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# taz.de -- Obduktionen von Coronatoten: Schwarze Lungen
> In Kiel wurden für eine Coronastudie Verstorbene obduziert. Das Ergebnis:
> Die meisten Opfer sterben an, nicht mit Covid 19.
Bild: Obduziert Coronatote: Der Pathologe Christoph Röcken an seinem Arbeitspl…
Kiel taz | Dunkel und fest ist das Gewebestück, das im grellen
Untersuchungslicht auf dem Labortisch vor Professor Christoph Röcken liegt.
„Ganz typisch“, sagt der Direktor des Instituts für Pathologie am
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und hebt die Probe, ein
Stück einer menschlichen Lunge, vorsichtig mit einer Pinzette an. Hell und
schwammartig sollte das Organ sein, davon ist nicht viel zu sehen. Für
Röcken ist das ein klarer Fall: Die Veränderungen wurden durch das
Covid-19-Virus verursacht, die Infektion war der Grund für den Tod.
Die aktuellen Ergebnisse aus Schleswig-Holstein zeigen, dass die meisten
Toten, die mit dem Coronavirus infiziert waren, auch tatsächlich an der
Krankheit starben. Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass auch Menschen
obduziert werden, die zu Hause oder im Pflegeheim starben. Möglich ist das,
weil das Land die Behandlungen bezahlt.
Sterben Menschen an oder mit Corona? Diese Frage wurde vor allem zu Beginn
der Pandemie im vergangenen Jahr heiß diskutiert. Am Hamburger
Universitätsklinikum-Eppendorf (UKE) hatte der Rechtsmediziner Klaus
Püschel früh begonnen, Verstorbene zu untersuchen, die mit dem Coronavirus
infiziert waren.
Laut seinen Ergebnissen, die er im April 2020 bekannt machte, hatten alle
Verstorbenen mindestens eine Vorerkrankung. Das Durchschnittsalter lag bei
80 Jahren. Tödliche Verläufe der Krankheit seien selten, solange die
Kliniken nicht überlastetet seien, lautet ein Fazit von Püschel und seinem
Kollegen Martin Aepfelbacher vom Institut für Medizinische Mikrobiologie,
Virologie und Hygiene am UKE, das sie im Deutschen Ärzteblatt
veröffentlichten. Betroffen seien „bei aller individuellen Tragik,
Personen, die bereits zuvor körperlich kompromittiert waren“.
Christoph Röckens Studie zeigt nun, dass sich unter 42 Fällen „nur bei vier
Personen keine Covid-19 assoziierte Todesursache“ fand. Besonders die Lunge
sei auf eine charakteristische Weise betroffen, zudem seien oft Embolien zu
finden. Den Widerspruch zu Püschels Ergebnissen erklärt er trocken damit,
dass „Rechtsmediziner eine ganz andere Ausbildung haben als die
Pathologen“.
Erst die feingewebliche Untersuchung offenbare die „Möglichkeit zu
unterscheiden, ob Veränderungen der Lunge auf Covid 19 oder konkurrierende
Krankheiten zurückzuführen sind“. Über 60 Prozent der in Kiel untersuchten
Verstorbenen waren männlich. Der älteste war 95 Jahre alt, der jüngste 53.
Keineswegs gab es nur multimorbide Ältere unter den Toten, sondern auch
Personen, die „mitten im Leben standen“. Gerade diese Erfahrungen „machen
demütig“, sagt Röcken.
Im vergangenen Jahr warnte das Robert-Koch-Institut (RKI) davor,
Covid-Infizierte überhaupt zu obduzieren – wegen des Ansteckungsrisikos.
Doch bundesweit gab es dagegen Proteste von Pathologen, auch von Röcken:
„Gleich zu Beginn der Pandemie war für mich klar, dass wir möglichst viele
Informationen brauchen.“
Inzwischen wird bundesweit geforscht, 34 Universitätskliniken haben sich
zum Forschungsnetzwerk „Autopsien bei Pandemien“ zusammengeschlossen. Doch
in Schleswig-Holstein gibt es eine Besonderheit: Röcken gelang es, nicht
nur den Vorstand des Uniklinikums, sondern auch das Gesundheitsministerium
davon zu überzeugen, wie wichtig die Datensammlung ist. So zahlt das
Ministerium die Obduktionen, es geht um einen Betrag von rund 1.100 Euro
pro Leichnam plus Transportkosten.
Schleswig-Holstein ist aktuell das einzige Bundesland, in dem das passiert.
„In anderen Bundesländern trägt meist die Universitätsklinik die Kosten“,
berichtet Röcken. Allerdings sind damit nur die Personen im Blick, die dort
verstorben sind. „Damit sind wir blind im ambulanten Sektor.“ In
Schleswig-Holstein dagegen kommen auch Personen für eine Obduktion infrage,
die im eigenen Zuhause oder einem Pflegeheim versterben.
Die Studie wird fortgesetzt. Auch für Angehörige sei es oft wichtig, die
genaue Todesursache zu erfahren, glaubt der Pathologe. Da nur Proben
entnommen werden, kann der Körper nach der gründlichen Überprüfung mit
allen Organen bestattet werden.
18 Feb 2021
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kiel
Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein
Pathologie
Covid-19
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Schule und Corona
Coronamythen und Fakten
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