# taz.de -- Tod von Mafiaboss Raffaele Cutolo: Zwischen Pop und Staat | |
> Der Staat hat mit ihm zusammengearbeitet und er wurde besungen. Leben und | |
> Tod des Camorra-Bosses Raffaele Cutolo sind typisch für die Mafia. | |
Bild: Raffaele Cutolo bei einem Gerichtstermin in den 80er Jahren | |
Sein letzter Tag in Freiheit war der 15. Mai 1979. Und nun, am 17. Februar | |
2021, mit 79 Jahren ist der [1][Boss der neapolitanischen Mafia Camorra, | |
Raffaele Cutolo] in Parma gestorben. Er war der älteste Häftling in | |
Italien, der unter den verschärften und durchaus problematischen | |
Bedingungen des Anti-Mafia-Paragrafen 41b einsaß. | |
[2][Der Liedermacher Fabrizio de André hat 1990 das Lied „Don Raffaè“ üb… | |
Cutolo herausgebracht,] in dem er einen ergebenen, also korrupten | |
Vollzugsbeamten den Boss beschwärmen lässt, während er ihm köstlichen | |
Kaffee serviert. Und Cutolo blieb trotz seiner grausamen Verbrechen ein | |
Ansprechpartner für die ehemalige Staatspartei Italiens, die Democrazia | |
Cristiana (DC), und die Geheimdienste, insbesondere 1981, als ein | |
DC-Funktionär nahe Neapel von der Terrororganisation Rote Brigaden | |
entführt wurde. Cutolo wurde gefragt – und er konnte helfen. | |
Und so lassen sich an seinem Beispiel Charakteristika des organisierten | |
Verbrechens in Italien festmachen. Am wichtigsten: Cutolos Leben war eines, | |
das sich im wesentlichen hinter Gittern abspielte, wie luxuriös es dort | |
auch zeitweise zuging – ein Scheißleben also. | |
Dass diese gescheiterte Existenz selbst im Knast mit dem Lebenselixier | |
Macht ausgestattet wurde, lag daran, dass Italien bis 1989 das Land mit der | |
stärksten Kommunistischen Partei im Westen war. Und der Kampf gegen das | |
Gespenst des Umsturzes wurde mit allen Mitteln und allen verfügbaren | |
Verbündeten geführt, von den Neofaschisten über die CIA bis eben hin zur | |
Mafia. | |
## Nicht ohne Romantisierung | |
Dass ein Künstler vom Format eines de André Cutolo besang, zeigt wieder | |
einmal die Faszination, die eine bewaffnete Bande von Psychopathen bis | |
heute auf dem popkulturellen Feld ausübt: Kein Beitrag über einen | |
Mafiaboss, wie kürzlich im Deutschlandfunk über den Italoamerikaner Lucky | |
Luciano, vermag ohne romantische „Paten“-Musik auszukommen – und das zur | |
Untermalung für Leute, die Kinder töten, Menschen ausgehungerten Schweinen | |
zum Fraß vorwerfen und ganze Regionen mitten in Europa in Geiselhaft | |
halten. | |
Längst hat die mediale Verherrlichung von organisierter Kriminalität auch | |
eine deutsche Ausformung gefunden. Die politische [3][Vernetzung | |
sogenannter Clankriminalität] ist bei allem polizeilichen Aufwand | |
hierzulande aber noch eine Leerstelle. Und die Frage war schon in Italien | |
immer: Sucht wer nach ihr? | |
19 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Archiv-Suche/!1490781/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=yp_CvmOvLoQ | |
[3] /Sogenannte-Clan-Kriminalitaet/!5710348 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
## TAGS | |
Mafia | |
Populärkultur | |
Geheimdienst | |
Italien | |
Clans | |
Mafia | |
Mafia | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ein Jahr Corona in Europa: Als die Lawine ins Rollen kam | |
Politiker*innen warnten vor Panikmache, als die Zahl der europäischen | |
Coronafälle plötzlich stieg. Die Reaktionen damals wirken im Rückblick | |
naiv. | |
Sogenannte Clan-Kriminalität: 213 Tatverdächtige in Berlin | |
Wer zu vermeintlich kriminellen Clans gezählt wird, unterscheidet sich | |
stark von Bundesland zu Bundesland. Und die Kategorien sind höchst | |
umstritten. | |
Kolumne Geht’s noch?: Hoppla, die Mafia ist da | |
Verhaftungen, Tonnen von Kokain und Millionen in bar: Die | |
Anti-Mafia-Operation „Pollino“ war ein Erfolg – und zeichnet ein | |
beunruhigendes Bild. | |
Kommentar Razzia gegen die Mafia: Machtfaktor mitten in der Gesellschaft | |
Die organisierte Kriminalität verbindet sich mit gesellschaftlichen Eliten. | |
Ihr Ziel ist eine totalitäre Herrschaft. Das muss thematisiert werden. |