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# taz.de -- Großbritannien zählt jetzt anders: Weniger Coronatote in England
> In England wird nicht mehr jeder Tote als Covid-19-Toter gezählt, der
> irgendwann davor mit Corona infiziert war. Damit sind es über 5.000 Tote
> weniger.
Bild: Gedenken an Covid-19 Verstorbene in London
Berlin taz | Wie viele Covid-19-Tote zählt Großbritannien? Nach der
bisherigen laufenden Zählung der Gesundheitsbehörden waren es bis Mittwoch,
17 Uhr, 46.706. Doch am gleichen Tag wurde die Zählweise revidiert, und da
waren es plötzlich nur noch 41.329 – ein Rückgang um 5.377.
Hintergrund ist, dass die vier staatlichen Gesundheitsbehörden von England,
Schottland, Wales und Nordirland bislang unterschiedlich zählten. In
Schottland, Wales und Nordirland musste man spätestens 28 Tage vor dem Tod
positiv auf das Coronavirus getestet worden sein, um in die Statistik
einzufließen. In England gab es dieses Zeitlimit nicht: Jeder Tote, der
schon mal mit Corona infiziert war, zählte für die Behörde Public Health
England (PHE) als Covid-19-Toter, unabhängig von der aktuellen
Todesursache.
Je länger die Pandemie andauert, desto mehr bläht diese Methode die Zahlen
auf. „Wer im März von Covid-19 genesen war und im Juli in einem Autounfall
starb, zählte als Coronavirustoter“, [1][analysiert] BBC-Gesundheitsexperte
Hugh Pym.
Weil dadurch die Todeszahlen in England im Juli hartnäckig hoch blieben,
während sie überall sonst in Europa und auch in Schottland auf nur noch
wenige am Tag sanken, ordnete der britische Gesundheitsminister Matt
Hancock am 17. Juli eine Überprüfung an.
## Wie lange gilt eine Corona-Infektion als Todesursache?
Die Ergebnisse der Überprüfung, die PHE am Mittwoch veröffentlichte, sind
eindeutig: Von insgesamt 42.072 in England registrierten Coronatoten
bleiben noch 36.695 übrig, also genau die 5.377 weniger, um die die
Gesamtzahl jetzt nach unten korrigiert wurde. Der Trend ist klar: In der
Woche zum 24. Juli gab es in England demnach nicht 442 Coronatote, sondern
111. Der aktuelle Tageswert im 7-Tages-Durchschnitt für ganz Großbritannien
liegt jetzt nicht mehr bei 55 Toten, sondern bei 20.
Nach britischen Berichten bringt die neue 28-Tage-Maximaldauer zwischen
Testergebnis und Tod Großbritannien auf Linie mit anderen Ländern. In
Deutschland gibt es diese Frist nicht, teilt das Robert-Koch-Institut auf
Anfrage mit. Gezählt würden Tote, „bei denen ein laborbestätigter Nachweis
von SARS-CoV-2 vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben
sind“.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) „sollte zwischen Erkrankung und Tod
kein Zeitraum völliger Genesung stehen“. Wer an Covid-19 erkrankte, gesund
wurde und später an etwas anderem stirbt, ist demnach kein Covid-19-Toter.
Und 99 Prozent aller Erkrankten sind nach 28 Tagen entweder wieder gesund
oder tot.
Britische Gesundheitsexperten und Mediziner begrüßten die Revision als
überfällig. Doch wird noch auf Ungenauigkeiten hingewiesen. Einige
Covid-19-Erkrankungen währen länger als 28 Tage – führen sie später zum
Tod, fallen sie nun aus der Tagesstatistik. Zugleich könnten Menschen auch
innerhalb von 28 Tagen nach ihrem positiven Coronatest an etwas anderem
sterben – dann werden sie trotzdem als Covid-19-Tote geführt.
Dieses Problem gibt es auch in Deutschland. Parallel zu den täglichen
Zahlen nach der revidierten Methode will Englands Gesundheitsbehörde daher
eine zusätzliche erweiterte Wochenstatistik führen.
An einem ändert sich nichts: [2][Großbritannien zählt mehr Coronatote] als
jedes andere Land in Europa. Doch Experten sind sich einig, dass die genaue
Zählung sehr schwierig ist. Die Debatte, ob Menschen „an“ oder bloß „mi…
Corona gestorben sein müssen, um als Coronatote zu gelten, ist so alt wie
die Pandemie. Jetzt kommt mit zunehmender Dauer die Frage hinzu, ab wann
eine zeitweilige Infektion nicht mehr als Todesfaktor gilt. Denn sonst läge
die Covid-19-Sterblichkeitsrate langfristig bei 100 Prozent.
13 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/health-53722711
[2] /Rezession-in-Grossbritannien/!5707121
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
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