# taz.de -- Gewalt in Ecuadors Gefängnissen: Wie kamen Waffen in den Knast? | |
> Mindestens 79 Gefangene sterben bei Gewaltausbrüchen in ecuadorianischen | |
> Gefängnissen. Die Polizei spielt eine fragwürdige Rolle im Strafvollzug. | |
Bild: Polizeieinsatz im Gefängnis von Guayaquil nach dem Ausbruch der Gewalt | |
BERLIN taz | Bei [1][Gewaltausbrüchen in vier Gefängnissen in Ecuador] sind | |
mindestens 79 Gefangene getötet sowie mehrere verletzt worden. 37 Häftlinge | |
wurden in einem Gefängnis der Hafenstadt Guayaquil getötet, weitere 34 in | |
der Stadt Cuenca und acht in der Nähe der Hauptstadt Quito, in Latacunga. | |
Dies teilte die Gefängnisverwaltung des südamerikanischen Landes am | |
Mittwochmorgen mit. Nach Angaben der Behörden sind die zeitgleichen | |
blutigen Revolten auf Rivalitäten zwischen innerhalb der Gefängnisse | |
operierenden Drogenbanden zurückzuführen. | |
In einer vorherigen Zwischenbilanz der Gefängnisbehörde war noch von 62 | |
Toten die Rede gewesen. Es ist davon auszugehen, dass weitere Tote gefunden | |
werden. Nach Angaben von Behördenchef Edmundo Moncayo gab es unter den | |
Wächtern keine Toten. Doch seien mehrere Polizisten verletzt worden. | |
Inzwischen wurden vor den Haftanstalten Soldaten postiert und | |
Straßensperren eingerichtet. | |
In ecuadorianischen Gefängnissen kommt es immer wieder zu gewalttätigen | |
Auseinandersetzungen. Nach offiziellen Angaben sind allein im letzten Jahr | |
51 Insassen getötet worden. | |
## Ohne Wissen der Polizei ist der Schmuggel kaum denkbar | |
Sicherheitskräfte machen rivalisierende Banden für die Gewalt in den | |
Haftanstalten verantwortlich. Die Hintergründe bleiben jedoch meist im | |
Dunklen. [2][Obwohl die Regierung] Moreno angesichts einer ersten | |
Gewaltwelle im Mai 2019 die Militarisierung der Gefängnisse angeordnet hat, | |
scheint die Kontrolle über die Haftanstalten weitgehend entglitten zu sein. | |
Der jetzige Gewaltausbruch ist damit nur die Zuspitzung einer Entwicklung, | |
die vor etwa zwei Jahren begonnen hat. | |
In Ecuador liegt die Gefängnisverwaltung in der Hand einer zivilen Behörde, | |
die aus dem aufgelösten Justizministerium hervorgegangen ist. Zunächst | |
hatte kurz ein Jurist die Behördenleitung inne, bis im Juni 2019 der | |
General der Polizei Edmundo Moncayo die Gefängnisverwaltung übernahm. 1.600 | |
im Schnellverfahren ausgebildeten Vollzugsangestellten stehen 40.000 | |
Gefangene gegenüber. | |
Der Polizei obliegt allerdings die Eingangskontrolle zu den Haftanstalten. | |
Wer etwa als Anwalt das Gefängnis in Latacunga besucht, wird per | |
Körperscanner durchleuchtet und muss Akten und Schuhe röntgen lassen. Es | |
ist schwer vorstellbar, wie die gefundenen Waffen, Telefone und Drogen ohne | |
Wissen der Polizei in die Gefängnisse gelangten. Bei dem Massaker am | |
Dienstag wurden Macheten und Motorsägen eingesetzt. | |
Nach den Gewaltwellen der letzten Jahre wurde die Polizei immer wieder | |
beschuldigt, die Gewaltausbrüche zu steuern, um durch gezielte | |
Hinrichtungen einzelner Anführer die Banden zu kontrollieren. | |
## Übergang zwischen Polizei und Kriminellen ist fließend | |
Gefängniswärter gaben an, dass bei der Enthauptung des Anführers der | |
Choneros im Juni 2019 die Polizei die Türen zum benachbarten Flügel offen | |
gelassen und damit der rivalisierenden Bande den Zutritt ermöglicht hat. | |
Die Täter hatten Zeit, die Enthauptung zu filmen und danach mit dem Kopf | |
des Opfers im Hof Fußball zu spielen. | |
Zugleich leidet das ecuadorianische Gefängniswesen an Überbelegung und | |
politischer Vernachlässigung. Wie die meisten Länder der Region hat sich | |
auch Ecuador dem Krieg gegen Drogen unterworfen und das Strafverfahren nach | |
US-amerikanischem Vorbild reformiert. | |
In der Folge explodierten die Gefangenenzahlen. Im Jahr 1989 gab es in | |
Ecuador etwa 7.000 Gefangene, 2009 waren es 11.500 und heute, bei 17,5 | |
Millionen Einwohnern, 40.000 Inhaftierte. Ein Drittel davon sitzt in | |
Untersuchungshaft. | |
Verurteilungen kommen überwiegend in Schnellverfahren und wegen kleinerer | |
Eigentums- und Drogendelikte zustande. Schwere Taten werden kaum verfolgt. | |
Die meisten Inhaftierten in Ecuador hätten in Deutschland keine Haftstrafe | |
zu befürchten. | |
Der Alltag in den Gefängnissen ist geprägt von Gewalt und Korruption. Der | |
Übergang zwischen Polizei und kriminellen Banden ist fließend. | |
Wie viele der Opfer tatsächlich von rivalisierenden Banden oder bei der | |
Niederschlagung der Meuterei von der Polizei getötet wurden, wird mangels | |
unabhängiger Ermittlungen nicht geklärt werden. Sicher scheint, dass der | |
Gewaltausbruch nicht trotz, sondern wegen der Militarisierung der | |
Gefängnisse erfolgte. | |
24 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Krauth | |
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