# taz.de -- Probleme mit den Impfstoffen: Südafrikas Impfdrama | |
> Schon vor Corona standen die Menschen im Land vor gesundheitlichen | |
> Herausforderungen. Jetzt gibt es noch Unklarheiten beim bestellten | |
> Coronavakzin. | |
Bild: Klinische Tests mit Impfstoffen begannen in Südafrika schon im Juni | |
KAPSTADT taz | Mit einer Million Impfdosen, die Anfang Februar in Südafrika | |
eintrafen, wollte das Land als Beispiel für den gesamten Kontinent | |
vorangehen. Der Impfplan, [1][den Präsident Cyril Ramaphosa] Anfang Februar | |
vorgestellt hatte, sollte den entscheidenden Ausweg aus der Pandemie | |
bringen. Mit inzwischen 46.000 Toten ist Südafrika das am stärksten von | |
Corona betroffene Land auf dem Kontinent. Die Impfstrategie bekam jetzt | |
einen Dämpfer – [2][denn die Impfdosen von AstraZeneca] könnten wohl gegen | |
die Virusmutante in dem Land weniger gut wirken. | |
Am Sonntagabend wurde der nur sechs Tage vorher triumphal verkündete | |
Impfplan nach der Veröffentlichung einer neuen Studie deshalb „bis auf | |
Weiteres verschoben“. Der aus Indien angelieferte Impfstoff des | |
britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca ist nach jüngsten Studien nur | |
zu 22 Prozent wirksam gegen die südafrikanische Covid-19-Mutante. | |
Noch Anfang Januar wurde die Regierung Südafrikas scharf kritisiert, weil | |
sie keinen Plan vorlegen konnte, ab wann ein Impfstoff für wen zur | |
Verfügung stehen würde. Gleichzeitig schnellten die Infektionsraten mit | |
über 15.000 neuen Fällen täglich in die Höhe, worauf die Regierung zunächst | |
nur mit erneut strengem Lockdown und der Schließung aller Strände im | |
Hochsommer und einer abendlichen Ausgangsperre ab 21 Uhr reagierte. | |
Hinzu kam die Annullierung internationaler Flüge, mit der sich viele | |
Länder, auch Deutschland, vor der neuen südafrikanischen Virusmutation | |
schützen wollten. Ein gerade zaghaft angelaufener Tourismus fiel erneut in | |
sich zusammen. | |
## Ein elektronisches System soll beim Impfen helfen | |
So überraschte Präsident Ramaphosa mit Lösungsvorschlägen trotz schwieriger | |
Bedingungen – denn in Südafrika hatte auch schon vor Corona mehr als die | |
Hälfte der Bevölkerung eine unzureichende Gesundheitsversorgung. Für das | |
Land kommt der Impfstoff-Nationalismus vieler reicher Länder erschwerend | |
hinzu, wie er sich auch in der Entscheidung der Welthandelsorganisation | |
(WTO) zeigte, weiter keine Impfstoff-Patentrechte für arme Länder | |
freizugeben, wie es unter anderem Indien und Südafrika beantragt hatten. | |
Als Teil der Impfstrategie hatte Ramaphosa am 1. Februar verkündet, dass | |
noch in diesem Monat mit der ersten Impf-Phase für das medizinische | |
Personal in derzeit vorbereiteten 200 Impfzentren im Land begonnen werden | |
sollte. Phase zwei würde dann ab März besonders gefährdete Menschen | |
priorisieren. | |
Außerdem sollten so viele Erwachsene wie möglich über ein elektronisches | |
Meldesystem erreicht werden, um so gut 40 Millionen zu impfen, was etwa 65 | |
Prozent der Bevölkerung entspräche und Covid-19 endlich unter Kontrolle | |
bringen würde. Auch solle der Impfplan in Südafrika lebende | |
Ausländer*innen einbeziehen. Gleichzeitig wurden Absprachen mit allen, | |
in der Regel ärmeren Nachbarländern getroffen, um auch ihnen effektives | |
Impfen, vor allem aus Mitteln der Afrikanischen Union (AU), zu ermöglichen. | |
## Auch Firmen unterstützen die Impfkampagne | |
Ebenfalls am 1. Februar traf die erste Sendung mit 1 Million Dosen des | |
AstraZeneca-Impfstoffes ein. Weitere 500.000 sollten in Kürze folgen. Die | |
dann ab Phase zwei wesentlich größeren Mengen sind vom Covax-Programm der | |
Vereinten Nationen mit 12 Millionen Dosen erst einmal zugesagt. Auch ein | |
Vertrag mit Pfizer über 20 Millionen Dosen wurde inzwischen unterschrieben. | |
Das vielleicht wichtigste Novum: Die Pharmafirma Johnson & Johnson, die | |
bislang Südafrikaner*innen nur als Testpersonen nutzte, hat einen | |
Vertrag mit dem südafrikanischen Produzenten Aspen unterschrieben, um ab | |
sofort auch in Südafrika Impfstoffe herzustellen – vorerst geplant | |
mindestens 9 Millionen Dosen, Auslieferung ab April. | |
Es gelang, einige Firmen zu überzeugen, dass es im eigenen Interesse sei, | |
in die Immunisierung aller zu investieren. Als erste hat die | |
Telekommunikationsfirma MTN umgerechnet etwa 21 Millionen Euro nicht nur | |
für Südafrika zugesagt, sondern auch für andere Länder des Kontinents. | |
## Ein kurzes Sommermärchen | |
In Südafrika haben die beiden größten Apothekerketten – Clicks und Dis-Chem | |
– angeboten, den Impfplan mit eigenem Personal in ihren Filialen überall im | |
Land zu unterstützen. | |
Ebenfalls Anfang Februar konnte Präsident Ramaphosa verkünden, dass der bis | |
Mitte Februar geplante strenge Lockdown wegen endlich wieder unter 5.000 | |
täglich gesunkener Neuinfektionen schon ab 2. Februar gelockert werden | |
könne. Die abendliche Ausgangssperre begann daraufhin um 23 Uhr, der | |
Verkauf von Alkohol war wieder erlaubt und auch die Strände waren wieder | |
zugänglich. Hunderttausende Familien strömten schon am nächsten Morgen ans | |
Meer, bevor ab dieser Woche auch die Schulen wieder öffnen sollten. | |
Dieses südafrikanische „Sommermärchen“ dauerte bis Sonntag. Am 7. Februar | |
verkündete Gesundheitsminister Zweli Mkhize in den Abendnachrichten, dass | |
der geplante Impfbeginn verschoben werden müsse, weil es Zweifel gäbe, ob | |
der georderte Impfstoff von AstraZeneca auch wirksam genug sei gegen die | |
südafrikanische Virusmutante. | |
Als die Bestellung an Indien gegangen sei, so der Minister, hätten nur | |
Erkenntnisse zur Effektivität gegenüber dem ursprünglichen Virus | |
vorgelegen. Man würde nun alles tun, um die Erfolgsquote bei allen | |
potenziell zugänglichen Impfstoffen zu erforschen. Auf die Frage, wie viel | |
Zeit dafür in Bezug auf AstraZeneca zur Verfügung stehe, antwortet er: „Im | |
April läuft die Haltbarkeit der ersten Million Dosen aus Indien ab.“ | |
Die Verzögerung bedeutet nun eine weitere Verunsicherung, die auch schon | |
zuvor bestand: Einige Kirchen hatten erklärt, dass ihre Mitglieder | |
lieber „auf Gebete statt Chemie“ vertrauen wollten. Um am Ende rund 40 | |
Millionen Südafrikaner*innen fürs Impfen zu motivieren, wird noch viel | |
Überzeugungsarbeit nötig sein. | |
8 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Lutz van Dijk | |
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