Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wirtschaft bricht über 20 Prozent ein: Briten leiden am schlimmsten
> Großbritannien trifft die erste Rezession seit elf Jahren: Die Wirtschaft
> ist durch Corona schwerer abgestürzt als die aller anderen Staaten
> Europas.
Bild: Zielt mit seinen Maßnahmen nicht immer in die richtige Richtung: Premier…
London taz | „Hunderttausende Menschen haben bereits ihren Arbeitsplatz
verloren. Leider wird es in den kommenden Monaten zu weiteren Verlusten
kommen.“ Mit diesen ernsten Worten meldete sich der britische
Finanzminister Rishi Sunak am Mittwochmorgen. Kurz zuvor hatte das
Statistikamt ONS erklärt, dass das Vereinigte Königreich [1][zum ersten Mal
seit elf Jahren in eine Rezession] gerutscht war.
Der Fall des Bruttoinlandsprodukts zwischen April und Juni um 20,4 Prozent
ist das größte Quartalsminus, das Großbritannien je erlebt hat. Und sogar
das größte Minus eines europäischen oder G7-Staates überhaupt für diesen
Zeitraum.
Bereits im ersten Quartal 2020 war das Bruttoinlandsprodukt der
zweitgrößten Wirtschaftsnation Europas um 2,2 Prozent gesunken, nicht
zuletzt wegen des Brexit. Wenn die Wirtschaft zwei Quartale hintereinander
schrumpft, sprechen ExpertInnen von einer „Rezession“. Für das erste
Halbjahr 2020 liegt das Minus sogar bei 21,2 Prozent – und damit nur knapp
oberhalb Spaniens (–22,7).
Als Auslöser gilt die Coronapandemie. Großbritannien erlitt mit 46.628
Toten die höchste Opferzahl in Europa und eine der höchsten weltweit. Die
Lockdown-Maßnahmen waren deshalb ausgeprägter als in anderen
Industrienationen; mit langfristigen Schließungen von Gewerbe und
Industrie. „Die Pandemie hat innerhalb von zwei Monaten das Wachstum von 17
Jahren ausgelöscht“, hieß es im Bericht der ONS.
## Besonders peinlich
Die Ausmaße der Rezession sind für die britische Regierung besonders
peinlich, weil sie am Anfang der Pandemie mit dem Lockdown gezögert hatte,
auch um die Firmen zu schonen. Auch in Großbritannien wurden großzügige
staatliche Hilfen wie die Übernahme von Gehältern und günstige Kredite
gewährt, um das Schlimmste zu vermeiden.
Finanzminister Sunak erklärte, er habe bereits vor Monaten vor schweren
Zeiten gewarnt. Niemand brauche jedoch zu verzweifeln. „Wir wissen, dass
manche nicht mehr an ihre alten Arbeitsplätze zurückkehren können. Wir
haben deshalb Maßnahmen wie unsere Essensgutscheine, unsere
Kickstartinitiative zur Arbeitsvermittlung junger Leute und unsere
Lehrinitiative für neue Arbeitschancen gestartet“, sagte Sunak und
versuchte, die Bevölkerung zur Rückkehr in die Büros zu animieren.
Die britischen Wirtschaftsverbände fordern indes noch mehr Unterstützung:
Unter anderem verlängerte Lohnfortzahlung, mehr Kredite und weniger Abgaben
an den Staat. Anneliese Dodds, Labours Schattenfinanzministerin,
kritisierte, dass die Regierung bereits ein [2][Ende der Lohnhilfen für
Arbeitnehmer*innen] angekündigt hatte – ähnlich der deutschen Kurzarbeit:
„Der Premierminister mag sagen, dass während einer globalen Pandemie nur so
und so viel getan werden könne, aber das erklärt nicht, warum unsere
Wirtschaft so schlecht im Vergleich zu anderen Ländern liegt“, sagte sie.
## Kleine Lichtblicke
Immerhin gab es auch kleine Lichtblicke: Im Juni legte die
Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Mai um 8,7 Prozent zu, war damit aber
immer noch 17,2 Prozent schwächer als im Februar – vor dem Ausbruch der
Pandemie.
Die Aussichten sind düster: Im Herbst und Winter droht nicht nur eine
zweite Coronawelle, sondern auch das Ende der Brexit-Übergangsperiode.
Derweil stocken die Gespräche über ein Anschlussabkommen mit der EU. Ohne
Einigung droht zum Jahreswechsel ein harter Bruch mit Zöllen und
Handelshemmnissen. Eine Frist zur Verlängerung des Übergangszeitraums ließ
London Ende Juni ungenutzt verstreichen.
12 Aug 2020
## LINKS
[1] /Grossbritannien-in-der-Coronapandemie/!5694223
[2] /Obdachlose-in-Grossbritannien/!5687628
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Großbritannien
Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Coronavirus
Boris Johnson
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Großbritannien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abstimmung über Binnenmarktgesetz: Klare Mehrheit für Boris Johnson
Großbritanniens Premier nimmt mit der Abstimmung im Unterhaus über sein
umstrittenes Gesetz zur einseitigen Änderung des Brexit-Deals die erste
Hürde.
Johnsons Verhandlungstaktik Brexit: Zu früh eskaliert
Premier Boris Johnson setzt der EU ein Brexit-Ultimatum. Das soll wohl
schneidig wirken, ist langfristig aber ein eher ziemlich dämliches Manöver.
Streit über den Brexit: Der „No Deal“ rückt näher
Großbritannien droht offen, die Gespräche mit der EU scheitern zu lassen.
Am Dienstag beginnt die nächste Brexit-Verhandlungsrunde.
Großbritannien zählt jetzt anders: Weniger Coronatote in England
In England wird nicht mehr jeder Tote als Covid-19-Toter gezählt, der
irgendwann davor mit Corona infiziert war. Damit sind es über 5.000 Tote
weniger.
Rezession in Großbritannien: Die Überlebensfrage
Großbritannien wird vom schlechten Coronamanagement eingeholt. Die Tories
kämpfen ums politische Überleben.
London im Corona-Sommer: Heiß und leer
Nichts ist, wie es war, in der britischen Hauptstadt London. Manches wird
vielleicht nie wieder so – und manches besser. Ein Spaziergang.
Corona-Finanzpaket der EU: Der Gipfel der Uneinigkeit
Der neue Deal sollte die EU aus der schlimmsten Wirtschaftskrise retten.
Doch es war ein Feilschen um Milliarden und demokratische Werte.
Großbritannien in der Coronapandemie: Milliarden gegen die Krise
Corona erschwert in Großbritannien vielen jungen Menschen die Jobsuche. Die
Regierung stellt 2,2 Milliarden Euro bereit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.