# taz.de -- Coronamutanten in Deutschland: Rechnung mit vielen Unbekannten | |
> Mutationen des Coronavirus breiten sich auch in Deutschland aus. Wie wird | |
> sich das auf die aktuell sinkenden Infektionszahlen auswirken? | |
Bild: Wann darf wieder geöffnet werden? Schaufenster in einem Ladengeschäft i… | |
Es ist eine schwierige Situation, in der Bund und Länder am Mittwoch über | |
Fortsetzung und Lockerung des Lockdowns entscheiden mussten. Denn | |
einerseits sieht die Entwicklung der Coronazahlen in Deutschland weiterhin | |
sehr gut aus: Im Schnitt wurden beim Robert Koch-Institut in den letzten | |
sieben Tagen nur noch rund 8.300 Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Das sind | |
rund 20 Prozent weniger als vor einer Woche – und 68 Prozent weniger als | |
beim bisherigen Höchststand vor Weihnachten. Auch wenn man berücksichtigt, | |
dass zugleich die Zahl der Tests gesunken ist, zeigen die Zahlen, dass das | |
Infektionsgeschehen stark rückläufig ist. | |
Wenn die Entwicklung so weiterginge wie zuletzt, läge die sogenannte | |
Inzidenz, also die Infektionszahl pro 100.000 Einwohner*innen und | |
Woche, bundesweit in etwa eineinhalb Wochen bei 50 und in drei Wochen bei | |
35, also jenem Wert, bei dem die nächsten Lockerungen im Einzelhandel | |
kommen sollen. Doch dass die Entwicklung so weitergeht wie zuletzt, | |
bezweifeln viele Expert*innen. Denn auch in Deutschland [1][breiten sich | |
die Virus-Mutationen aus], die zunächst in Großbritannien und Südafrika | |
beobachtet wurden und die rund 30 Prozent ansteckender sein sollen als das | |
bisherige Coronavirus. | |
Neue Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigen, wie schnell die Mutationen | |
zunehmen: In der zweiten Woche des Jahres machten sie noch 2 Prozent aller | |
Infektionen aus, in der 4. Woche waren es schon 5 Prozent und in der 5. | |
Woche 12 Prozent; der Großteil davon entfiel auf die britische Mutation. | |
Die Zahlen sind mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, passen aber zu | |
den Werten aus anderen Ländern, in denen sich der Anteil der Mutation | |
jeweils innerhalb von 10 Tagen verdoppelt hat. | |
## Strengerer Lockdown, aber Stoffmasken | |
Wenn man von dieser Rate ausgeht, dürften es in Deutschland mittlerweile | |
schon rund 20 Prozent sein. Aus diesem Grund sieht Kanzlerin Angela Merkel | |
mögliche Lockerungen auch skeptisch: „Die Mutation wird zunehmen“, sagte | |
sie nach dem Bund-Länder-Gipfel. „Die dritte Welle können wir nur | |
bekämpfen, wenn wir die Inzidenzzahlen runterbekommen.“ | |
Wie sich letztere entwickeln, wenn die Mutation dominiert, ist allerdings | |
unklar. Dass auch die ansteckendere Virus-Variante zurückgedrängt werden | |
kann, ist derzeit in Großbritannien zu sehen. Dort waren die | |
Infektionszahlen ab Mitte Dezember steil angestiegen und hatten Rekordhöhen | |
erreicht. Doch seit Mitte Januar sinken sie fast ebenso steil wieder ab. | |
Allerdings gibt es dort einen weitaus strengeren Lockdown als in | |
Deutschland. So sind private Treffen mit Menschen außerhalb des eigenen | |
Haushalts bis auf eng umgrenzte Ausnahmen verboten, die Reisebeschränkungen | |
sind schärfer, die Kriterien für Notbetreuung von Kindern strenger und die | |
Strafen bei Regelverstößen höher. Andererseits sind in Großbritannien | |
weiterhin beliebige Masken erlaubt, während in Deutschland in öffentlichen | |
Verkehrsmitteln und Geschäften inzwischen besser schützende medizinische | |
Masken vorgeschrieben sind. | |
Wie genau die Mutationen die Infektionszahlen in Deutschland beeinflussen | |
werden, ist darum offen. Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich der | |
Rückgang der Neuinfektionen mit zunehmender Ausbreitung der Mutationen | |
zumindest verlangsamt. Eine solche Verlangsamung schien sich vergangene | |
Woche bereits anzudeuten; aktuell fallen die Zahlen mit rund 20 Prozent pro | |
Woche aber wieder so schnell wie Ende Januar. | |
Zudem gibt es mit den [2][Corona-Impfungen] eine Entwicklung, die | |
gegenläufig wirken sollte, indem sie die Infektionsraten reduziert. Zwar | |
schützt die Impfung nicht vor einer Infektion, sondern nur vor | |
Erkrankungen an Covid-19, vor allem der schweren Verläufe. Doch das sollte | |
die Ansteckungsgefahr zumindest reduzieren, hoffen Expert*innen. Infizierte | |
ohne Symptome scheiden weniger Viren aus als jene mit Symptomen. | |
Die Frage, wie sich die Infektionszahlen in Deutschland weiter entwickeln | |
werden, ist also eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Während die | |
Kanzlerin eher auf das Prinzip Vorsorge setzen und zunächst auf Lockerungen | |
verzichten wollte, setzen mehrere Ministerpräsident*innen mit der | |
[3][schrittweisen Öffnung] eher auf das Prinzip Hoffnung. | |
11 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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