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# taz.de -- Überzogene Eigenbedarfskündigung: Erst der Wohnraum, dann die Mor…
> Ex-Moralkolumnist Rainer Erlinger hat wegen Eigenbedarfs ein ganzes Haus
> in Berlin-Mitte entmietet. Es ist Zeit, über Enteignungen zu diskutieren.
Bild: Eng ist es in Berlin. Ob es da gerechtfertigt ist, in Mitte auf 240 Quadr…
Für die Süddeutsche Zeitung hat er 16 Jahre lang in seiner Kolumne „Die
Gewissensfrage“ moralische Fragen seiner Leser:innen beantwortet: Rainer
Erlinger, Deutschlands wohl bekanntester Autor in Sachen Moral. Der doppelt
promovierte Jurist und Mediziner schrieb mehrere Bücher zum Thema, trat im
Deutschen Theater mit einer „Moral-Show“ auf und hielt als Gastprofessor
Vorlesungen über Moral.
Eine Antwort auf seine persönliche Gewissensfrage ist [1][Erlinger
allerdings schuldig geblieben]. Die nämlich lautet: „Darf ich allen
Mieter:innen aus meinem Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte wegen
Eigenbedarfs kündigen, weil ich alleine in vier Wohnungen auf 240
Quadratmetern leben will?“
Für sich selbst hat Erlinger diese Frage trotz des angespannten Berliner
Wohnungsmarktes mit einem simplen Ja beantwortet. In einem
Kündigungsschreiben an einen seiner Mieter lässt Erlinger 2017 seine
Anwältin schildern, dass er die Kündigung zwar bedauere, sie aber leider
unumgänglich sei: Er lebe sehr beengt in seiner derzeitigen
Vier-Zimmer-140-Quadratmeter-Wohnung in Prenzlauer Berg. Besuch müsse auf
einer aufblasbaren Luftmatratze im Arbeitszimmer schlafen („ein für alle
Beteiligten unschöner Zustand“), außerdem verfüge Erlinger zudem „über …
beachtliche Anzahl Bücher, für die in den Regalen schlicht kein Platz mehr
ist“. Platz für neue Regale sei aber auch keiner da: „Der Eigenbedarf
meines Mandanten verdringlicht sich von Tag zu Tag“, heißt es im
Anwaltsschreiben.
Deswegen wolle Erlinger künftig allein in den vier Wohnungen auf 240
Quadratmetern leben, wie es in dem Schreiben heißt – mit eigener Bibliothek
und Ankleidezimmer, einer Einliegerwohnung für Gäste, einem Fitnessraum und
vielleicht einer kleinen Sauna.
Seine letzte Räumungsklage endete nun Mitte Januar mit einem Vergleich.
112.000 Euro soll Erlinger seiner letzten Mieterin zahlen, wenn diese die
Wohnung verlässt. Weitere Bewohner:innen sind offenbar nach
Räumungsklagen und gerichtlichen Vergleichen bereits draußen. Erlinger
schrieb auf Anfrage, das Haus sei seine Privatsache.
Der Prozessvertreter der Mieterin hat zusammen mit dem Mietshäuser Syndikat
im vergangenen Dezember einen Antrag auf Enteignung nach Artikel 14 des
Grundgesetzes gestellt, nach dem Eigentum verpflichtet und dem Wohle der
Allgemeinheit dienen muss. Die Behörde verweist auf ein fehlendes
Enteignungsgesetz.
Nun, das könnte es in Berlin bald geben: Das Volksbegehren Deutsche Wohnen
und Co. enteignen strebt einen Volksentscheid zur Schaffung eines solchen
Gesetzes an. Allerdings soll dies nur für Immobilienfirmen mit über 3.000
Wohnungen in Berlin gelten. Fälle wie der von Erlinger werfen zumindest die
Frage auf, inwiefern auch über diese Untergrenze gerne noch diskutiert
werden darf.
6 Feb 2021
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[1] /Moralkolumnist-kuendigt-Mieterinnen/!5744911
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Wohnungsmarkt
Wohnraum
Eimsbüttel
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R2G Berlin
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