# taz.de -- „Moods&Dances“ von RVDS: Wunderklänge aus dem Geräteschrank | |
> Richard von der Schulenburg gehört zum Inventar des Hamburger | |
> Pudel-Clubs. Als Solist ist RVDS ein gewiefter Tastenmann. | |
Bild: Tastenwizzard aus Sankt Pauli: Richard von der Schulenburg alias RVDS | |
Es gibt Künstler, die fliegen stets unter dem Radar der medialen | |
Aufmerksamkeit, obwohl sie eigentlich alles mitbringen, um bekannter zu | |
sein. Ein solcher Fall ist der Hamburger Musiker Richard von der | |
Schulenburg. Unter seinem Produzenten-Alias RVDS macht er seit Langem | |
interessante Musik: Sie klingt spielerisch, vielseitig, romantisch, | |
detailversessen und tanzbar. | |
Ob auf Albumlänge oder für DJ-Mixe kompiliert, RVDS-Kompositionen sind | |
stets mehr als die Summe der einzelnen Teile: Sie sind eine allumfassende | |
Erfahrung für Körper und Geist seiner Zuhörer*innen. Auf seinem nun | |
veröffentlichten Album „Moods and Dances“ lässt sich die Erfahrung noch | |
intensiver als zuvor erleben. | |
Bisher ging die Anerkennung für die Arbeit des Haus-DJs vom Golden Pudel | |
Club selten über die lokale Fan- und Szene-Aufmerksamkeit hinaus. Auf | |
„Moods and Dances“ beweist der 46-Jährige einmal mehr sein lässiges Könn… | |
Sein mittlerweile viertes, im weiten Feld der elektronischen Musik | |
angesiedeltes Soloalbum, wartet mit der Kombination aus Verlässlichkeit und | |
Überraschungsmomenten auf. | |
## Library Music als Inspiration | |
Der Klangkosmos des Albums steht im Banne der sogenannten Library Music. | |
Mit Library Music, im Deutschen nüchtern als Produktions- oder | |
Auftragsmusik betitelt, werden untermalende Aufnahmen für Film, Fernsehen, | |
Radio, Werbung und Computerspiele bezeichnet. Bei „Moods and Dances“ ist | |
ihrem Klang nicht nur ein eigener Charakter zugewiesen, sie dienen RVDS | |
auch als Inspiration für den waghalsigen Trip, auf den er uns mit seiner | |
Musik entführt. | |
Dafür öffnet RVDS seinen Geräteschrank, Titel wie „DX7s Broken Hearts“, | |
„Rolands Night Walk“ und „Flowers for the Farfisa Sphinx“ weisen auf di… | |
jeweiligen Stück hauptsächlich verwendeten Tasteninstrumente hin. Das | |
meditative, von einzelnem Möwen-Gekrächze durchsetzte Wellenrauschen beim | |
Auftakt „Mrs Yahamas Summer Tune“ geht bald in einen sommerlich flockigen | |
Percussion-Beat über. Im nachfolgenden Track „Caravan of the Pentamatics“ | |
vereint RVDS Orgelsounds mit arabischer Rhythmik und erzeugt so mit | |
einfachsten Mitteln eine gleichermaßen scheppernde wie hypnotische | |
Soundspirale, die die Augen schließen und mit dem Kopf nicken lässt. | |
In „The Wersimatic Space Bar“ hingegen lauschen wir Sci-Fi-Sounds aus den | |
Weiten des Weltalls, in das von der Schulenburg mit dem | |
Wersimatic-WM24-Synthesizer entführt. Es ist nicht allein dieser | |
Detailreichtum bei gleichzeitiger Klarheit, der die Songs auf „Moods and | |
Dances“ auszeichnet. Der Hamburger Künstler schafft es, mit den | |
Hörer*innen unterschiedliche Stimmungen zu durchleben – oft genug | |
innerhalb eines Stücks. Dabei ist die Konstanz der von ihm gewählten | |
Rhythmen die treibende Kraft für die Klangreise, sie zielt nicht nur in die | |
Hirne, sondern auch auf die Tanzfläche. | |
## Atmosphärisches vom Geräte-Geek | |
Die atmosphärischen Stücke erzeugen ihre Spannung immer auch jenseits von | |
Genregrenzen, eine Gemengelage, in der kosmisch tiefe Bässe, großflächige | |
Synthies und kitschige Melodien die Hörer*innen Erfahrungen machen | |
lassen. Von der Schulenburgs Space-Musik ist so glaubwürdiges Zeugnis der | |
Liebe eines begnadeten Soundtüftlers und Geräte-Geeks. Und damit nicht nur | |
Portal ins eigene Ich, sondern auch zu der Künstlerpersönlichkeit. | |
Der Anspruch, durch das Werk sowohl zu sich als auch zu dessen | |
Schöpfer*in zu finden, mag nicht ungewöhnlich sein – die Erfüllung dieses | |
Wunsches jedoch schon. Mit „Moods and Dances“ kommt man zu sich wie auch | |
zum Künstler. Bleibt zu hoffen, dass RVDS endlich mehr Fans findet – denn | |
ein auf vielen Ebenen bereicherndes Werk sollte vielen Hörer:innen | |
zugänglich sein. | |
10 Feb 2021 | |
## AUTOREN | |
Kevin Goonewardena | |
## TAGS | |
Synthesizer | |
Soundtrack | |
Hamburg | |
Golden Pudel Club | |
Philosophie | |
Golden Pudel Club | |
Soundtrack | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Essays, Literatur und Performance: Das prothetische Denken | |
Seit 2016 ruft das Hamburger Magazin Prothese zu Debatten auf. In der | |
vierten Ausgabe des Magazins geht es nun um Unterhaltung. | |
Konzert von Jimi Tenor in Hamburg: Erleuchtung hinterm Bauzaun | |
Der finnische Multiinstrumentalist Jimi Tenor spielte am Freitag live vor | |
dem Hamburger Pudelclub. Dessen erste Veranstaltung seit Pandemiebeginn. | |
Library Music von Morricone und Nicolai: Mit jedem Ton in neue Gefilde | |
„Dimensioni sonore“, Meisterwerk der Filmmusik von Ennio Morricone und | |
Bruno Nicolai, wird wieder veröffentlicht – beste Library-Musik. | |
Kulturschaffende in Zeiten von Corona: „Vielen geht es richtig scheiße“ | |
Schorsch Kamerun, Sänger von Die Goldenen Zitronen und Regisseur, im | |
taz-Gespräch über abgesagte Festivals und Theaterproben per Zoom. |