# taz.de -- Nach der Wahl in Montenegro: Wacklige Sache | |
> Die Mehrheit aller Oppositionsparteien nach der Wahl ist hauchdünn – und | |
> unterschiedlicher könnten die VertreterInnen nicht sein. Was nun? | |
Bild: Podgorica, 31.8.: Anhänger und Anhängerinnen der proserbischen Oppositi… | |
Erstmals seit dem Zerfall Jugoslawiens ist ein Machtwechsel in | |
[1][Montenegro] möglich. Das liegt zum einen daran, dass es bei der Wahl am | |
Sonntag der proserbischen „Partei für die Zukunft Montenegros“ gelang, die | |
Menschen zu mobilisieren, die sich als Serben fühlen und von der | |
serbisch-orthodoxen Kirche beeinflusst sind. Und zweitens liegt es daran, | |
dass es den liberalen und grün-zivilgesellschaftlichen Parteien gelungen | |
ist, zusammengenommen fast 20 Prozent der Bevölkerung für den Kampf gegen | |
die Korruption im Staatsapparat und für eine Demokratisierung des Systems | |
zu aktivieren. | |
Doch wie wird es weitergehen? Denn das Wahlergebnis fiel sehr knapp aus. | |
Würden alle Oppositionsparteien zusammengehen und eine Koalition bilden, | |
kämen sie auf die knappe Mehrheit von 41 der 81 Sitze gegenüber der alten | |
Koalition aus Sozialisten, Sozialdemokraten und den Minderheiten der | |
Albaner und Bosniaken, die auf 40 Sitze kommen. Das ist eine sehr wackelige | |
Angelegenheit. Zumal in diesem Bündnis Leute zusammensäßen, die | |
unterschiedlicher nicht sein können. | |
Während die mit nationalistischen Extremisten durchsetzte proserbische | |
Partei das Land wieder enger an das Serbien des diktatorisch herrschenden | |
Aleksandar Vučić binden möchte, wollen die anderen Parteien weiter an einer | |
demokratisch europäischen Zukunft arbeiten. Dass es sofort nach dem | |
Wahlergebnis zu Übergriffen serbischer Extremisten gegenüber Muslimen kam, | |
kann den liberalen und zivilgesellschaftlichen Kräften nicht gefallen. So | |
fürchtet der montenegrinische Schriftsteller Andrej Nikolaidis für die | |
nächste Zukunft schon ein „schwarzes Szenario“ heraufziehen. | |
Bei aller Kritik an [2][Milo Đukanović] – der übrigens weiterhin Präsident | |
bleiben wird – kann man ihm und seiner Sozialistischen Partei auch nicht | |
absprechen, das Land näher an den Westen, die Nato und an die EU | |
herangeführt zu haben. Die größte Leistung ist aber, dass der | |
Vielvölkerstaat Montenegro in seiner ethnischen Zusammensetzung so | |
geblieben ist, wie er vor dem Krieg der 1990er Jahre war: Auch Albaner und | |
Bosniaken konnten sich in diesem Staat sicher fühlen. | |
Die zwischen den Oppositionsparteien schon jetzt avisierte [3][Regierung | |
von „Experten“] könnte einen Kompromiss darstellen. Hätte sie aber die | |
Kraft, die durch Corona verschärfte Wirtschaftskrise zu bewältigen und den | |
Umbau des Staatsapparates anzugehen? Wenn nur ein Abgeordneter die Seiten | |
wechselt, wäre sie schon am Ende. | |
1 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Parlamentswahl-in-Montenegro/!5710784 | |
[2] /Parlamentswahl-in-Montenegro/!5710622 | |
[3] /Suedosteuropa-im-Krisenmodus/!5701316 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Montenegro | |
Ex-Jugoslawien | |
Balkan | |
Montenegro | |
Montenegro | |
Montenegro | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Montenegro | |
Montenegro | |
Bulgarien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Regierung in Montenegro: Unser Autokrat | |
Milo Đukanović setzte auf Versöhnung und schubste Montenegro in die Nato. | |
Es bleibt offen, ob die von serbischen Parteien dominierte Regierung das | |
beibehält. | |
Montenegro nach der Parlamentswahl: Der grüne Mehrheitsbeschaffer | |
Dritan Abazović kämpft gegen Nationalismus und hat die Korruption unter | |
Langzeitherrscher Đukanović satt. Seine Partei URA steckt in der | |
Zwickmühle. | |
Demos nach Wahl in Montenegro: Protest gegen Wahlsieger | |
Eine Woche nach der Parlamentswahl gehen in Montenegro Zehntausende auf die | |
Straßen. Sie befürchten wachsenden serbischen Einfluss. | |
Kosovo-Serbien-Treffen in den USA: Trump als Friedensstifter? | |
Donald Trump braucht einen außenpolitischen Erfolg und will den Konflikt | |
zwischen Serbien und Kosovo lösen. Dafür hat er Vučić und Hoti getroffen. | |
Parlamentswahl in Montenegro: Đukanović' Thron wackelt | |
Die regierende Demokratische Partei der Sozialisten verliert die absolute | |
Mehrheit und braucht Koalitionspartner. Die zu finden, dürfte schwer | |
werden. | |
Parlamentswahl in Montenegro: Djukanovic muss Schlappe befürchten | |
Der kleine Vielvölkerstaat auf dem Balken ist in zwei politische Lager | |
gespalten. Dazu kommt ein Streit um den Grundbesitz der orthodoxen Kirche. | |
Südosteuropa im Krisenmodus: Wut, die sich mit Wucht entlädt | |
Bulgarien, Serbien, Montenegro, Albanien – Länder in schwierigen Zeiten. | |
Auf dem Balkan wächst der Unmut über Korruption und politischen Stillstand. |