| # taz.de -- Parlamentswahl in Montenegro: Đukanović' Thron wackelt | |
| > Die regierende Demokratische Partei der Sozialisten verliert die absolute | |
| > Mehrheit und braucht Koalitionspartner. Die zu finden, dürfte schwer | |
| > werden. | |
| Bild: Präsident Đukanović spricht am Montag in der Parteizentrale der DPS | |
| Split taz | Es ist eine Premiere: Bei der Parlamentswahl in Montenegro am | |
| Sonntag hat die seit Jahrzehnten regierende Demokratische Partei der | |
| Sozialisten (DPS) von [1][Staatspräsident Milo Đukanović] ihre absolute | |
| Mehrheit eingebüßt und muss nun den Machtverlust fürchten. Sie kam nach | |
| Auszählung von 95 Prozent der Stimmen auf 35,12 Prozent und 30 Sitze im | |
| Parlament. Damit bleibt sie zwar stärkste Kraft, muss aber um die 5 | |
| Prozentpunkte Verluste hinnehmen. | |
| Demgegenüber konnte die proserbische Partei „Für die Zukunft Montenegros“ | |
| zulegen. Sie erhielt 32,5 Prozent und stellt künftig 27 Abgeordnete im | |
| 81-köpfigen Parlament. Schon in der Nacht zum Montag hatte sich die Partei | |
| zur Wahlsiegerin erklärt. Eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden, | |
| denn dafür brauchen beide Lager mindestens 41 Mandate. | |
| Jetzt sind die kleineren Parteien das Zünglein an der Waage. Die | |
| wirtschaftsliberale und nichtnationalistische Partei „Mir je nasa nacija“ | |
| (Frieden ist unsere Nation), die alle Volksgruppen in dem Vielvölkerstaat | |
| zusammenführen will, kam auf beachtliche 12,55 Prozent der Stimmen. | |
| Etwas unter den Erwartungen blieb die linksgrüne und zivilgesellschaftlich | |
| ausgerichtete Formation „Crno na bjelo“, die aus dem Stand 5,57 Prozent der | |
| Stimmen holte. Die Wahlbeteiligung lag bei 76,68 Prozent. | |
| ## Stabile Sozialdemokraten | |
| Stabilisieren konnten sich die beiden sozialdemokratischen Parteien mit 3 | |
| beziehungsweise 2 Sitzen. Die Partei der Muslime (Bosniaken) wird mit 3, | |
| die der Albaner mit 2 Sitzen vertreten sein. Eine Partei der | |
| Sozialdemokraten sowie die Bosniaken und Albaner waren bisher Teil der | |
| Regierungskoalition. | |
| Bereits am Wahlabend fing das große Rechnen an. Klar ist, dass weder | |
| Sozialdemokraten noch die Bosniaken und Albaner mit den Proserben koalieren | |
| können, zumal serbische nationalistische Extremisten vor den Wahlen | |
| muslimische Dörfer überfallen hatten. Zusammengenommen hätten die aber nur | |
| 10 Sitze, die regierenden Sozialisten brauchen aber mindestens 11, um eine | |
| neue Regierung anführen zu können. | |
| Bleibt eigentlich nur ein Kompromiss mit den anderen Oppositionsparteien. | |
| Sowohl die linksgrüne Crno na bjelo wie auch die multinationale Mir je nasa | |
| nacija haben im Wahlkampf den seit 30 Jahren in wechselnden Funktionen | |
| herrschenden Staatspräsidenten Đukanović und die Sozialisten wegen | |
| Korruption und Vetternwirtschaft und ihrer autokratischen Herrschaftsweise | |
| scharf kritisiert. Es handelt sich aber um Leute, die westlich ausgerichtet | |
| sind und somit schwerlich in das Pro-Serbien-Lager wechseln können. | |
| Die zivilgesellschaftliche Crno na bjielo hat schon im Wahlkampf | |
| signalisiert, dass sie sich nur eine Expertenregierung vorstellen könne, | |
| eine Fortsetzung der bisherigen Regierung stößt bei ihr auf Widerstand. Sie | |
| will das korrupte System und die Praxis beenden, in den Staatsdienst | |
| könnten nur jene gelangen, die das Parteibuch der Sozialisten in der Tasche | |
| haben. „Wir haben gegen die Mafia gewonnen“, erklärten ihre Vertreter noch | |
| in der Wahlnacht. | |
| ## Expertenregierung als Option | |
| Auch Vertreter der Mir je nasa nacija erklärten in Interviews, sie | |
| tendierten zu einer Expertenregierung. Doch selbst wenn die Partei noch | |
| umkippen und mit den „Pro-Serben“ koalieren sollte, könnte dieses Bündnis | |
| nur 37 Stimmen auf sich vereinigen. | |
| Die Wahlen in Montenegro werden in Europa, Russland und den USA sehr genau | |
| beobachtet. Denn es geht um eine Richtungsentscheidung für das Land. | |
| Russland versucht seit Jahren größeren Einfluss in dem kleinen Adrialand zu | |
| gewinnen. Letztlich geht es um die Militärhäfen des Landes. 2017 aber boxte | |
| Đukanović gegen russische und serbische Widerstände zur Freude des Westens | |
| den Eintritt des Landes in die Nato durch. Dies ist ein Grund dafür, | |
| weshalb die Kritik des Westens an dem Autokraten Đukanović bislang sehr | |
| verhalten ausgefallen ist. | |
| 31 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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