# taz.de -- Obdachlosigkeit in Berlin: Kollidierende Lebenswelten | |
> Die Berliner Stadtmission eröffnet eine neue Beratungs-, Bildungs- und | |
> Begegnungsstätte am Bahnhof Zoo. Es ist ein bundesweit einmaliges | |
> Projekt. | |
Bild: Ein Klassenzimmer gegen Vorurteile: Seminarraum im Zentrum Zoo | |
BERLIN taz | Wer im neuen [1][„Zentrum am Zoo“] der Berliner Stadtmission | |
den Blick zur Decke richtet, der erblickt Gefängnisgitter. Sie sollen die | |
Vergangenheit des Ortes und die Realitäten im Leben obdachloser Menschen | |
symbolisieren, erklärt Projektkoordinator Wolfgang Nebel. Denn das 500 | |
Quadratmeter große Areal war bis in die 1980er als Polizeistation 24 | |
bekannt – auch Christiane F. hat hier so manche Nacht in Gewahrsam | |
verbracht. | |
Am Mittwoch wurde das Zentrum digital eröffnet. Via Videobotschaft war | |
unter anderen der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) dabei. Tags | |
zuvor hatte Projektkoordinator Nebel der taz erklärt, das Neue – die | |
„Vision“ in Nebels Worten – sei das Zusammenspiel der „drei B“ des | |
Projekts: Beratung, Bildung und Begegnung. | |
Beratung bedeute, dass Psycholog:innen hier niedrigschwellige | |
Hilfestellungen anbieten, die von jeder:m kostenlos in Anspruch genommen | |
werden können. Dies geschehe bereits jetzt, nur eben draußen, erklärt | |
Psychologin Dagmara Lutoslawska. Doch nun stünden Schutzräume zur | |
Verfügung, die auch eine längerfristige und regelmäßige Betreuungsarbeit | |
ermöglichen. | |
Parallel soll es laut Nebel Bildungsangebote geben, die das Ziel verfolgen, | |
Schulklassen, Institutionen und Interessierte für die oft schleichende | |
Entstehung von Armut und Obdachlosigkeit zu sensibilisieren. Unter anderem | |
sollen die Sicherheitsdienste der Deutschen Bahn hier Schulungen erhalten. | |
Es gehe darum, die oft gravierend unterschiedlichen Lebenswelten | |
miteinander zu verbinden, so Nebel. | |
## Begegnungen auf Augenhöhe | |
Dieses Ziel sei letztlich aber nur durch persönliche Begegnung zu | |
verwirklichen, was durch vielfältige kulturelle und religiöse | |
Veranstaltungen ermöglicht werden soll. Zu Konzerten, Filmabenden oder | |
Andachten seien obdachlose wie nicht obdachlose Menschen eingeladen, sagt | |
Nebel. So könnten Begegnungen in einem würdevollen Rahmen entstehen. Zudem | |
würde obdachlosen Menschen die Partizipation am gesellschaftlichen Leben | |
ermöglicht. | |
Das Zentrum befindet sich in unmittelbarer Nähe der [2][Bahnhofsmission] | |
und des [3][Hygienecenters] in der Jebensstraße, die ebenfalls von der | |
Berliner Stadtmission betrieben werden. Hier seien die Räumlichkeiten aber | |
zu eng geworden, so Nebel. Die Deutsche Bahn habe daraufhin das Areal für | |
25 Jahre samt den laufenden Betriebskosten mietfrei zur Verfügung gestellt. | |
Die Baukosten in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro seien von Bund, Senat, | |
der Deutschen Klassenlotterie und anderen privaten Spender:innen | |
finanziert worden. Um- und Ausbau seien in nur anderthalb Jahren erfolgt. | |
Nebel will sich bei der Umsetzung seiner „Vision“ vom Glauben leiten lassen | |
und zu fortwährender Veränderung bereit sein. Denn Probleme gibt es genug, | |
wie die Psycholog:innen Dagmara Lutoslawska und Viola Lange berichten. | |
Zum Beispiel besäßen viele Menschen ohne Papiere gar keinen Anspruch auf | |
staatliche Hilfe, weshalb ihnen kaum geholfen werden könne. Alle Probleme | |
kann das neue Zentrum am Bahnhof Zoo also nicht lösen – aber vielleicht | |
kann es ein Anfang sein. | |
10 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berliner-stadtmission.de/zentrum-am-zoo | |
[2] http://www.berliner-stadtmission.de/bahnhofsmission | |
[3] https://www.berliner-stadtmission.de/bahnhofsmission/projekte/hilfen-fuer-w… | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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