# taz.de -- Senior:innen mit Kündigung gedroht: Zensur in Kreuzberg? | |
> Mieter:innen des Möckernkiezes solidarisierten sich mit dem | |
> Enteignungs-Volksbegehren. Die Genossenschaft drohte ihnen mit fristloser | |
> Kündigung. | |
Bild: Erst grau, dann lila-gelb: Die Fassade des Möckernkiezes, hier noch besc… | |
BERLIN taz | „Lebendig altern“ wollen die Bewohner:innen des | |
[1][gleichnamigen Wohnprojekts] in der Kreuzberger | |
[2][Genossenschaftssiedlung Möckernkiez]. Und dies bedeutet für die 62- bis | |
74-Jährigen eben auch, politisch aktiv zu bleiben. Gemeinsam mit drei | |
benachbarten Familien hingen die Senior:innen deshalb Transparente von | |
ihren Balkonen, auf denen sie sich mit dem Volksbegehren Deutsche Wohnen & | |
Co enteignen solidarisierten. | |
Den Vorstand der Genossenschaft begeisterte dies aber nicht – er mahnte die | |
Bewohner:innen der Wohnungen kurzerhand unter Androhung einer | |
fristlosen Kündigung ab. Iris Veit von der „Alten-WG“, wie sie das | |
Wohnprojekt nennt, bezeichnete dies gegenüber der taz als „politische | |
Zensur“. | |
Die Genossenschaft sei vor mehr als 10 Jahren unter dem Motto „Anonyme | |
Investoren oder wir!“ gegründet worden. Nun Bewohnenden fristlos zu | |
kündigen, weil sie sich mit von Verdrängung bedrohten Mieter:innen | |
solidarisieren, entspräche nicht den Gründungswerten der Genossenschaft, so | |
Veit. | |
Das Abmahnungsschreiben, welches der taz vorliegt, ist vom | |
Vorstandsmitglied Frank Nietzsche verfasst worden. Dieser erklärte schon | |
2019 öffentlich in Bezug auf den Mietendeckel, dass er diesen für | |
[3][“Unsinn, populistisch und langfristig schädlich“] halte. Zudem bedrohe | |
er die Solvenz des Möckernkiezes. Nun verkündet er, die Banner würden eine | |
„Gefährdung des Friedens in dem Haus“ darstellen. | |
Durch sie könne der Eindruck entstehen, dass es sich bei den zur Schau | |
gestellten Auffassungen um die der gesamten Genossenschaft handle. Zudem | |
würden die Bewohner:innen gegen diverse Hausordnungspunkte verstoßen. | |
Sollten die Mieter:innen die Banner nicht abnehmen, droht Nietzsche, | |
sich auch mit „gerichtlicher Hilfe“, „einstweiligen Rechtsschutz“ und | |
fristlosen Kündigungen durchzusetzen. | |
## Politische Kultur bedroht | |
Dies wollen die betroffenen Wohngemeinschaften nicht einfach hinnehmen. Sie | |
riefen deshalb zu einer Kundgebung am Montagmittag auf, zu der etwa 100 | |
Menschen erschienen: Viele Bewohner:innen des Möckernkiezes selbst, | |
aber auch Aktivist:innen des Volksbegehrens. | |
Veit sagt, es gehe ihr um die „Verteidigung der politischen Kultur“: | |
„Friedliches Zusammenleben entsteht nicht, wenn man den Mund hält.“ Zudem | |
sei in der Genossenschaft 2020 ein Antrag einstimmig angenommen worden, | |
nach welchem „politische Bekundungen an Balkonen und Fassaden unter das | |
Recht der freien Meinungsäußerung“ fielen. Wenn andere mit bestimmten | |
Meinungen nicht einverstanden seien, könnten sie ihren Unmut äußern, damit | |
über Probleme geredet werden könne. | |
Die Bewohner:innen bezweifeln, dass eine fristlose Kündigung vor | |
Gericht Bestand hätte. Da es sich beim Vermieter nicht um die Deutsche | |
Wohnen selbst handle, sei der Vorwurf einer schweren Störung des | |
Hausfriedens nicht haltbar, so Veit. Nichtsdestotrotz müsse man die Banner | |
vorläufig abhängen, da eine mögliche fristlose Kündigung dennoch zunächst | |
rechtskräftig wäre. | |
Um Punkt 12 Uhr – der vom Vorstand gesetzten Deadline – werden die Banner | |
deshalb unter Pfiffen und Buhrufen der Kundgebungsteilnehmer:innen | |
eingerollt. Sie werden von einem Hausprojekt in der Kreuzberger | |
Oranienstraße in Empfang genommen. Einen Schriftzug wollen die | |
Senior:innen allerdings für sich behalten, um abends damit durch den | |
Kiez zu flanieren. Aufzugeben sei keine Option. Auf die Frage, wie man es | |
mit der Enteignung halte, antwortet die Kundgebung deshalb kraftvoll: | |
„Jetzt erst recht!“ | |
8 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lebendigaltern.de/ | |
[2] https://www.moeckernkiez.de/genossenschaft/ | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/finanzierungsprobleme-ab-2026-mietendeck… | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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