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# taz.de -- Ein letztes Mal für die taz: Abschließende Gedanken über „Mach…
> Mit diesem Text verabschiedet sich Bettina Gaus von der taz. Noch einmal
> widmet sie sich dem Thema, das sie schon lange bewegt: der Macht
Bild: Erkennen wir unsere Privilegien, wenn wir in den Spiegel schauen? Moment …
Seit 30 Jahren arbeite ich für die taz, [1][seit mehr als 10 Jahren
schreibe ich die Kolumne unter der Überschrift „Macht“]. Diese wird die
letzte sein. Ende des Monats verlasse ich die Zeitung.
Mein vorherrschendes Gefühl ist Dankbarkeit. Drei Jahrzehnte lang habe ich
tun können, was ich tun wollte, und ich durfte es stets zu den Bedingungen
tun, die ich mir wünschte. Ein großes Glück. Ich würde gerne glauben, dass
das nur etwas mit Freiheit zu tun hat und gar nichts mit Macht. Wäre gut
fürs Selbstbild. Aber Freiheit ist nicht ohne Privilegien vorstellbar – wie
beispielsweise soziale Sicherheit, ein weltweit anerkannter Pass oder eine
gute Ausbildung –, und Privilegien sind stets ein Ausdruck von Macht.
Alle, die hierzulande mit unanfechtbarem Aufenthaltsstatus leben, sind
privilegiert gegenüber einem großen Teil der übrigen Welt. Ziehen also
Nutzen aus der Tatsache, dass sie zu der Bevölkerung eines reichen,
mächtigen Landes gehören. Wir bei der taz ziehen Nutzen daraus,
mehrheitlich besser ausgebildet zu sein als viele andere in unserer
Gesellschaft. Macht, Freiheit und Privilegien sind ineinander verknäuelt.
Immer.
Das Thema Macht hat mich spätestens seit den frühen 90er Jahren
beschäftigt. Damals habe ich als Korrespondentin für Ost- und Zentralafrika
über diejenigen berichtet, die gemeinhin als ohnmächtig gelten. Später dann
vorwiegend über eine Mittelmacht geschrieben: Deutschland. In den letzten
Jahren interessierte ich mich immer stärker für das, was sich in den USA
abspielt. In einer Weltmacht also.
Was ich gelernt habe: Je weniger Macht jemand hat, desto mehr weiß sie oder
er über die Mächtigen. Wer sich in Afrika für Politik interessiert, kennt
die Verhältnisse in Europa und den USA viel besser als umgekehrt.
Hierzulande sind wir übrigens auch genauer über die Vereinigten Staaten
informiert als die Menschen dort über uns.
Egal? Was schert die jeweils Mächtigen, was sich im Maschinenraum abspielt?
Derlei Überheblichkeit hat sich schon häufiger gerächt. In Afghanistan
haben es die Sowjets erfahren, in Vietnam die USA. In Somalia glaubten
internationale Experten, mit „barfüßigen Banditen“ leicht fertig werden zu
können. Was sich als Irrtum erwies.
Gilt das, was sich in der Außenpolitik zeigt, auch für die Innenpolitik?
Kann anhaltende Gleichgültigkeit gegenüber den Ohnmächtigen in der
Gesellschaft zu einer Verschiebung von Machtverhältnissen führen, die so
lange für undenkbar gehalten wird, bis sie sich ereignet? Ja. Dafür gibt es
Beispiele. Nicht alle sind erfreulich.
Die Frage ist natürlich, wer eigentlich die Ohnmächtigen sind – und ob es
immer diejenigen sind, die sich dafür halten. Die taz hat die Machtfrage
gestellt, seit es sie gibt. Was versteht sie heute darunter? Bei der
Themenwahl schlägt Gesellschaftspolitik meinem Eindruck nach derzeit
Wirtschaftspolitik, auch Sozialpolitik. Nicht immer, aber doch sehr oft.
Kontroversen über außenpolitische Fragen sind selten geworden. Das mag sich
ändern, wenn der US-Präsident noch häufiger andere Staatschefs als Mörder
bezeichnet. Bisher jedoch ist es der Fall.
Es gibt dafür gute Gründe. Allerdings gibt es dafür auch schlechte Gründe �…
dann nämlich, wenn Debatten sich verästeln und nur noch für Eingeweihte
verständlich sind. Das beste Mittel, um derlei zu verhindern, ist eine
Redaktion, in der Leute mit sehr unterschiedlichen Biografien und Meinungen
arbeiten. Dann kracht es auch mal, natürlich. Aber das ist allemal besser
als die Entwicklung hin zu einer Zeitung, in der alle immer derselben
Ansicht sind.
Während ich das schreibe, merke ich, wie leid es mir tut, mich künftig
nicht mehr [2][in der taz einmischen] zu können. Aber so ist das eben, wenn
man sich verabschiedet. Mit der Frage, was Macht eigentlich ist, werde ich
mich allerdings auch künftig beschäftigen. Demnächst auf spiegel.de.
20 Mar 2021
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## AUTOREN
Bettina Gaus
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