# taz.de -- Gefährlichere Coronamutanten: Die Sorgen wachsen exponentiell | |
> Wie stark die neue Virus-Mutation in Deutschland schon verbreitet ist, | |
> weiß niemand. Bisher wird das nicht systematisch untersucht. | |
Bild: Elektronenmikroskopische Aufnahme von im Labor gezüchteten Coronaviren | |
Berlin | taz | Als die [1][britische Mutation des Coronavirus] kurz vor | |
Weihnachten durch eine studierende Person nach Berlin gebracht wurde, ging | |
die Verbreitung schnell: In kurzer Zeit steckten sich mehrere | |
Familienmitglieder an, berichtete die Senatsverwaltung für Gesundheit | |
vergangene Woche. Von dort aus gab es nach taz-Informationen mindestens | |
eine weitere Infektion am Arbeitsplatz einer Betroffenen – obwohl es keinen | |
direkten Kontakt ohne Maske gab, sondern nur unmittelbar nacheinander im | |
gleichen Raum gearbeitet wurde; eine Bestätigung dafür gibt es nach Angaben | |
der zuständigen Gesundheitsstadträtin aber noch nicht. | |
Inwieweit sich die Mutante darüber hinaus weiterverbreitet hat, ist unklar. | |
Denn in Deutschland wird, anders als in Großbritannien, nur ein winziger | |
Teil der Coronaviren genetisch analysiert. Bisher macht das vor allem die | |
Berliner Charité. Und das dauert: Für die Virusprobe aus Berlin, die am 23. | |
Dezember genommen worden war, lag erst am 7. Januar ein Ergebnis vor. Wo | |
die neue Variante sonst noch aufgetreten ist, ist unklar. Beim | |
Robert-Koch-Institut heißt es nur, es gebe in verschiedenen Regionen | |
Einzelfälle. | |
Die Sorge in der Bundesregierung ist angesichts der unklaren Lage hoch – | |
denn auch dort verfolgt man die alarmierenden Zahlen aus Großbritannien und | |
[2][vor allem aus Irland]. Dort ist der Anstieg der Neuinfektionen in den | |
letzten Tagen so steil wie bisher nirgendwo sonst, und ein Anteil von 45 | |
Prozent davon betraf zuletzt die neue Mutante. | |
Auch wenn noch einige Fragen offen sind, gilt es als relativ gesichert, | |
dass die neue Virusmutante, die als B1.1.7 bezeichnet wird, sich in einer | |
Vielzahl von Merkmalen von den bisher vorherrschenden Virusvarianten | |
unterscheidet. Mutationen an sich sind reguläre Begleiterscheinungen bei | |
der Vermehrung von Viren. Und je häufiger sich ein Virus vermehrt, desto | |
wahrscheinlicher wird eine Vielzahl von Mutationen. Bedenklich wird eine | |
Mutante erst dann, wenn sie sich leichter verbreitet, für den Wirt | |
schwerwiegendere Folgen hat oder wenn bisher erfolgreiche Medikamente nicht | |
mehr gegen diese Variante wirken. | |
Nun deuten die Daten aus England und inzwischen auch aus Dänemark darauf | |
hin, dass B1.1.7 deutlich infektiöser zu sein scheint als die bisher | |
bekannten Varianten. „70 Prozent ansteckender“ wurde Großbritanniens | |
Premier im Dezember zitiert. Wie viel es ganz genau ist, wird Gegenstand | |
laufender und kommender Studien sein. | |
Weil in England Probenmaterial – auch schon vor aber noch einmal verstärkt | |
seit Corona – deutlich häufiger sequenziert wird als etwa in Deutschland, | |
lässt sich das Aufkommen und die Verbreitung der Mutante relativ gut | |
verfolgen. Sequenzierung bedeutet in dem Fall, dass die Genome von Viren | |
regelmäßig entschlüsselt werden. So lassen sich Veränderungen | |
nachverfolgen. In England passierte das bisher bei rund 170.000 positiven | |
SARS-CoV-2-Proben – in Deutschland bis Ende Dezember bei gerade mal 3.000. | |
B1.1.7 tauchte demnach jedenfalls erstmals im September in England auf und | |
breitete sich dann rasch aus. | |
So kam es in England in Gebieten zu Rekordinzidenzen, in denen die Pandemie | |
zuvor kaum eine Rolle spielte. In wie vielen Ländern das mutierte Virus | |
schon aufgetreten ist, wird im Moment zusammengetragen. Das ist nicht so | |
einfach weil nicht alle Länder systematisch sequenzieren. Die europäische | |
Seuchenschutzbehörde ECDC führt 36 Länder weltweit auf, aus denen bereits | |
Fälle berichtet wurden. | |
Für eine einzelne infizierte Person ist die neue Mutation nicht | |
gefährlicher als das bisherige Virus: [3][Es gibt keine Hinweise auf | |
schwerere Verläufe]; die bisher zugelassenen Impfstoffe bleiben nach | |
Einschätzung von ExpertInnen und Impfstoffentwicklern auch beim mutierten | |
Virus wirksam. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung, denn von der höheren | |
Ansteckungsrate geht eine viel größere Gefahr aus: Wegen des daraus | |
resultierenden stärker exponentiellen Anstiegs der Infektionszahlen wird | |
sie zu weitaus mehr schweren Verläufen mit mehr Toten führen. [4][Die ECDC | |
stufte das Risiko, das von B1.1.7 ausgeht, entsprechend als hoch ein]. | |
## Verschärfte Einreisebestimmungen geplant | |
Angesichts dieses großen Risikos plant die Bundesregierung nun einerseits | |
verschärfte Einreisebestimmungen für Menschen aus allen Gebieten, in denen | |
die Mutation bereits verbreitet ist. Zudem sollen jetzt auch in Deutschland | |
verstärkt Genanalysen durchgeführt werden, um die Mutation leichter zu | |
entdecken. | |
Das Bundesgesundheitsministerium will mit einer Verordnung ermöglichen, | |
dass Gensequenzdaten strukturiert in allen Laboren erfasst und beim | |
Robert-Koch-Institut zusammengeführt werden. In Zukunft sollen ungefähr | |
1.000 Genanalysen pro Tag durchgeführt werden. | |
Bei derzeit 20.000 gemeldeten Neuinfektionen pro Tag könnten auch damit nur | |
5 Prozent der Proben analysiert werden, was eine systematische Entdeckung | |
weiterhin unwahrscheinlich machen würde. Sollte es gelingen, die | |
Infektionszahl auf 5.000 zu drücken, könnten dagegen 20 Prozent analysiert | |
werden – ein weiteres Argument, die Zahlen schnell zu senken. | |
12 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Coronamutation-in-Grossbritannien/!5740080 | |
[2] /Coronainfektionen-in-Irland/!5744045 | |
[3] https://www.gov.uk/government/collections/new-sars-cov-2-variant | |
[4] https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/communicable-disea… | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Manuela Heim | |
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