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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Identität der Leberwurst
> An alle Susannes: wir sind Opfer eines Stereotyps, das Menschen mit
> anderen Vornamen leichtfertig tradieren, ohne es selbst zu bemerken.
Heute möchte ausnahmsweise ich mal beleidigt sein: Zeit für ein bisschen
Identitätspolitik. Könnten bitte alle zurücktreten und beschämt die Klappe
halten, die jemals irgendwen als Heulsuse bezeichnet haben? Offenbar ist
das vor allem im Sportjournalismus eine beliebte Herabsetzung für
Fußballer, die dem Männlichkeitsideal von vorgestern nicht hundertprozentig
entsprechen. Sie zeigen Gefühle! Und werden dafür verdammt.
Auch SPDler nennen SPDler gern so. Aber was ist mit uns, den Susannen
dieser Welt, die auf diese Weise mitbeschimpft werden als ultimative
Tränenkrüglein? Hat man uns gefragt, hat man je nachgemessen, ob wir
wirklich mehr, leichter und häufiger weinen als andere Frauen? Vor allem
selbstmitleidig und zu den falschen Anlässen?
Selbstverständlich tun wir das nicht, wir sind Opfer eines Stereotyps, das
Menschen mit anderen Vornamen leichtfertig tradieren, ohne es selbst zu
bemerken. Aber haben wir keine Gefühle, die man achten sollte? Wir sind
viele, und wir werden systematisch diskriminiert. Niemand spricht von
Jammerjohanns, Schluchzthomasen oder Wimmernicoles. Nur Susannen! Dabei
sind wir mindestens genauso toll wie ihr. Wenn ihr nicht sofort öffentlich
bekennt, dass ihr ignorante Vollhorste seid, die sich endlich bessern
müssen, spielen wir nicht mehr mit.
Wo ist eure Sensitivity? Wer hat da eben Transuse gerufen? Und warum heißt
es nicht verkathrinen, sondern versusen, wenn man etwas nicht wiederfinden
kann? Dabei, hm, das ist mir ja tatsächlich schon passiert, also kann man
das Wort vielleicht positiv umdeuten – so etwas wie „extrem kreativer
Umgang mit der Dingwelt, die zu überraschenden Entdeckungen führt“. Denn
immerhin wurde ein Verb nach mir benannt, wow!
Ach, jetzt muss ich wieder weinen, wenn ich an all die Ungerechtigkeit
denke, die uns widerfährt. Schon Susanne im Bade hatte es nicht leicht, und
ich bade ebenfalls ab und zu.
Sollte eines Tages ein Text von mir übersetzt werden, dann bitte nur von
einer Susanne, denn niemand anders kann sich in meine komplexe Gefühlswelt
hineinversetzen.
Bei dem Gedanken daran, dass neuerdings nichtbinäre Personen keine Gedichte
von Frauen mehr übersetzen dürfen und alle Literatur vor der Übertragung
akribisch nach Hautfarben sortiert wird, heule ich wie eine Tränentrude.
Können Frauen noch Romane von Männern übertragen? Wer kümmert sich in
Zukunft um Autorinnen vergangener Jahrhunderte? Übernehmen das tote
Übersetzerinnen? Literatur war einmal ein Raum, der für alle zugänglich
sein sollte, universal im besten Sinne, Spielfläche für
grenzüberschreitende Utopien.
Wie sagte James Baldwin: „Ich schreibe für Menschen, Baby. Ich glaube nicht
an Schwarze oder Weiße. Aber ich weiß, dass es heute ein existenzieller
Unterschied ist, ob einer weiß ist oder schwarz.“
10 Mar 2021
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Identität
Beleidigung
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Schwerpunkt AfD
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