# taz.de -- Serbisch-orthodoxe Kirche: Patriarch Irinej stirbt an Corona | |
> Selbst innerhalb der Kirche wurde Irinej für seinen engen Kontakt zum | |
> Regime Vučić kritisiert. Angesteckt hat er sich offenbar auf einer | |
> Trauerfeier. | |
Bild: Der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej ist an den Folgen einer Corona An… | |
BELGRAD taz | Die Nachricht, dass Serbiens Patriarch Irinej gestorben ist, | |
kam nicht überraschend. Am 4. November wurde das Oberhaupt der | |
serbisch-orthodoxen Kirche positiv auf Covid-19 getestet und in der | |
Covid-Ambulanz eines militärischen Krankenhauses in Belgrad behandelt. | |
Nach zehn Tagen verschlechterte sich der Zustand des Neunzigjährigen. Am | |
Donnerstag dementierte die serbisch-orthodoxe Kirche die Meldung einiger | |
Medien, dass das Kirchenoberhaupt gestorben sei, bestätigte jedoch sein | |
kritisches Befinden. Freitagmorgen erreichte die Serben die Nachricht, dass | |
der 45. serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej um 07.07 Uhr gestorben sei. | |
Überraschend war, dass noch vor der Kirche Serbiens Staatspräsident | |
Aleksandar Vučić über Instagram als Erster offiziell den Tod des | |
Patriarchen mit den Worten bestätigte: „Es war mir eine Ehre, Sie gekannt | |
zu haben. Solche wie Sie vergehen nie …“ | |
Selbst innerhalb der Kirche wurde Irinej dafür kritisiert, „zu engen“ | |
Kontakt mit dem autoritären Präsidenten zu hegen. Vučić kämpfe „wie ein | |
Löwe“ für das Kosovo, verkündete der Patriarch einst und verlieh dem | |
Staatsoberhaupt den höchsten kirchlichen Orden des Heiligen Sava. Irinej | |
verurteilte auch vor einem Jahr [1][bürgerliche Massenproteste] gegen die | |
Alleinherrschaft Vučić' und die Gleichschaltung der Medien. „Was wir heute | |
auf den Straßen sehen, ist nicht gut … Das macht unsere Feinde stark“, | |
sagte der Patriarch. | |
## Verflechtungen mit dem Regime Vučić | |
Im Gegenzug erfreute sich die Kirche so mancher finanzieller Unterstützung | |
des Staates, etwa bei dem Bau der Kathedrale des Heiligen Sava, die mit | |
ihren monumentalen Umrissen das Zentrum Belgrads dominiert. Kritiker der | |
„zu weltlichen“ Politik des Patriarchen meinen, Irinejs Erbschaft wäre auch | |
die Verflechtungen mit dem Regime Vučić, das auch Einfluss auf die Wahl des | |
neuen Patriarchen haben könnte. | |
Den serbischen Patriarchen wählt die Bischofskonferenz, doch das letzte | |
Wort hat der Heilige Geist: Drei Kuverts mit Namen der drei Bischöfe mit | |
den meisten Stimmen werden in das Evangelium gesteckt, das älteste Mitglied | |
der Konferenz zieht dann wie bei einem Glücksspiel den Namen des neuen | |
Patriarchen aus dem heiligen Buch. Diese in der Kirchenverfassung | |
festgeschriebene Regel sollte im sozialistischen Jugoslawien zu große | |
Einmischung der Kommunistischen Partei in die Wahl des Patriarchen | |
verhindern. | |
Vor dem höchsten serbisch-orthodoxen Hirten erlagen auch die | |
serbisch-orthodoxen Bischöfe Milutin und Amfilohije dem Coronavirus. Seit | |
dem Beginn der Pandemie geriet die serbisch-orthodoxe Kirche in die Kritik, | |
weil sich Popen während der Gottesdienste nicht an die Maßnahmen der | |
physischen Distanz hielten. | |
Der Metropolit von Montenegro, Amfilohije (1938-2020), war der härteste | |
Gegenspieler des Patriarchen. Im Gegensatz zu Irinej bezeichnete Amfilohije | |
den serbischen Präsidenten Vučić wegen seiner Kosovo-Politik als einen | |
„Verräter“. | |
## Trauerfeier mit Folgen | |
Auch der montenegrinische Metropolit mischte fleißig in der Politik mit: Er | |
führte monatelang die Protestliturgien gegen den montenegrinischen | |
Staatspräsidenten Milo Đukanović an, die maßgebend zu der [2][Niederlage | |
von Đukanović' Demokratischer Partei der Sozialisten] (DPS) bei den | |
Parlamentswahlen Ende August beigetragen hatten. Die DPS herrschte zuvor | |
drei Jahrzehnte lang. In Montenegro sagen manche, dass der „Metropolit den | |
Präsidenten besiegt hatte“, dabei den Kontakt mit den Demonstranten nicht | |
gemieden und den Preis dafür bezahlt hätte. | |
Patriarch Irinej verabschiedete sich in Podgorica von Amfilohije am 1. | |
November. [3][Über 100.000 Gläubige kamen], um sich vor den irdischen | |
Überresten des Metropoliten zu verbeugen. Es wird angenommen, das sich | |
Patriarch Irinej dabei mit dem Coronavirus angesteckt hatte. Seine eigene | |
Bestattung ist nun für Sonntag angesetzt. | |
20 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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