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# taz.de -- Anton Hofreiter und das Eigenheim: Das Haus mit Garten
> In einer Demokratie widerfährt der Opposition meist nichts Böses. Außer
> eben in Wahlkämpfen – und dann reagiert sie oft verdattert.
Bild: Ein Eigenheim zum reinträumen, vor allem für beengt wohnende Menschen i…
In Wahlkämpfen wird mit unfairen Mitteln gekämpft, oft polemisch, manchmal
demagogisch. Das ist nicht nett, derlei ist nie nett. Es wäre kleidsamer –
auch erfreulicher für das Publikum –, wenn alle Beteiligten sich sachlich
austauschten. Aber wer sich in bestimmte Situationen begibt, sollte wissen,
worauf er oder sie sich einlässt. Gerade in der Politik.
Dort geht es um Existenzen, um Macht, manchmal – gar nicht so selten – um
Leben und Tod, um sehr viel Geld. Da wird gelogen, verleumdet, betrogen,
gedroht. Das gehört zum Alltagsgeschäft.
Mit Politikverachtung hat das nichts zu tun. Im Gegenteil. Ich bewundere
alle, die das aushalten und halbwegs integer bleiben. Es ist schlicht eine
Beschreibung der Realität. Leute in politischen Führungspositionen haben es
auf der jeweiligen Gegenseite und bei Verhandlungen nicht nur mit
aufrechten, redlichen Menschen zu tun. Das gilt übrigens für Inland und
Ausland.
## Hilfestellung oder Todeskuss?
Die Opposition lebt in einem halbwegs geschützten Raum, jedenfalls in einer
Demokratie. Da sie keine Macht hat, widerfährt ihr auch nicht so viel
Böses. Außer eben in Wahlkämpfen. Und dann reagiert sie oft verdattert. So
scheint es auch den Grünen ergangen zu sein, als Anton Hofreiter,
Vorsitzender der Bundestagsfraktion, ein scheinbar harmloses Interview zu
Bebauungsplänen und Eigenheimen gab. Inhaltlich war das, was er sagte,
wenig provokant und sehr [1][vernünftig]. Sogar manche CDU-Politiker
stimmen ihm inzwischen zu. Beiseite gefragt: Ist das nun eigentlich eine
Hilfestellung oder ein Todeskuss?
Das Interview ließ sich allerdings, bei einigermaßen bösem Willen, auch
falsch verstehen. Und den Fraktionschef der Grünen verblüfft dieser böse
Wille? Das finde ich unprofessionell.
„Grüne wollen neue Einfamilien-Häuser verbieten“, titelte die Bild-Zeitun…
Das ist Quatsch, falsch, unsachlich, gemein. Aber überraschend? Nein,
überraschend ist diese Schlagzeile nicht. Das Blatt versucht schon lange,
den Grünen das Image einer besserwisserischen Verbotspartei anzukleben, die
jeden Spaß verderben will. Das kann der Partei eigentlich nicht entgangen
sein. Unter diesen Umständen hält Hofreiter – also nicht jemand aus der
dritten Reihe, sondern der Fraktionschef – es für eine gute Idee, ein
Interview zum Thema Eigenheim zu geben, in dem das Wort „enteignen“
vorkommt? Es war keine gute Idee.
[2][Wir leben in einer Pandemie], müssen mit vormals unvorstellbaren
Einschränkungen zurechtkommen. Das eigene Haus mit Garten ist gerade jetzt
für sehr viele Menschen das Lebensziel, in das sie sich hineinträumen. Vor
allem dann, wenn sie mit zwei Kindern in einer kleinen Wohnung leben. Wer
ein Interview gibt, will damit möglichst viel Aufmerksamkeit wecken. Ein
politischer Profi weiß, dass die Inhalte ausführlicher Gespräche immer
verkürzt wiedergegeben werden, wenn darüber diskutiert wird. Halt, das ist
falsch: Er sollte es wissen.
Nichts spricht dagegen, wenn die [3][Grünen das Thema „Wohnen“] im
Wahlkampf erörtern, im Gegenteil. Aber es wäre schön, wenn dabei deutlich
würde, dass sie nicht nur inhaltlich etwas davon verstehen, sondern auch
schon einmal etwas von Kommunikationsstrategie gehört haben. Andernfalls
wird einem bei der Vorstellung blümerant, dass jemand aus dieser Partei im
Kanzleramt oder im Außenministerium sitzt.
All das rechtfertigt allerdings nicht, wenn ein Medium wie jetzt die
Bild-Zeitung sich selbst offenbar als aktiver Teil des Wahlkampfes
versteht. Mit Berichterstattung hatte das nichts zu tun, was sie über das
Hofreiter-Interview geschrieben hat – es war plumpe Stimmungsmache. Das mag
erwartbar sein. Eklig ist es dennoch.
21 Feb 2021
## LINKS
[1] /Gruene-und-Eigenheime/!5747020
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[3] /Gruene-und-Eigenheime/!5747020
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kolumne Macht
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Anton Hofreiter
Kolumne Macht
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Grüne
Wohnen
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