# taz.de -- Covid-19-Impfungen in Serbien: Im Impfschlaraffenland | |
> In Serbien verlaufen die Impfungen im europäischen Vergleich besonders | |
> erfolgreich. Dort greift man auf chinesische und russische Vakzine | |
> zurück. | |
Bild: Impfen im Akkord: Auf der Belgrader Messe wird vor allem das chinesische … | |
BELGRAD taz | Während in den meisten europäischen Staaten die Massenimpfung | |
gegen das Virus Covid-19 nur schleppend vorankommt, haben ausgerechnet im | |
Nicht-EU-Land Serbien in weniger als einem Monat bereits mehr als 540.000 | |
Menschen ihre erste Impfdosis erhalten. Pioniere der serbischen | |
Massenimpfung haben sogar schon einen Termin für die zweite Impfdosis | |
bekommen, die nach etwa drei Wochen erfolgt. | |
Bis Sonntag wurde ein Anteil von 8,0 Impfdosen pro 100 Einwohner erreicht. | |
[1][In Deutschland betrug diese Quote] nur 3,9 Prozent, wie die | |
wissenschaftliche Website Our World in Data auflistet. Damit ist Serbien | |
[2][nach Großbritannien] in Europa Spitzenreiter im Impfen. | |
Während die [3][EU mit westlichen Firmen wie AstraZeneca] wegen verzögerter | |
Vakzin-Lieferungen streitet, stehen für die Menschen in Serbien auch | |
[4][Impfdosen aus Russland] und insbesondere China bereit. Als prowestlich | |
geltende Politiker haben sich in den letzten Wochen vor laufenden Kameras | |
mit Vakzinen von Pfizer-Biontech, die prorussischen mit Sputnik V und | |
politische Freunde der Chinesen mit dem chinesischen Sinopharm impfen | |
lassen, um skeptischen Bürgern zu demonstrieren, dass alle drei Impfstoffe | |
sicher sind. | |
Auch die Bürger haben die Wahl. Impfwillige wählen einfach die Nummer des | |
staatlichen Impfdienstes oder besuchen das Portal euprava.gov.rs und | |
entscheiden sich zwischen den drei Vakzinen. Das britisch-schwedische | |
AstraZeneca und die amerikanische Moderna sind ebenfalls angegeben, aber | |
auf die wird man in Serbien noch warten müssen. | |
Wer es besonders eilig hat, kann sich für mehrere Impfstoffe vormerken | |
lassen – oder das Feld „Egal welche in Serbien zugelassenen Vakzine“ | |
ankreuzen. Dann bekommt man allerdings fast sicher den Impfstoff Sinopharm. | |
## Dank an Bruder Xi Jinping | |
Denn die Massenimpfung in Serbien hat Peking mit einem Kontingent von einer | |
Million Dosen ermöglicht. Eine weitere Million wird bis zum Monatsende | |
erwartet. Serbiens [5][Staatspräsident Aleksandar Vučić] versäumt daher | |
keine Gelegenheit, sich bei seinem chinesischen Kollegen und „Bruder“ Xi | |
Jinping zu bedanken. | |
„Ich habe Xi Jinping im Oktober geschrieben und der Preis wurde drastisch | |
reduziert“, sagte Vučić örtlichen Medien über seine Verhandlungen mit dem | |
Staatschef über die Sinopharm-Lieferungen. „Wenn Sie den Preis erfahren, | |
werden Sie eines Tages ein Denkmal zu meinen Ehren errichten“, fügte er | |
unbescheiden hinzu. Neben den eine Million Impfdosen aus China hat Serbien | |
40.000 Dosen Sputnik V und 30.000 Dosen von Biontech erhalten. | |
Wer telefonisch oder elektronisch einen oder mehrere Lieblingsimpfstoffe | |
angegeben hat, bekommt per SMS oder E-Mail einen Impftermin. Vorrang haben | |
Pflegeheimbewohner, Bürger über 65 Jahren, Menschen mit chronischen | |
Krankheiten, medizinisches und Pflegepersonal, Polizisten, Soldaten, | |
Lehrer, Beamte – aber auch im Theater Tätige und Journalisten, die alle in | |
ihrem Arbeitsalltag mit Menschen in Kontakt treten müssen. | |
Innerhalb eines Monats haben sich im 7-Millionen-Einwohner-Land Serbien | |
schon eine Million Menschen zum Impfen angemeldet. Die Zahl steigt ständig, | |
denn bereits mit der ersten Dosis Geimpfte berichten überwiegend von guten | |
Erfahrungen. „Eine perfekte Organisation“, oder „So etwas habe ich in | |
Serbien noch nie erlebt und nicht für möglich gehalten“, erzählten sie. | |
## Ungewohnt gut organisiert | |
Die größte Impfstelle in Serbien ist die Belgrader Messe. In der großen | |
Halle 3 bekommt man „den Chinesen“, in der kleineren Halle 11, genau | |
gegenüber, „den Russen“. Für ausreichend Parkplätze ist gesorgt. | |
Der Ablauf ist zügig und gut organisiert. Vor dem Eingang zeigt man seine | |
Impftermin-SMS. Nach dem Messen der Körpertemperatur gibt man ein per | |
E-Mail erhaltenes und schon ausgefülltes Formular ab oder füllt eines an | |
Ort und Stelle aus. Damit alles zügig vorangeht, steht überall Personal | |
bereit, das einen wie die Verkehrspolizei zur nächsten Station leitet. | |
Der Weg führt weiter zu einem der vielen Ärzte, wo man über Krankheiten | |
oder Allergien ausgefragt wird. Man wird weitergeschoben zu einem der | |
vielen Tische, wo notwendige Daten in einen Computer getippt werden, um | |
dann zu einem der vielen kleinen, mit Vorhängen abgeschirmten Kabinen zu | |
kommen, wo Gesundheitspersonal sogleich die Spritze verabreicht. Danach | |
bleibt man für alle Fälle noch 10 bis 15 Minuten in einem separaten, großen | |
Raum sitzen, sollte es zu Nebenwirkungen kommen. | |
Nach 20 Minuten ist alles vorbei. Fast hat man vergessen, dass man sich in | |
einem [6][Balkanland mit defekter Demokratie] und ansonsten bürokratischer | |
Überforderung befindet. (mit afp) | |
11 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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