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# taz.de -- Die Rohingya in Myanmar: Ein Völkermord geschieht
> Die Lage der Rohingya müsste gerade in diesen Tagen, in denen über den
> Militärputsch berichtet wird, ein wichtiges Thema sein. Ist sie aber
> nicht.
Bild: Rohingya-Flüchtlinge werden auf die Insel Bhasan Char umgesiedelt, Febru…
Ein Ausweis ist eine wunderbare Sache. Wie viele Rechte damit verbunden
sind, stellt sich erst heraus, wenn jemandem oder gar einer ganzen
Bevölkerungsgruppe das Dokument vorenthalten oder entzogen wird. Wie zum
Beispiel den Rohingya.
Rohingya? Ich vermute, dass den meisten von Ihnen der Name etwas sagt – und
Sie spontan dennoch nicht wissen, wo sie ihn unterbringen sollen. Das ist
aufschlussreich. Denn eigentlich müsste die Lage der Rohingya gerade in
diesen Tagen ein wichtiges Thema sein, in denen zu Recht oft und viel über
den blutigen Militärputsch in Myanmar berichtet wird. Ist sie aber nicht.
Was unter anderem daran liegt, dass viele von ihnen – nun ja, eben keinen
Ausweis haben.
Die sind den meisten schon [1][1982] weggenommen worden, infolge eines
damals neuen Staatsbürgerschaftsrechts, das Nationalität entlang ethnischer
Linien definierte. Bis dahin waren die Rohingya eine muslimische Minderheit
im überwiegend buddhistischen Birma, dem späteren Myanmar. Nein, die hätten
gar nichts mit Birma zu tun, befand die damalige Militärregierung. Sie
seien illegal aus Bangladesch eingewandert. Offiziell gehören sie somit
nicht zu den insgesamt 135 einheimischen Bevölkerungsgruppen.
Der Versuch, ethnische oder religiöse Minderheiten auszugrenzen, ist nicht
originell. Den gibt es oft, in Bürgerkriegsgebieten und in friedlichen
Staaten. In Myanmar waren die Folgen dramatisch. Zwischen 2016 und 2018
führten Massaker, systematische Vergewaltigungen, die Zerstörung von
Dörfern und andere Menschenrechtsverletzungen zu einer Massenflucht.
Hunderttausende Rohingya leben heute staatenlos in ausländischen
Flüchtlingslagern. UNO-Organisationen bezeichnen das, was ihnen widerfahren
ist, als Völkermord – kein Begriff, mit dem die Vereinten Nationen
leichtfertig um sich werfen.
## Nur ein Sonderproblem?
Ein Sonderproblem, man kann sich schließlich nicht in jedem Winkel der Welt
auskennen? Das ist wahr, einerseits. Andererseits beschreibt genau das die
Misere der Rohingya. „Solange Myanmar von der Welt abgeschottet war, blieb
das Problem verborgen“, analysiert Amal de Chickera für die britische
Organisation HPN (Humanitarian Practice Network). „Als Myanmar sich
öffnete, war das Narrativ ‚Demokratisierung‘ und ‚Transformation‘. Die
Realität, in der die Rohingya lebten, war ein ärgerlich widersprüchliches
Detail, das beiseitegewischt wurde.“
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Lage in Myanmar nach dem
Militärputsch gehört zu den wenigen außenpolitischen Themen, die sogar in
Coronazeiten noch auf Interesse stoßen. Eine aufrechte, tapfere
Protestbewegung kämpft für Demokratie und für Aung San Suu Kyi, die
entmachtete Friedensnobelpreisträgerin. Hier die Guten – da die Bösen: Das
sind Erzählungen, die Öffentlichkeit und Medien lieben.
Die Erzählung ist ja nicht falsch. [2][Aung San Suu Kyi] ist eine
bemerkenswerte Frau, und die Demonstranten auf den Straßen von Myanmar
beweisen großen Mut. Wahr ist aber auch: Die Politikerin hat die Verbrechen
an den Rohingya lange geduldet und gelegentlich sogar verteidigt oder
geleugnet. Es sei dahingestellt, ob aus Furcht vor den Militärs, aufgrund
stillschweigender Übereinstimmung mit ihnen oder aus Angst vor der
öffentlichen Meinung, die den Rohingya mehrheitlich nicht wohlwollend
gegenübersteht. Auch Demokraten können Minderheiten feindselig gesinnt
sein. Leider.
Die Geschichte der Rohingya ist komplex. Im Machtgefüge gab es einst gute
Gründe, sie als politische Kraft abzulehnen. Das sollte, das dürfte jedoch
keine Rolle mehr spielen. Inzwischen sind sie nämlich Opfer eines Genozids.
Für den sich viele nicht interessieren. Aber: War das nicht schon mehrfach
so bei Völkermorden – bis sie dann vorbei waren? Doch, durchaus.
6 Mar 2021
## LINKS
[1] /Diskriminierung-der-Rohingya-in-Birma/!5392012
[2] /Aung-San-Suu-Kyis-Rolle-in-Myanmar/!5751994
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
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Rohingya
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