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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Butler des Fußvolks
> Der Phoenix Park in Dublin war während der Pandemie für den Autoverkehr
> geschlossen. Bis ein Staatssekretär einen Alleingang absolvierte.
Demokratie ist ganz nett, aber manchmal lästig. Die für die Erhaltung des
architektonischen und kulturellen Erbes zuständige irische
Regierungsbehörde hatte lange beraten und diskutiert, es wurden Petitionen
eingereicht und Kompromisse geschlossen. Es ging um den Dubliner Phoenix
Park, den mit über 700 Hektar größten Stadtpark Europas, wo neben Damwild
und dem Zoo auch der irische Präsident und der Botschafter der USA
untergebracht sind.
Wegen der Pandemie und der Restriktionen hatte man ihn voriges Frühjahr für
den Autoverkehr geschlossen, lediglich die Durchfahrtsstraße blieb offen.
Die Hauptstädter nahmen das dankbar an, die Nutzung durch Spaziergänger und
Radfahrer aller Altersgruppen stieg um ein Drittel an. Als die
Coronamaßnahmen dann gelockert wurden, wollte die Regierungsbehörde die
Sperrung der Nebenstraßen im Park beibehalten.
Patrick O’Donovan hatte andere Pläne. Dem Staatssekretär untersteht die
Regierungsbehörde, und bevor die ihre Absichten umsetzen konnte, beschloss
er geschwind, den Park wieder für Autos zu öffnen. Das sei die korrekte
Vorgehensweise, verkündete er. Bevor man eine Entscheidung treffe, benötige
man schließlich sämtliche Verkehrsdaten und müsse den Konsultationsprozess
mit allen Beteiligten abwarten. Das gilt freilich nur für das Fußvolk.
O’Donovan traf seine Entscheidung, ohne von irgendetwas eine Ahnung zu
haben.
Lebendig eingemauert
Weil aber viele Menschen gegen den Alleingang protestierten, gibt es nun
einen öffentlichen Anhörungsprozess, der in zwei Wochen abgeschlossen sein
wird. Im April ist mit dem Abschlussbericht zu rechnen. Die Umsetzung kann
bis zu sieben Jahren dauern.
Doch der Bau eines Wahrzeichens des Parks hatte ja noch viel länger
gedauert. Links vom Haupteingang steht ein 62 Meter hoher Obelisk, der
höchste in Europa. Die Anhänger des Herzogs von Wellington hatten ihm zu
Ehren 1817 mit dem Bau begonnen. Damals lebte der Napoleon-Bezwinger und
spätere britische Premierminister noch, aber seinen Fans ging das Geld aus,
so dass die Arbeiten vorübergehend eingestellt werden mussten. Um
weiterbauen zu können, veranstalteten sie daraufhin in einem Gewölbe im
Sockel des Obelisken ein opulentes Dinner für zahlungskräftige Gäste.
Nach dem Mahl wurde das Gewölbe zugemauert. Erst Wochen später stellte man
fest, dass ein Butler seit dem Dinner verschwunden war. Er hatte offenbar
zu viel Wein getrunken, war hinter einem Wandschirm eingeschlafen und
lebendig eingemauert worden.
Als der Obelisk 1861 endlich eingeweiht wurde, war auch der Herzog längst
tot. Auf seine Geburt in Dublin angesprochen, hatte er einmal geantwortet:
„Wenn ein Mann in einem Stall geboren wird, macht ihn das noch nicht zu
einem Pferd.“ Für diese Bemerkung müsste man den Obelisken eigentlich
sprengen. Man könnte stattdessen aber auch im Sockel ein Dinner mit
Staatssekretär O’Donovan als Butler veranstalten.
1 Mar 2021
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Dublin
Autos
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