# taz.de -- Spielfilm „For the Time Being“ auf Mubi: Auftritt des Poolrobot… | |
> In ihrem Regiedebüt „For the Time Being“ zeigt Salka Tiziana eine | |
> Familienkrise im Spanienurlaub. Erzählt wird viel über die Bilder der | |
> Landschaft. | |
Bild: Der Film „For the Time Being“ setzt nebenbei den Zustand des Kindsein… | |
Manchmal lösen Filmszenen den Proust’schen Madeleine-Effekt aus – und | |
plötzlich findet man sich in einer Kindheitserinnerung wieder. So erging es | |
mir mit dem Anfang von Salka Tizianas eigenwilligem [1][Regiedebüt „For | |
the Time Being“]. Ein kleiner Junge lehnt seinen Kopf gegen die | |
Autoscheibe, er schläft tief und fest, ein Sonnenstrahl fällt auf sein | |
Gesicht. Ich denke an die Urlaubsreisen mit den Eltern, vom Rheinland zur | |
[2][Costa Blanca in Spanien]. Die unendlich langen Stunden im überhitzten | |
Auto, der Anblick meines Bruders, der zwischendurch immer ausgiebige | |
Nickerchen hielt. Die Vorfreude. | |
Es sind nicht nur Erinnerungen – die atmosphärischen Einstellungen dieses | |
Films bringen weitere Geschichten zum Vorschein. Salka Tiziana erzählt aus | |
ihren fotografisch anmutenden Bildern heraus. Zunächst sind sie einfach nur | |
da: die Frau am Steuer, der kleine Junge und neben ihm sein Zwilling. | |
Einfach nur da ist auch die Landschaft, in die sie reisen. Man könnte auch | |
sagen, sie war schon vor ihnen da. Es ist die karge, ausgetrocknete Gegend | |
der andalusischen Sierra Morena. Der Wind rauscht durch Bäume, Sträucher | |
und Büsche, die Hitze liegt über den bräunlichen Hügeln, ewige Ruhe erfüllt | |
das Bild. | |
Wie Fremdkörper wirken Larissa und ihre neunjährigen Zwillingssöhne Jon und | |
Ole in dieser Umgebung, die sich ihnen zunächst entziehen und fremd bleiben | |
wird. Larissa möchte ihren Mann, den Vater der Kinder, dort treffen. Die | |
Sierra Morena ist seine Heimat. | |
Mit ihren Söhnen wohnt Larissa in einer abgeschiedenen Finca bei ihrer | |
Schwiegermutter Pilar und ihrer Schwägerin Amalia, zwei Frauen, die sie | |
kaum kennt und deren Sprache sie nicht spricht. Man verständigt sich ein | |
wenig auf Englisch. Die Tage bestehen aus Warten auf den Mann und Vater, | |
dessen Erscheinen sich immer wieder verschieben wird. Indessen passiert | |
vieles in den Bildern von Salka Tiziana. | |
## Die Trockenheit wird stets miterzählt | |
Sie erzählen die Geschichte der Menschen, die an diesem Ort leben. Die | |
Kamera begleitet Amalia, wenn sie Rinder füttert, beobachtet sie bei ihren | |
alltäglichen Verrichtungen auf den Feldern. Pilar kümmert sich um den | |
Garten, versorgt die wenigen am Haus stehenden Pflanzen mit Wasser. | |
Manchmal kommt keines mehr aus dem Schlauch, weil schon zu viel verbraucht | |
wurde. | |
Die Trockenheit wird in den Szenen stets miterzählt. Der Stausee im Tal ist | |
halb leer, einmal sieht man einheimische Kinder baden. Ausgelassene | |
Fröhlichkeit erfasst die Szenerie. Auch diese Einstellung hat etwas | |
Überzeitliches, so als sei klar, dass die Handvoll Menschen sich dort schon | |
seit jeher und auch in den nächsten Sommern wieder zu einem erfrischenden | |
Bad treffen wird. | |
Ohnehin scheinen Amalia und Pilar, wenn auch nicht in unmittelbarer Nähe, | |
Nachbarn zu haben. Drohnenaufnahmen zeigen Pisten, die die Landschaft | |
regelrecht zerfurchen. Eine dieser Sequenzen von oben wird mit dem Sound | |
eines Computerspiels unterlegt, die Zwillinge spielen auf dem Sofa mit dem | |
Computer. Das Haus ist wegen der Hitze abgedunkelt, die Kinder tragen | |
Badehosen, wirken mit ihren schmächtigen Körpern zart und verletzlich. | |
## Als Antwort folgt langes Schweigen | |
Nebenbei wird der Zustand des Kindseins in Szene gesetzt, das Gefühl, dass | |
es die Welt jeden Tag aufs Neue zu entdecken gilt. Doch die Abwesenheit des | |
Vaters, die ohne verbalisiert zu werden, stets präsent ist, bringt die | |
Freude am Erkunden ins Stocken. Die Mutter wiederum sitzt rauchend auf der | |
Terrasse, ihr Blick verliert sich in der Ferne. Es sind solche Motive, die | |
verdeutlichen, dass man in der Fremde die Selbstentfremdung anders | |
wahrnimmt. | |
Und dann gibt es plötzlich diesen Dialog, einen der wenigen im Film. Einer | |
der Zwillinge will von der Mutter, die sich zum Nachmittagsschlaf | |
zurückgezogen hat, wissen, ob sie ihn, den Bruder und den Vater liebe. Ihre | |
Antwort lautet stets ja. Auf die Frage, ob sie auch sich selbst liebe, | |
folgt ein langes Schweigen. | |
Auch so kann man Menschen auf der Leinwand nahekommen: Mit einer behutsam | |
agierenden Kamera, die die Figuren erst einmal bei sich ankommen lässt, die | |
ihrer Verlorenheit einen visuellen Rahmen gibt, und sie zugleich auffängt. | |
## Den Zustand des Provisorischen festhalten | |
Ein Familiengefüge bricht auseinander und setzt sich vielleicht wieder neu | |
zusammen. „For the Time Being“ hält diesen Zustand des Vorläufigen, des | |
Provisorischen fest. Und ist gleichzeitig ein Film über den Sommer und | |
sommerliche Gefühle. Über Ferien. Über einen Jungen, der sich aufmacht, | |
durch die Hügel zu streunen, sich seinen Weg durch die Dornbüsche zu | |
bahnen, begleitet vom Grillen der Zirpen, vom Rauschen der Blätter. | |
Manchmal tollen die Zwillinge im Pool, der nur halb gefüllt ist, weil es | |
irgendwo ein Loch gibt. Beim Geschrei der sich balgenden und plantschenden | |
Jungen kommen wieder eigene Kindheitserinnerungen hoch. In schöner | |
Beiläufigkeit erfasst Salka Tiziana die Essenz eines Augenblicks, eines | |
Glücksmoments. | |
„For the Time being“ erkundet auch das Wesen von Dingen und Gegenständen. | |
Da ist zum Beispiel der Poolroboter. Er sieht aus wie ein entfernter | |
Verwandter von R2-D2 aus „Star Wars“. Er zieht seine Bahnen und kann auch | |
Wände hochklettern. Endlos könnte man ihm dabei zu schauen. Irgendwann | |
bewegt er sich aus dem Bild heraus, nun sieht man nur noch sein Kabel im | |
Wasser. Schwer zu beschreiben, warum diese kleine Maschine sich einen so | |
großen Auftritt zu verschaffen vermag. | |
25 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=w3QxMU7q3uw | |
[2] /Costa-Blanca-und-deutsche-Rentner/!5048481 | |
## AUTOREN | |
Anke Leweke | |
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