# taz.de -- Die Wahrheit: St. Patrick’s Day für Pechvogel | |
> Am Mittwoch dieser Woche begehen die Iren ihren höchsten Feiertag – wegen | |
> des großen C in diesem Jahr aber völlig anders. | |
Da wollte er so gern einmal staatsmännisch scheinen. Corona hat das | |
verhindert. Micheál Martin, der irische Premierminister, der ganz oben auf | |
der Warteliste für eine Charisma-Transplantation steht, wollte am Mittwoch | |
nach Washington, um mit dem irisch-stämmigen US-Präsidenten Joe Biden den | |
St. Patrick’s Day zu feiern. | |
Die meisten Regierungschefs der Welt würden ihren rechten Arm dafür geben, | |
den irischen Nationalfeiertag mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus zu | |
begehen, behauptete Martin. Er sah eigentlich nicht ein, warum er nicht | |
reisen solle, während die Bevölkerung zu Hause bleiben müsse: „Ich bin nun | |
mal Premierminister“, sagte er, „und wenn ich verreise, tue ich das für das | |
Land und nicht für mich.“ Das ist ja das Peinliche. | |
Aber er wurde nicht eingeladen, denn die Feier findet wegen der Pandemie | |
virtuell statt. Nun muss ein Botschaftsangehöriger die Schale mit den | |
dreiblättrigen Kleeblättern abliefern, die seit 1952 normalerweise der | |
irische Premierminister an diesem Tag ins Weiße Haus trägt. Im Gegenzug | |
solle er sich ein paar hunderttausend Dosen Covid-Impfstoff geben lassen, | |
forderte die Opposition. | |
Martin ist ein Pechvogel. Beinahe wäre er als einziger | |
Fianna-Fáil-Parteichef seit 100 Jahren in die Geschichte eingegangen, der | |
nicht Taoiseach – wie der Premierminister auf Irisch heißt – geworden ist. | |
Aber ein Deal mit der Oppositionspartei Fine Gael brachte ihn vergangenen | |
Juni doch an die Macht – aber nur vorübergehend. Nach der Hälfte der | |
Legislaturperiode muss Martin abdanken und dem Fine-Gael-Chef Leo Varadkar | |
Platz machen. Deshalb hat er nur noch nächstes Jahr die Gelegenheit, den | |
St. Patrick’s Day in Washington zu feiern. | |
Man ist sich nicht sicher, ob Patrick 461 oder 493 gestorben ist, aber auf | |
alle Fälle war es der 17. März. Eigentlich hieß er Maewyn Succat, aber St. | |
Succat ist kein standesgemäßer Name für einen zukünftigen Heiligen. So | |
benannte er sich in Patricius um. Er kam 432 nach Irland, um die Schlangen | |
zu vertreiben, Kirchen zu gründen, Priester zu berufen und den Iren anhand | |
des Kleeblatts die Dreifaltigkeit zu erklären. | |
Die katholische Kirche ernannte ihn 1631 zum Heiligen, und seitdem gedenkt | |
man Patricks an seinem Todestag – heutzutage vorzugsweise mit Unmengen | |
Alkohol und grüner Kleidung. Doch die Regierung hat die Pubs dichtgemacht | |
und Hausbesuche untersagt. Man kann aber virtuell feiern. So gibt es sechs | |
Tage lang den Fernsehsender St. Patrick’s Festival TV, auf dem den | |
Zuschauern Musik und Umzüge geboten werden, während sie allein zu Hause an | |
ihrem Flaschenbier nippen. | |
Sogar das irische Militär hat sein Archiv zum St. Patrick’s Day geöffnet. | |
Man kann stundenlang online in den Akten des Verteidigungsministeriums und | |
der Rentenkasse der Armee stöbern. Man kann aber auch grüne Farbe an die | |
Wand schmieren und ihr beim Trocknen zusehen. Oder einer Rede Micheál | |
Martins lauschen. | |
15 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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