Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fußball-Fans unter Generalverdacht: Eine kalkulierte Provokation
> Der Präsident des Landessportbundes Niedersachsen hat mit einem Satz all
> jene diskreditiert, die in Stadien an Choreographien teilnehmen.
Bild: Kann auch sehr friedlich sein: Choreo von Werder Bremen-Fans im Weser Sta…
Hannover taz | Kurz vor Weihnachten kam zuletzt eine unschöne Duftnote
geweht. Und zwar bei dem Fußball-Zweitliga-Heimspiel von Hannover 96 gegen
den VfB Stuttgart: Der Geruch abgebrannter Pyrotechnik, der quer durch das
Stadion am Maschsee gezogen war, dürfte es bis zu einem besonderen Nachbarn
geschafft haben. Der Landessportbund Niedersachsen (LSB) hat seinen Sitz
direkt neben dem 96-Stadion und wacht von dort aus über mehr als 9.400
niedersächsische Sportvereine. Dazu gehören auch Klubs wie Hannover 96, die
im Profifußball vertreten sind und mit Zündeleien durch Fans in ihren
Arenen konfrontiert werden. LSB-Präsident Wolf-Rüdiger Umbach stinkt die
Gemengelage in so manchem Stadion offenbar. Er fordert jetzt ein härteres
Durchgreifen und macht einen nebulösen Vorschlag.
Eigentlich kennt sich Umbach in der Branche bestens aus. Der 74-Jährige ist
ein ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter und hat den bezahlten Fußball in
all seinen Facetten hautnah kennengelernt. Was er in einem Interview mit
der Braunschweiger Zeitung am Montag vorgeschlagen hat, klingt aber eher
wirr. „Das Problem beim Fußball ist doch die größtmögliche Anonymität, w…
sich unter einer Choreographie, die den ganzen Tribünenblock abdeckt, Leute
schwarze Masken anziehen und Pyros werfen“, heißt es in dem Interview. Mit
einem Satz alle unter Generalverdacht zu stellen, die sich mit Hilfe von
Choreographie um gute Stimmung im Stadion bemühen, das war wahrlich kein
guter Start in das neue Jahr. Wer riesige Fahnen bastelt oder bunte Banner
präsentiert, zündelt nämlich nicht automatisch.
Richtig ist: Wenn in deutschen Stadien – trotz eindeutiger Verbote –
Pyrotechnik zum Einsatz kommt, vermummen sich viele Fans dabei. Sie wollen
nicht erkannt und belangt werden. Als beispielsweise die Anhänger des VfB
Stuttgart am 21. Dezember in Hannover bengalische Fackeln abgebrannt haben,
waren sie vermummt.
Ob lichte Momente mit Pyrotechnik im Stadion generell verboten oder unter
Auflagen erlaubt werden sollen, darüber wird seit Jahren ziemlich verbissen
gestritten. Was echte Fans als wichtigen Teil ihrer Fußball-Kultur
empfinden, stuft die Deutsche Fußball Liga (DFL) weiterhin als gefährlich
ein und verbietet es.
LSB-Boss Umbach stört sich aber offenbar an großflächigen Choreographien.
Sie überdecken zuweilen eine komplette Fankurve und erschweren den
Sicherheitsleuten im Stadion den Blick auf die Details. „Solche Choreos
sollte man zurückdrängen oder so gestalten, dass sich dahinter nicht
Gewalttäter verbergen können“, findet der Funktionär.
Aber: Sind hinter genehmigten Choreographien wirklich Gewalttäter zu
vermuten? Und ist ein vermummter Fan, der mit Pyrotechnik im Stadion
hantiert, wirklich auch automatisch ein Gewalttäter? Umbachs Aussagen
lassen solche falschen Schlussfolgerungen zu. Sein Vorstoß, bestimmte
Choreographien in Fußballstadien zu reglementieren oder sogar ganz zu
verbieten, ist daher merkwürdig. Er gleicht einem verbalen Zündeln.
In Niedersachsens wichtigsten Fußballstadien, also in Hannover, Wolfsburg,
Braunschweig und Osnabrück, gibt es immer wieder durchaus unterhaltsame
Choreographien zu bestaunen. Ihre Inhalte und Abläufe werden in der Regel
mit den jeweiligen Heimvereinen vertrauensvoll abgestimmt. So entsteht ein
munteres Miteinander, das meistens gut klappt und in Einzelfällen leider
durch vermummte Übeltäter unterwandert wird. Letzteres sollte jedoch kein
Grund dafür sein, Inszenierungen von Fans generell in Frage zu stellen.
Der medienerfahrene Umbach ist Professor der Mathematik und ehemaliger
Präsident der Ostfalia Hochschule. Er müsste also durchaus in der Lage
sein, sich vorab auszurechnen, wie gut sein Vorschlag von
Choreographie-Restriktionen in der aktiven Fanszene ankommen wird.
8 Jan 2020
## AUTOREN
Christian Otto
## TAGS
Fans
Fußball
Pyrotechnik
DFL
Ultras
Pyrotechnik
Pyrotechnik
Werder Bremen
Stadionverbot
## ARTIKEL ZUM THEMA
Datenschutz gilt auch für Fußball-Fans: Die Polizei vergisst spät
Eine Frau wurde zu unrecht beschuldigt, die Zündung von Pyros unterstützt
zu haben. Löschen wollte die Polizei ihre Daten erst auf Nachfrage der taz.
Feuerwerk-Legalisierung stagniert: Das Pyro-Problem
Die Strafen für das Abbrennen von Pyrotechnik treffen den HSV empfindlich.
Sein Ansatz, das Feuerwerk zu legalisieren, stößt auf wenig Gegenliebe.
Ultras kritisieren Werder Bremen: Angespanntes Verhältnis
Nach dem Ordner- und Polizeieinsatz beim Pokalspiel von Werder Bremen gegen
Heidenheim haben die Werder-Ultras starken Klärungsbedarf.
Derby in der Dritten Fußball-Liga: Kollektives Stadionverbot
Fußballfans aus Osnabrück und Münster werden wegen Ausschreitungen bei
Derbys ausgesperrt. Ultras protestieren gegen den Ausschluss.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.