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# taz.de -- Die Sonne scheint und Berlin spaziert: Bloß raus vor die Tür
> Das sonnige und warme Wetter treibt viele Menschen in die Parks und
> Plätze dieser Stadt. Wem kann man es verdenken? Ein Spaziergang durch
> Berlin.
Bild: Sonntag auf dem Tempelhofer Feld: Sonnenuntergang gucken – garantiert n…
Berlin taz | Alles scheint wie früher zu sein. Der Boxhagener Platz im
Herzen Friedrichshains brummt an diesem Samstag, dem klassischen Markttag.
Die Sonne lacht, spazierst du mal wieder zum Boxi und guckst, was da so
geht – aus journalistischem Interesse, denn ich war lange Zeit nicht hier.
Okay, Käse kaufen wollte ich auch.
Ich wunder mich schon aus der Ferne, wie viele Menschen sich auf dem Platz
tummeln, ja, es wimmelt nur so von ihnen. So als ob es kein Corona gäbe,
keine Kontaktbeschränkungen, nur an den Masken kann man erkennen, dass wir
in Pandemiezeiten leben. Okay, der Markt an sich mit seinen Ständen findet
schon länger auf größerer Fläche statt, weil auch die den Boxi umgebenden
Straßen dafür genutzt werden. Die Massen haben also viel mehr Platz, aber
es sieht so voll aus wie vor Coronazeiten auch.
Nach 100 Metern durchs Getümmel – Abstand halten geht quasi nicht – gebe
ich auf. Mein Unterbewusstsein steuert mich auf eine Nebenstraße und führt
mich schnurstracks in den nächsten Biomarkt, um dort, wo sich halbwegs
Abstand halten lässt, Käse zu kaufen. Und dann auf dem Rückweg einen Umweg
machen, wie immer, um über meinen Lieblingsspazierfriedhof zurück nach
Hause zu gelangen.
Hier war früher nie viel los. Eigentlich nicht. Seit Corona ist das
natürlich anders, Friedhöfe sind gesuchte Spaziergangsorte geworden. Und
wenn Schnee liegt wie letztens oder wenn nun die Sonne dauerscheint,
potenziert sich das noch mal. Selbst auf meinen Geheimwegen durch längst
nicht mehr gepflegte und wild überwucherte Areale schlendern andere auf den
Trampelpfaden. An Sonnenplätzen wird rumgehangen. Man ist nirgends mehr
allein.
## Du bist nicht allein …
Das kann stressen. Dabei weiß ich, dass es allen genauso geht wie mir. Ich
bin ja auch nur Teil der Massen, die sich durch Berlins Flora und Fauna
wälzen. „Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge / durch die Gärten und
Felder zerschlägt“, heißt es im berühmten „Osterspaziergang“ von Goeth…
der mir in den Sinn kommt.
Das passiert überall in dieser Stadt, sie scheint überbevölkert, überlaufen
zu sein. Ein Kollege erzählte, wie „wild es im Tegeler Kleingartenverein
wuselte“ – als ob schon April wäre, „es wurde geschnipselt und
geschreddert, und einige Nachbarn haben den ganzen Tag mit der erweiterten
Großfamilie gegrillt“. Auch „nebenan im Steinbergpark war
osterspaziergangsmäßig“ was los …
Ein anderer Kollege war am Landwehrkanal unterwegs: „Dicht an dicht saßen
die Leute beisammen“, berichtet er. Und auch die Gruppengrößen, „die man
übers Wochenende im Graefekiez sah, werfen Fragen auf, ob sich überhaupt
jemand der Kontaktbeschränkungen bewusst ist. Drinks und Sonnenbrillen sah
man zuhauf, Masken dafür umso weniger.“
## Polizei-Coronastreife auf dem Fahrrad
Im Mauerpark war ebenfalls die Hölle los. „Schon in den Seitenstraßen des
Mauerparks strömten Radler-trinkende Jugendliche mit
Sonnenbrillen-tragenden Spaziergänger:innen zu einem Menschenstrom
zusammen, der sich scheinbar unaufhaltsam Richtung Park bewegte“,
formulierte ein Kollege so schön seine Beobachtungen. „Die Sonnenstrahlen
schienen auch die Anspannungen der letzten Monate aufzuschmelzen und nur
noch die etwas größeren Ausfallschritte beim gegenseitigen Ausweichen
erinnerten an die grassierende Pandemie.“
Wie der RBB berichtete, rückte die Polizei aus und erinnerte die grillenden
Anwesenden im Mauerpark an das Alkoholverbot. Andernorts fuhr die Polizei
Coronastreife auf dem Fahrrad.
Aber mal ehrlich: Wem kann man es verdenken, die Sonne zu genießen und
endlich, endlich draußen zu verweilen, ohne zu frieren. Und dass das die
nächsten Tage so bleiben wird, prophezeit der Wetterbericht: Es bleibt
heiter bis richtig sonnig, ab Mittwoch bis zu 19 Grad, ab Freitag „nur
noch“ um 11 Grad.
22 Feb 2021
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Sonnenbaden
Parks
Frühling
Waldbaden
Kolumne Großraumdisco
Grunewald
Polizei Hamburg
Frühling
Schwerpunkt Coronavirus
Wochenkommentar
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