| # taz.de -- Datenschutz gilt auch für Fußball-Fans: Die Polizei vergisst spät | |
| > Eine Frau wurde zu unrecht beschuldigt, die Zündung von Pyros unterstützt | |
| > zu haben. Löschen wollte die Polizei ihre Daten erst auf Nachfrage der | |
| > taz. | |
| Bild: Beim DFB-Pokalspiel von Werder Bremen gegen Atlas Delmenhorst brannte Pyr… | |
| Bremen taz | Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Deswegen hat die | |
| Staatsanwaltschaft gegen Martha Schulze (Name von der Redaktion geändert) | |
| ermittelt, deswegen hatte die Polizei allerlei Daten über sie gespeichert. | |
| Und die wollte sie erst einmal nicht wieder löschen. Dabei lag gegen Frau | |
| Schulze, rein strafrechtlich betrachtet, nichts vor. | |
| Rückblende: Am 10. August 2019 spielten Werder Bremens Herren im DFB-Pokal | |
| gegen jene von Atlas Delmenhorst. Schulze war auch im Stadion. Die Polizei | |
| warf ihr vor, kurzzeitig ein Banner festgehalten zu haben, unter dem sodann | |
| von anderen Fans Pyrotechnik entzündet wurde. Aus ihrer Sicht war das | |
| jedenfalls eine Beihilfe zu einer gefährlichen Körperverletzung. Dafür kann | |
| es bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe geben. | |
| Die fragliche Szene wurde von den Videokameras im Weser-Stadion | |
| festgehalten – und die szenekundigen Beamten der örtlichen Polizei wollten | |
| Schulze auf den Aufnahmen „mit Sicherheit erkannt“ haben. Die | |
| Staatsanwaltschaft allerdings habe das Verfahren „nach Aktenlage“ | |
| eingestellt, sagt die Strafverteidigerin Lea Voigt, die Schulze vertritt. | |
| Es sei schon nicht feststellbar, dass die Beschuldigte eine gesundheitliche | |
| Schädigung anderer Personen billigend in Kauf genommen habe, weshalb der | |
| erforderliche Vorsatz nicht nachweisbar sei, so das Argument der | |
| Staatsanwaltschaft. | |
| Hinzu kommt, so Voigt: Martha Schulze ist gar nicht jene Frau, die das | |
| Banner hielt. Sie stand nur daneben. „An dem Geschehen mit der Pyrotechnik | |
| ist sie in keiner Weise beteiligt“, sagt auch die Fan-Organisation | |
| [1][Grün-Weiße Hilfe] e. V. | |
| Es sei nicht das erste Mal, dass sich vermeintlich sichere | |
| Identifizierungen der sogenannten szenekundigen Beamten „als falsch | |
| erweisen“. Das komme öfter vor als man denke, sagt Wilko Zicht vom Vorstand | |
| der Grün-Weißen Hilfe. Das Verhältnis der Fanszene zu den szenekundigen | |
| Beamten sei auch nicht besonders gut, so Zicht: „Die werden nicht als | |
| Gesprächspartner akzeptiert.“ | |
| Voigt hat für ihre Mandantin beantragt, dass die Polizei alle | |
| personenbezogenen Daten aus dem Strafverfahren löscht. Das war im August | |
| vergangenen Jahres. Doch die Polizei habe bisher „überhaupt gar nicht | |
| reagiert“, so Voigt, auch nicht nach mehrmaliger Erinnerung und | |
| Fristsetzung. Über die Gründe könne sie nur mutmaßen: Anträge auf Löschung | |
| persönlicher Daten würden bei der Polizei „nicht besonders vorrangig | |
| behandelt“. Die Anwältin reichte deshalb nun eine Untätigkeitsklage beim | |
| Verwaltungsgericht ein. | |
| „Die Verweigerungshaltung bei der Polizei ist inakzeptabel“, so Voigt. | |
| „Sollte es noch Daten zu dem eingestellten Verfahren geben, hätten diese | |
| schon vor Monaten gelöscht werden müssen.“ Gemäß des Bremischen | |
| Polizeigesetzes müsse die Polizei personenbezogene Daten aus einem | |
| Strafverfahren unverzüglich löschen, sobald der Verdacht entfalle. | |
| Anträge auf Auskunft oder Datenlöschung würden von der Polizei aber „nur | |
| sehr schleppend“ und „extrem verzögert“ bearbeitet, sagt Voigt. Dabei | |
| müsste sich das mit dem neuen Polizeigesetz nun ändern – es sieht laut der | |
| Verteidigerin vor, dass derlei Anträge in aller Regel binnen eines Monats | |
| beschieden werden müssten. | |
| ## Weiterer Rechtsstreit für die Polizei „entbehrlich“ | |
| Kurz vor Redaktionsschluss reagierte die Polizei schließlich auf | |
| wiederholte Nachfrage der taz: Man bedauere die lange Bearbeitungszeit und | |
| habe die Datensätze zum entsprechenden Vorgang gelöscht, erklärte ein | |
| Sprecher der Polizei. „Ein weiterer Rechtsstreit in dieser Sache ist somit | |
| aus Sicht der Polizei Bremen entbehrlich.“ | |
| Die Fehlidentifikation durch die szenekundigen Beamten verstehe die Polizei | |
| Bremen für sich „als Auftrag“: Man habe den Sachverhalt zum Anlass | |
| genommen, die Mechanismen zur Identifizierung von Personen zu optimieren. | |
| 2 Mar 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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