Wand hinter der Theke hängt ein Kruzifix. | |
Statt der Stammtischbrüder sitzt nun eben Hartmut Gieringer da, ohne | |
Getränk, dafür mit Maske, und erzählt, wie das alles angefangen hat mit dem | |
Laden. Gieringer, 68, Brille, die Frisur sympathisch ungestüm, ist hier der | |
Chef. Ein Chef, der keinen Cent verdient, nicht einmal Rabatt im eigenen | |
Laden bekommt und trotzdem sagt: „Das macht richtig Spaß.“ | |
Bis 2012, erzählt Gieringer, habe es an derselben Stelle schon einen Laden | |
gegeben. Einen kleinen Edeka, doch irgendwann hat die Betreiberin mit über | |
70 Jahren aufgehört, mit der Nachfolgerin hat es nicht so recht geklappt, | |
und plötzlich stand die Gemeinde ohne Laden da. Einkaufen ging nur noch mit | |
dem Auto, der nächste Supermarkt war sechs Kilometer entfernt. Und die | |
Busverbindungen – Gieringer winkt ab. | |
## Der Dorfladen als Genossenschaft | |
Ein Zustand, mit dem sich die [1][Waaler] aber nicht abfinden wollten – | |
auch wenn er inzwischen zum Normalzustand auf dem bayerischen Land geworden | |
ist. Wir brauchen wieder einen Laden, hieß es. Die Initiative ging zunächst | |
vom Gemeinderat aus, eine Gruppe von acht, neun Ehrenamtlichen nahm sich | |
dann der Sache an; Gieringer war einer von ihnen. | |
Ein Pächter war nicht zu finden, also organisierte man sich | |
genossenschaftlich – in Form einer Unternehmergesellschaft mit stillen | |
Teilhabern. Rund 300 Familien zeichneten Anteile, Minimum: 200 Euro. | |
Insgesamt kamen so 80.000 Euro zusammen. Dazu noch Fördergelder und | |
Kredite. Ein ordentliches Startkapital. Anfang 2015 begann man mit der | |
Planung, nach gut zwei Jahren war Eröffnung. | |
Andrea Kuhn, die mit ihrem Mann die Metzgerei am Ort führt, schaut auf | |
einen Sprung vorbei, setzt sich zu Gieringer. „Ich bin eine der heftigsten | |
Kämpferinnen für den Laden gewesen“, sagt sie. Und das ist keine | |
Selbstverständlichkeit, schließlich könnte sie das Geschäft auch als | |
Konkurrenz sehen. „Aber ich hab gewusst, wenn der Laden kommt, dann werden | |
wir nur gewinnen.“ So war auch von Anfang an klar, dass der Dorfladen seine | |
Wurstwaren von der Metzgerei beziehen würde. | |
In den ersten beiden Jahren schrieb man noch Verlust, seit letztem Jahr | |
läuft es gut. Das alles ist natürlich eine Frage der Messlatte, die man | |
anlegt. „Wenn ein Edeka-Filialleiter mit diesem Ergebnis zu seinem Chef | |
geht“, sagt Gieringer, „dann fliegt er. Aber wir sind auf die schwarze Null | |
ausgerichtet“ – also nicht gewinnorientiert. | |
Gieringer ist gelernter Diplomkaufmann. Bis zur Rente hat er fast 40 Jahre | |
bei BMW gearbeitet. Jetzt ist er ehrenamtlich wieder voll im Einsatz. „Ich | |
brauch’ ja ein Hobby“, sagt er, fast entschuldigend. Er kümmert sich um die | |
Finanzen, im Laden selbst arbeiten sechs Angestellte. Wenn das Geschäft | |
weiter prosperiert, werde es vielleicht schon in wenigen Jahren | |
Ausschüttungen in Form von Einkaufsgutscheinen geben. | |
## Hommage an die kleinen Läden | |
Waal ist nur eines der Beispiele, wo sich in den letzten Jahren eine | |
Wiederauferstehung beobachten lässt: die des Tante-Emma-, Krämer- oder eben | |
Dorfladens. Nach dem Krieg deckte man sich in den kleinen | |
Lebensmittelgeschäften noch mit den Dingen des täglichen Bedarfs ein, in | |
den Siebzigern wurden sie jedoch immer mehr von Supermärkten und | |
Discountern verdrängt. Nicht, dass man es nicht beklagt hätte. Udo Jürgens | |
dichtete damals eine Schlagerhommage an Tante Emma. „Wenn an der Tür die | |
Glocke bimmelt, ist das beinah’ schon Poesie“, sang er und behauptete: „Im | |
endlos großen Supermarkt, da droht mir gleich ein Herzinfarkt.“ | |
Und das ZDF widmete etwa zur selben Zeit dem kleinen Ladenbesitzer Gustav | |
Spannagl, dargestellt von Walter Sedlmayr, und seinem verzweifelten Kampf | |
gegen den neu eröffneten Supermarkt eine 13-teilige Vorabendserie. Beklagt | |
haben die Leute das Ende von Tante Emma allerorten, eingekauft haben sie | |
aber dennoch im Supermarkt. Die Zahl der Lebensmittelgeschäfte in | |
Deutschland sank seit 1970 von 160.000 auf 37.000. 8 Millionen Deutsche, | |
heißt es, seien inzwischen unterversorgt, will heißen: Sie können kein | |
Lebensmittelgeschäft mehr zu Fuß erreichen. | |
Was bleibt, ist die Nostalgie, die Erinnerung an den kleinen Laden, in den | |
man als Kind nach der Schule gestürmt ist, um nach reiflicher Überlegung | |
die letzten Zehnerl in Süßigkeiten zu investieren, die die Ladeninhaberin | |
in offenen Gläsern auf der Theke stehen hatte. | |
„Einen Moment, ich muss erst mal die Gitarre weglegen“, sagt [2][Marius | |
Kliesch]. Am anderen Ende der Leitung hört man kurz den Hall aus dem | |
Resonanzkörper des Instruments, dann ist Kliesch wieder da – und auch | |
gleich im Thema. Für Tante-Emma-Läden habe er schon immer ein Faible | |
gehabt, erzählt er. Allein dieser Geruch, wenn man den Laden betritt! | |
„Diese Melange aus dem, was der Laden hergibt: Wurst, Seife, Gummibärchen, | |
Waschmittel. Manchmal wird hinten in der Küche noch gekocht.“ Dieser Geruch | |
sei überall anders und doch ganz speziell. „Und es gehen einem die Augen | |
über. Es ist alles da. Vielleicht findet man nicht exakt das Produkt, das | |
man sich vorgestellt hat, aber zumindest guten Ersatz. Es ist immer ein | |
Erlebnis.“ | |
## Knöpfe, Hosenträger, Bonbons: Die Erinnerung lebt (noch) | |
Die meisten Menschen kennen Kliesch besser unter dem Namen Tommie Goerz, | |
dem Pseudonym, unter dem er fränkische Krimis schreibt. Zuletzt allerdings | |
war Kliesch in Sachen Tante Emma unterwegs. Mit dem Fotografen Walther | |
Appelt ist er von Laden zu Laden gezogen, hat sich in Franken die letzten | |
ihrer Art angeschaut. Das Ergebnis haben sie nun in Buchform | |
herausgebracht. „Tante Emma lebt“, heißt das Werk hoffnungsfroh, aber | |
Kliesch weiß, dass den meisten der besuchten Läden keine allzu lange | |
Zukunft beschieden ist. Die vielleicht letzte Chance also, ihnen noch | |
einmal ein Denkmal zu setzen. | |
Es waren überwiegend nicht moderne Dorfläden, sondern alte | |
Familienbetriebe, die Kliesch aufspürte. Hier fand er den Flair, der ihm | |
aus der Kindheit vertraut war, mitunter sogar Waren, die noch aus dieser | |
Zeit stammen dürften: Knöpfe, Hosenträger, Salbeibonbons … Manche der | |
Geschäfte machten noch während Klieschs Recherche dicht. Von anderen bekam | |
er Sprüche zu hören wie: „Die Jungen kaufm mit dem Auto ein, die kummer net | |
zu mir, und die Altn brauchn immer wenicher und werrn ah immer wenicher.“ | |
[3][Marika Maisch]s Laden in Fürth ist einer von denen, die Kliesch | |
porträtiert hat. Das Fürther Amtsblatt feiert das Geschäft als den | |
„Inbegriff des Tante-Emma-Ladens“. Zu Maisch kommen die Leute noch immer. | |
„Tante Emma seit 1920“ steht draußen auf der grünen Markise. Sonst ist es | |
hier in der Hirschenstraße eher weniger bunt. Die Fassaden der drei- und | |
vierstöckigen Altbauten changieren farblich von Maus- bis Steingrau. Das | |
Nieselwetter tut sein Übriges. Die Heilsarmee, die griechische Gemeinde, | |
ein China-Imbiss und ein Nagelstudio haben hier Quartier genommen. Und eben | |
Tante Emma. | |
## Die Geschichte eines Tante-Emma-Ladens | |
Vor hundert Jahren hieß Tante Emma noch Georg Berger und verkaufte | |
vornehmlich Kartoffeln. Berger war Marika Maischs Urgroßvater. „Der Laden | |
war noch miniklein damals“, erzählt sie und zeigt in Richtung Tür. „Der w… | |
nur das Stückle da vorne. Und dann hat jede Generation ein bisschen dazu | |
gebaut.“ Da, wo jetzt die Theke steht, sei früher noch das Wohnzimmer ihrer | |
Großeltern gewesen. Inzwischen regiert Maisch über sagenhafte 60 | |
Quadratmeter Verkaufsfläche. | |
Marika Maisch ist quasi im Laden aufgewachsen, hat als Kind mitgeholfen. | |
„Es war eigentlich immer klar, dass ich das mal machen werd’.“ Bis vor ze… | |
Jahren führte sie das Geschäft gemeinsam mit ihrem Vater, dann hat sie | |
übernommen. | |
Die Tür öffnet sich, eine Klingel ertönt. Nicht das übliche elektronische | |
Dingdong, sondern eine schrillende, mechanische Klingel. Die Glocke selbst, | |
optisch das Werk jahrzehntelanger Oxidation, baumelt an zwei dünnen Kabeln | |
von der Decke. Ein älterer Mann mit langem grauen Haar kommt herein, die | |
Hände tätowiert, auf der Jeans einen Sex-Pistols-Aufnäher. Er bringt sein | |
Leergut vorbei. | |
Wie groß ihr Sortiment ist? Maisch weiß es nicht. Hauptsache sei doch, dass | |
sie alles hat. Ob Cornflakes, Dosenravioli, Glühbirnen oder Katzenstreu, ob | |
Bio-Kurkuma-Extrakt oder Maggi in der Literflasche – alles da. Sollte sie | |
tatsächlich mal einen Kundenwunsch nicht sofort erfüllen können, besorgt | |
sie das Gewünschte meist bis zum nächsten Tag. | |
Einen Computer braucht Marika Maisch nicht. Die Preisschilder sind | |
handgeschrieben. Und nachgefüllt wird, wenn eine Lücke entsteht. „Ich steh�… | |
hier, such’ die Löcher ab und schreib’ auf.“ Und dann fährt sie zum | |
Großmarkt. Wer den „Maisch“ betritt, betritt eine analoge Welt. Früher | |
hatte Marika Maisch auch noch eine richtig alte Waage in Betrieb. „Die war | |
toll, noch so mit Gewichten.“ Vor zwei Jahren gab sie den Geist auf. | |
Neben den Standards setzt Maisch vor allem auf fränkische Produkte: Bier, | |
Wein, Wurst. Abends nach Ladenschluss stellt sie sich dann noch in die | |
kleine Küche hinterm Laden und bereitet ihre eigenen Spezialitäten zu: | |
Fruchtaufstrich mit Geschmacksrichtungen wie Prosecco-Traube, Eiersalat | |
oder Schafskäse-Creme mit Rucola-Pesto. Weil immer mehr Leute danach | |
fragen, hat sie nun auch schon wieder mehr offene Ware im Angebot, Nüsse | |
etwa oder Trockenfrüchte. Und wenn jemand sich nach vegetarischem Aufstrich | |
erkundigt, dann gibt’s das nächste Mal eben vegetarischen Aufstrich. | |
So hält sich der Laden auch nach 100 Jahren noch. Am Mangel an Konkurrenz | |
kann es nicht liegen. Der nächste Norma ist fünf Minuten entfernt, Rewe | |
sechs Minuten. | |
„Aber ich find’s hier angenehmer“, sagt Andreas Müller. „So ein Superm… | |
hat etwas Gehetztes, Gestresstes, Anonymes. Hier krieg’ ich alles, und | |
gleichzeitig ist die Atmosphäre viel angenehmer.“ Müller kommt ein-, | |
zweimal die Woche. „Und wenn ich mal kein Geld einstecken hab’, kann ich | |
anschreiben lassen.“ Vor einem Dreivierteljahr ist der 42-jährige Soziologe | |
nach Fürth gezogen und hat den Laden entdeckt. Müller packt Sahne, | |
Mozzarella und Feldsalat in seinen Rucksack, greift sich noch eine Flasche | |
Wein. Was wäre, wenn es den kleinen Laden nicht mehr gäbe? „Gar nicht | |
auszudenken“, ruft Müller, und es klingt nicht gespielt. | |
So wie Müller denken viele Kunden. Sie schätzen das Persönliche, das | |
Familiäre, die Nähe. Zahlen auch gerne ein paar Cent mehr dafür. Wie kommt | |
es dann, dass so viele Läden es doch nicht geschafft haben, in der schönen | |
neuen Supermarkt-Welt zu überstehen? Sicher, Marika Maisch hat ein paar | |
Vorteile: Das Haus, in dem sich der Laden befindet, gehört der Familie; sie | |
hat eine gewachsene Kundschaft, die zum Teil seit Jahrzehnten hier | |
einkauft; und sie hat begonnen, ihre Kunden auch zu beliefern. Schulen, | |
Altenheime, Gastronomie. Inzwischen ist das fast ein zweites Standbein. | |
Aber es ist nicht nur das. Die Nachfrage für Geschäfte wie ihres, glaubt | |
Maisch, sei schon da gewesen. Nur: Es gebe niemanden mehr, der das machen | |
will. „Es ist halt sehr viel Arbeit. Man muss das schon mögen.“ Ihre beiden | |
Töchter beispielsweise mögen es nicht, haben ihr schon klargemacht, dass | |
sie den Laden nicht übernehmen wollen. So wird sich auch für den „Maisch“ | |
eines Tages die Frage stellen, wie es weitergeht. Marika Maisch ist erst 49 | |
Jahre alt, denkt noch nicht ans Aufhören. „Vielleicht ergibt sich ja was“, | |
sagt sie. Gedanken will sie sich darüber jetzt aber noch nicht machen. | |
Die neuen Dorfläden haben es da etwas einfacher. Die genossenschaftliche | |
Organisation bindet die Kundschaft noch stärker an „ihren“ Laden, die | |
Supermarktkonkurrenz ist in der Regel weiter entfernt. In Waal steht ein | |
Mann in Janker vor dem Nudelregal. Es ist [4][Wolfgang Gröll]. „Ich mach’ | |
noch schnell ein paar Fotos“, sagt er, „die poste ich dann auf unserer | |
Seite.“ Dinkel-Eiernudeln sind es, vom Lärchenhof aus der Region. Angebote | |
wie dieses stehen für das, was den Laden ausmacht. Dass er in nur drei | |
Jahren zur Erfolgsgeschichte wurde, hat aber auch mit Wolfgang Gröll zu | |
tun, dem Vater von Bayerns Dorfladenboom. Rund 200 Gründungen hat der | |
Unternehmensberater bereits begleitet – angesichts von insgesamt gut 2.000 | |
Gemeinden in Bayern eine durchaus beeindruckende Zahl. | |
## Der Mann, der die Läden wiederbelebt | |
Auch er meint: Die Nachfrage nach dem kleinen Lebensmittelgeschäft in | |
unmittelbarer Nähe habe es die ganze Zeit über gegeben. Nur habe es lange | |
gedauert, bis man – wieder – einen vernünftigen Weg gefunden hat, sie zu | |
befriedigen. Und zu dem gehörten inzwischen eben oft auch | |
bürgerschaftliches Engagement und die Unterstützung der Gemeinde. Aktuell | |
betreut er rund 50 Läden in der Gründungsphase. Die Ladenneulinge verweist | |
er dann gern auf Vorzeigeprojekte wie Waal und kommt selbst auch immer mal | |
wieder zu Besuch. | |
Gröll zeigt auf die Käsetheke: „Da sehen Sie keine Industrieware drin. Das | |
ist alles im Laib gereift.“ Und dass der Käse aus der Region stammt, | |
versteht sich von selbst. Man sei ja schließlich im Allgäu. Die Eier kommen | |
vom Geflügelhof aus dem Nachbarort. Sogar die Kaffeemaschine wird von einer | |
Firma aus dem Allgäu gewartet. | |
Der Großteil der Dorfläden, erzählt Gröll, macht zwischen 50 und 70 Prozent | |
des Umsatzes mit regionalen Produkten. Mit seiner kleinen Firma berät der | |
56-Jährige Gemeinden und Bürger, die einen solchen Laden auf die Beine | |
stellen wollen. Wie groß ist der mögliche Umsatz, wie viel muss investiert | |
werden, wie lässt sich die Finanzierung eigentlich bewerkstelligen? Gröll | |
rechnet den Menschen vor, wie ihr Unternehmen gelingen kann. Denn meist | |
fehlt es nicht an gutem Willen und Engagement, aber oft an | |
unternehmerischem Know-how. | |
Die Begleitung der Gründer geht bis hin zu Verhandlungsgesprächen mit | |
Vermietern oder der Ladenplanung. „Wenn man nicht aufpasst, verkaufen sie | |
einem Kühlgeräte ohne Motoren oder Regale ohne Fachböden.“ Gröll ist | |
ständig auf Achse, bei seinen Kunden vor Ort; 80.000 bis 90.000 Kilometer | |
legt er im Jahr zurück. Überwiegend in Bayern. Aber auch in | |
Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen wächst inzwischen das Interesse. | |
Zuletzt hat das Geschäft sogar von der Pandemie profitiert. „Wir gehören zu | |
den Kriegsgewinnlern“, sagt Ladenchef Gieringer ganz offen. Während der | |
Coronakrise habe man deutlich zugelegt. Dasselbe hört Wolfgang Gröll auch | |
von anderen Läden. „Bei vielen hat auch ein Umdenken eingesetzt, weil ihnen | |
bewusst geworden ist, wie wichtig ein lokaler Versorger ist.“ Ihn selbst | |
erreichten noch mehr Anfragen von Initiativen, die mit der Gründung eines | |
Dorfladens liebäugeln. | |
Und eines freut Gröll ganz besonders: „Eigentlich sind ja wir die größten | |
Kommunisten“, sagt er. „Weil der Genossenschaftsgedanke ist ja Kommunismus | |
pur, wenn man ehrlich ist. Ausgerechnet wir in Bayern setzen auf | |
Gemeinschaftseigentum. Und es funktioniert.“ Jeder Dorfladen für sich sei | |
doch ein Beweis, dass Erfolg nicht an kontinuierliches Wachstum gekoppelt | |
sein muss. Womit Tante Emma mal eben die vermeintlich unumstößlichen | |
Gesetze der Marktwirtschaft über den Haufen geworfen hat. | |
2 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.waal.de/ | |
[2] https://www.tommie-goerz.de/autor | |
[3] https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Lebensmittel_Maisch | |
[4] https://www.donaukurier.de/lokales/neuburg/Viele-Fragen-zum-Dorfladen;art17… | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Einzelhandel | |
Dorf | |
Stadtplanung | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Brandenburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Corona und die Stadt der Zukunft: Holt euch die Stadt zurück! | |
Die Geschäfte in den Innenstädten haben Probleme: Gut so. Denn der Lockdown | |
ermöglicht, darüber nachzudenken, was die City in Zukunft ausmachen soll. | |
Kommunalwahl in Bayern: Ene, mene, muh, keine CSU | |
Die Wählervereinigung QUH macht am Starnberger See progressive | |
Kommunalpolitik. Am Sonntag will sie die Bürgermeisterwahl gewinnen. | |
Brandenburg vor der Landtagswahl: Abseits im Oderbruch | |
Golzow kurz vor Polen hat eine Eisdiele, einen Bäcker und sogar ein | |
Filmmuseum: Die DDR-Doku „Die Kinder von Golzow“ machte das Dorf berühmt. |